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Täterschutz, Opferschutz, z'was brauch ma des? U. was ist es

Posted: 28 Apr 2008, 07:32
by dejost
Der tragische Fall der Fr. K, die ja in Österreich wirklich am deutlichsten gezeigt hat, was für einen Stellenwert Opferschutz hat - nämlich gar keinen, wenn der Fall nur spektakulär genug ist, ist ja hier schon ein eigener Thread gewidmet. Es sei noch hinzugefügt, dass Fr. K dadurch, dass sich ihr Entführer (gilt da noch die Unschuldsvermutung? naja, die wird sowieso geflissentlich ignoriert) das Leben genommen hat, von den Medien zu einer Ersatz-Täterin geworden ist, der vorsorglich alle Rechte auf Privatsphäre, das eigene Bild oder einfach in Ruhe gelassen zu werden - auch Jahre später noch vorenthalten werden.

Posted: 28 Apr 2008, 08:38
by dejost
Zum Anlassfall für diesen Thread sollen nur ein paar Schlagworte wie Kellerverlies, 24 Jahre, Inzest etc fallen.
Aufgrund der umfassenden Berichterstattung weiß eh jedeR, wer, was, und wie gemeint ist.

Fangen wir an mit dem ORF.
Der zeigt einmal ein Bild des (mutmaßlichen?) Täter, zwar mit Balken, aber doch leicht zu identifizieren. Gemeinsam mit den Details über den familiären Hintergrund ist jetzt sowieso jedem in und um Amstetten klar, wer da gemeint ist.
Dann wird einmal offengesagtzursacheimzentrum oder wie das jetzt auch immer heißt kurzfristig von "Jugendgewalt" zu "der aktuelle Fall" umgewidmet. Beclin, die als Kriminologin viel zu Jugendgewalt forscht, darf aber trotzdem bleiben, wodurch sie eher deplaziert wirkt. Und wenig beitragen kann.
Wer glaubt, dass Moderator Pelinka moderierend wirkte, wird enttäuscht, er fragt ganz gezielt nach, was das Publikum so wirklich interessiert - also vor allem Details. Außerdem kommen diverse Behördenvertreter, die lang und breit erklären dürfen, weswegen sie nie irgendwas wissen konnte (das könnte man wenigstens noch irgendwie als relevante Information betrachten).
Trotzdem ist es diesen Behördenvertretern nicht zu blöd, der versammelten Presse mitzuteilen, in welcher Anstalt sich denn nun die Opfer befinden. Zwar gibt es den Hinweis, dass sie unter Bewachung stehen - eben wegen der Presse. Aber so findet man sie leichter.

Heute zeigt einen Plan des Hauses. Falls es für blöde AmstettnerInnen noch nicht gereicht hat, zu erkennen, wer da gemeint ist, schreiben sie erstens auch noch mal, in welchen Vereinen welche Kinder waren (so viele freiwillige Feuerwehren wird's in Amstetten ja wohl kaum geben, oder?) und wie gesagt, Bild des Hauses inklusive Kellerverlies Plan - wobei dieser Plan tw Informationen aus dem Artikel widerspricht. Außerdem gibt es ein Balkenbild der Großmutter (also der Ehefrau des mutmaßlichen (Haupt-)Täters). Deren Rolle ist zwar noch nicht geklärt, aber was soll Heute machen? Bilder des Großvater/Vaters bzw der Kinder haben sie halt noch keine gehabt, die gibt's dann erst in der morgigen Ausgabe.

Posted: 28 Apr 2008, 10:26
by dejost
im standard forum (wo user teilweise auch schon den ganzen namen der familie posten - die adresse ist ja noch nicht nötig) schreiben userleins, dass in großbritannien, wo das ganze auch so manche seite 1 ziert, voller name und photos von (mutmaßlichen? ach was, unschuldsvermutung im uk?) tätern und opfern zu finden sind.
dann wird es heute oder österreich wohl auch morgen haben.
und der standard übermorgen, mit einem 2 seitigen artikel von rau, wieso es nicht ok ist, dass heute, krone oder österreich das gebracht haben.

man könnte gleich weiter vermuten, welches pamphlet wann was schreibt. wer kriegt das erster interview mit welchem opfer? wo ist der erste "report" alltag im horror- verlies etc.
papier ist geduldig.

Posted: 28 Apr 2008, 11:28
by harald
Meine Gedanken, meine Gedanken! ...

