15.04.2004: Benita vs HeiFi im ORF

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dejost
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15.04.2004: Benita vs HeiFi im ORF

Post by dejost »

Jetzt habe ich ein bisschen in meinem Computer aufgegräumt, habe unter anderem uralte JuristL- Artikel von mir gefunden, alte Seminararbeiten und folgende Hausarbeit, die ich in meinem P&KW-Studium über eine Fernsehdiskussion geschrieben habe:
Juristen unter sich

Donnerstag, 15. April 2004
20:15
Die Nation sitzt gespannt vor der Fernseherin. Der politisch interessierte Teil vor des Stiftungsrundfunks zweiten Sender.
In den nächsten 90min wird sich entscheiden (so behaupten zumindest die niemals aussterbenden Meinungsforscherinnen), wer in den nächsten 6 Jahren sich Staatsoberhaupt nennen darf.

Vorauszuschicken ist Bedauern. Dass ein Wahlkampf dieser Bedeutung mit so wenig Ernst und Inhalt geführt wurde. Fairnessdiskussionen über Süßigkeiten und Farben statt Inhalte. Wenn politisch etwas ausgesagt wird, geht es an der Verfassungsrealität vorbei.
Auch bedaure ich, dass scheinbar alle glauben, der Bundespräsident ist so eine Art zweiter Außenminister.

Am Anfang der Sendung steht das Los in Form der österreichischen 2€ Münze. Das Los, als Zeichen für Fairness? Eher wohl als Zeichen, dass es sowieso egal ist, wer gewählt wird.
Vielleicht steht der Zufall gleichsam einer Parabel für den Verlauf und den Ausgang des Wahlkampfes, vielleicht auch für die Ratlosigkeit des Öffentlich Rechtlichen Stiftungsrundfunk. Sogar auf ATV+ wird dieses Element belächelt, doch ist Benito zu Sendungsbeginn noch nicht da, was den Sendungsverantwortlichen erspart, eine vergleichbare Lösung abzukupfern.

Für alle, denen der Wahlkampf erspart geblieben ist, gibt es jetzt Gelegenheit, alles nachzuholen: Es gibt keine neuen Inhalte, aber beide beten fleißig ihre Wahlkampfslogans herunter.

Inhaltlich bietet die Diskussion also nichts Neues, wobei Elmar Oberhauser auch nur beschränkt bemüht scheint, dies zu ändern. Zu kuschelweich sind die Fragen, selbst etwas provokantere Fragen scheitern an der Formulierung. Besonders plakatives Beispiel ist die Frage, ob Benito nicht eine Schüssel- Marionette wäre, schließlich hatte er einst gesagt, sie wäre sein Alter ego.
Selbst HeiFi findet die Frage daneben und muss Benito in Schutz nehmen. Sie selbst umgeht die Frage mit dem Frauen- Totschlagsargument, es wären nur Frauen vom Marionetten- Vorwurf betroffen. Gegenbeispiele gibt es zuhauf, um eines zu nennen: Die letzte Regierung und Dr. Jörg Haider. Oberhauser rettet sich mit der „liebenswerten Figur der Kulturgeschichte“. Nicht. Die Frage bleibt unbeantwortet.
„Trauen Sie mir nicht zu, unabhängig zu sein?“ ist ihre Reaktion.
„Ich trauen Ihnen alles zu!“ ist Oberhauser als Antwort nicht zu peinlich.
„Trauen Sie dem Dr. Fischer mehr zu, der lange Zeit SPÖ Führungsperson war?“

Die Unparteilichkeitsfrage bereite HeiFi sichtlich Vergnügen. Wahrscheinlich hat er die Antwort (inklusive Gesten) lange vorbereitet. Besonders den Teil, wo er sagt, er ist für Gut und gegen Böse „Ich bin gegen Diktatur“. Ebenso den Teil, wo er dem Publikum zuwachelt und sagt, er war 12 Jahre vor den Augen des Publikums ein unparteiischer NR- Präsident.

Jedenfalls ist Benitos Antwort auf die obige Frage exemplarisch:
Die Frage nach den Vorteilen einer Frau zu Beginn der Sendung ist bestenfalls sexistisch. Benito antwortet darauf („Teamfähigkeit, Versöhnung“), was zeigt, dass sie wirklich nichts vom Feminismus versteht (und als Bonzentochter auch nicht braucht).
Auffallend war auch, dass Benito, die ja so auf ihr Frau- Sein pocht („Ich bin ein Mensch, ich habe ein Herz“) nicht gendert und generell von Politikern, Staatschefs usw spricht. Selbst der öUHBP wird nicht zur öUFBP. Sie glaubt wohl doch nicht an ihren Sieg.
HeiFi antwortet zwar halbwegs egalistisch, aber nur aus Notwendigkeit, nicht aus Überzeugung.

Was noch auffällt, ist das beide zwar ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, von den verfassungsrechtlichen Aufgaben und Kompetenzen des/r BundespräsidentIn aber nur beschränkte Vorstellungen haben. (Abgesehen davon, dass HeiFi Benito das B-VG abprüft und sie auch sofort weiß, dass Art 80 den Oberbefehl über das Bundesheer beinhaltet.)
So ist das Argument HeiFis, den überparteilichen Bundespräsident als Gegenkanzler zu positionieren, bestenfalls dumm. Vor allem für einen Verfassungsrechtler.
Andrerseits wenn Benito zu den Menschen hinausgehen will, soll sie als Volksanwältin oder Ombudsfrau kandidieren. Was soll sie mit den Sachen anfangen, die ihr die Leute erzählen, wo sie als Bundespräsidentin weder legislative noch administrative Rechte hat, vor allem da sie den Job ja auch nur als Superaußenministerin und Staatsnotarin sieht.

Wenigstens war die ORF Diskussion halbwegs unparteiisch im Gegensatz zum ATV- Konkurrenzprodukt 3 Tage später.

Zusammenfassend ist zu sagen: Das beste an dieser Sendung war das Eis, dass ich währenddessen gegessen habe.

Das Benito- Wort des Abends: Netzwerke.
HeiFi: Ich auch.
Das Unwort des Abends: Waldheims Pferd.

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