Und zu den vielen Stimmen, die immer wieder fragen, wieso sowas nicht auffällt:

Heutzutage wundert mich das gar nicht mehr. Jeder lebt sein leben, möglichst privat, ungestört und zurückgezogen.

Ich kann mich noch erinnern, als ich als kleiner Bub nach Klosterneuburg gezogen bin, kannte ich alle angrenzenden Nachbarn persönlich, vor allem auch die Kinder. Jetzt kenn ich gerade noch 3 Familien.

Nun behaupte ich nicht, dass eine solche Geschichte vor 15-20 Jahren nicht auch in meiner Nachbarschaft passieren hätte können, aber ich behaupte mal, dass sie kaum so lange unentdeckt geblieben wäre. Und das gerade weil man doch ziemlich genau die Gewohnheiten des jeweiligen Nachbarn kannte. Insofern versteh ich die Frage, warum die Nachbarn nix wussten schon, denn 1984 war es noch üblich, die Leute mehr als oberflächlich beim Namen zu kennen.

Die soziale Komponente geht einfach verloren. Heute kann es passieren, dass verstorbene Nachbarn erst nach langer Zeit in der Wohnung aufgefunden werden. Oftmals kennt man nicht mal den Namen der Nachbarn. Und falls man mal doch mit Nachbarn zu tun bekommt, dann meistens in rechtlichen Dingen (zB Bauverfahren). Da springt man sich dann gegenseitig halb an die Gurgel wegen ein paar Zentimeter Bauhöhe oder Abstand oder überstehender Äste oder, oder, oder ... . Früher wär man einfach zum Nachbarn gegangen und hätte nachgefragt, ob man die überstehenden Äste kürzen darf. Oder gar, ob man den Baum, auf eigene Kosten da man auch den Nutzen daraus trägt, fällen darf. Und ein durchschnittlicher Nachbar hätte dem Anliegen zugestimmt, wenn es nciht der ach so wichtige Familienbaum ist. Heute rückt man mit dem Anwalt an und wundert sich, wenn der Andere auf Stur schaltet.

Ich will nicht behaupten, dass früher alles besser war, aber in bestimmten Dingen schon.

Wie viele eurer Nachbarn kennt ihr über den Namen auf dem Türschild hinaus?

Posted: 28 Apr 2008, 13:45
by dejost
Der Standard bringt mittlerweile schon Bilder online aus dem Verlies. Und Bilder der Klinik, wo die Opfer betreut werden. Und Bilder Umgebung des Hauses, damit auch der letzte Amstettner weiß, wo es ist.

Achja, n-tv soll heute gleich dazu einen Themenschwerpunkt haben, und dazu aufrufen, dass man Österreicht - trotzd dieses Falls, Kampusch und diversen Groer- Geschichten nicht vorverurteilt.

Und jemand behauptet, dass es - statistisch gesehen - noch mehrere solcher Fälle geben könnte.

Im Übrigen frage ich mich immer, ob diese Berichterstattung nicht Nachahmungstäter motiviert?

Posted: 29 Apr 2008, 10:46
by dejost
Mittlerweile hat der orf auch schon bewegte, natürlich unzensierte Bilder des (mutmaßlichen?) Täters gezeigt, die meisten Familienmitglieder mit dem vollen Namen genannt und einen weiteren Themenschwerpunkt gemacht.

Fr Turnschuh hat, so wie auch Sonntag schon Pelinka, sehr viele Sympathien verspielt, in dem sie nach immer mehr Details ("Ja, wie fühlen sich die Opfer denn" etc) gegeifert hat, jenseits einer seriösen Journalistin, für die ich sie bis jetzt gehalten habe.
Während man Pelinka - wenn man das unbedingt will - noch dadurch tw entschuldigen kann, da alles noch irgendwie neu war und teilweise auch unklar, was, wer, wie, wann warum etc, kann man das nach über 24h Sonderberichte und nach dem Andrang der (Welt-)Öffentlichkeit nicht mehr ruhigen Gewissens behaupten.

Mit dem Verweis auf Privatsphäre übrigens will der orf keine Bilder des Verlieses zeigen. Ich schätze allerdings, wo ich das poste, hat sich das schon überlebt.

Heute zeigt sogar ein Bild des Täters in Badekleidung.

Fr K bzw ihr Medienberatungsteam, welches sich Fr K nennt, bietet - medienwirksam - ihre Hilfe und Foundation- Mittel an.
Man möchte fast vermuten, dass Puls4 ankündigen wird, das erste Interview mit einem der Opfer wird in Fr Ks Talksendung stattfinden.

Mittlerweile nehmen die "soll"s zu. So soll der (Groß-)Vater wegen eines Sexualdelikts vorbestraft, soll es den Nachbarn eh immer schon komisch vorgekommen sein, soll der Täter 3 Wochen lang in Thailand gewesen sein und soll daher Mittäter haben, sollen die Behörden alles versucht haben, soll der (Groß-)Vater-Mutmaß-Täter ein brillantes Lügengeflecht aufgebaut haben etc usw.

Die Medien zitieren sich auch schon gegenseitig, der Standard beruft sich beim seinem Vorstrafen- "soll" auf einen Unternehmer, der in der Presse seine Arbeitgeberpflichten verletzt etc, beim Urlaubs/Mittäter- "soll" auf den Kurier. Das kann man munter weiterspinnen.

Anders als im Fall K (eigentlich Fall P) ist hier nicht klar, ob man bei der medialen Bezeichnung (Krone- Radio übrigens "Horror- Haus in Amstetten") den Namen des mutmaßlichen Täters oder der Opfer heranzieht - es sollten ja alle F heißen.

Posted: 29 Apr 2008, 15:07
by dejost
Was bietet sich für Opfer in so einem Fall unter anderem an?

Genau, eine Namensänderung.
Das Namensänderungsgesetz hat in § 2 Abs 1 Z 10 (... Änderung des Familiennamens notwendig ist, um unzumutbare Nachteile in wirtschaftlicher Hinsicht oder in seinen sozialen Beziehungen zu vermeiden und diese Nachteile auf andere Weise nicht abgewendet werden können) eine entsprechende Bestimmung.

Was ist daher im Hinblick auf den Opferschutz blöd?

Wenn orf und standard das lang und breit berichten.
Gerade bei der Vertraulichkeit der hier zugehörigen Verfahren (siehe bisher uva) war das ein wenig schlauer Zug.

Im Übrigen wurde jetzt ein Opferschutzanwalt bestellt, gleich vom Pröll. Der hat auch gleich erkannt, was seine vordringlichste Aufgabe sein wird: Kontakte mit den Medien zu organisieren.

Posted: 02 May 2008, 07:17
by dejost
Es berichten zwar immer noch alle Zeitungen drüber, aber Neues gibt's kaum was. Mittlerweile beruft man sich auf Leute, die irgendwo in England oder weiter weg sitzen, und irgendwelchen dortigen Medien irgendwas erzählen oder auch nicht. "Soll", "soll", "soll".

Mittlerweile haben auch schon ein paar PolitikerInnen, nicht sehr umfangreich, aber doch tagespolitisches Kleingeld aus dem Fall herausgeschlagen, nicht zuletzt wegen der einseitigen Bestellung des Opferanwaltes (der wie der Standard laut Alchemist schreibt beim Verkauf der Bank Burgenland nicht Ruhmesblätter sammelte).
Da wird noch einiges Nachkommen.
Heute schreit schon nach einer SoKo oder U- Ausschuss oder was auch immer, die wissen's selber nicht so genau.

Der Standard hat die Veröffentlichung von (mutmaßlichen) Täterphotos damit gerechtfertigt, dass die Polizei darum gebeten habe, um weitere Zeugen zu finden.

Heute demonstriert schon seit längerem die Antipathie gegen die Unschuldsvermutung, in dem sie nie schreiben "Es gilt die..." sondern nur "es hat zu gelten.." oder "es muss ... gelten". ... Es muss die widerlegliche Intelligenzvermutung für die Schreiberlinge gelten.
Eine weitere journalistische Heldentat liegt darin, dass heute auf der Sonder- Sonder- Sonderberichterstattung zwar vom Fall F. spricht, ein paar Seiten weiter in irgendeiner Kolumne sind aber Täter und Opfer mit vollen Namen zu finden. (Dafür ohne Photo. Wahrscheinlich rechnet Heute damit, dass die Lesenden nicht checken, dass es um's selbe geht).

Den Vogel schießt aber der ORF ab, der schreibt nämlich heute
Schutz biete auch das Mediengesetz. Dieses sehe Strafen vor, wenn die Berichterstattung zu weit in das Privatleben der Opfer gehe und Bilder oder Namen veröffentlicht werden.

Posted: 02 May 2008, 07:44
by dejost
In Wahrheit sind wir in Aut ja noch auf der Insel der Seligen (Elysion), im Vergleich was in anderen Landen da üblich zu sein scheint.

Allerdings wird das auch nach und nach importiert. Einerseits durch reißerische Kleinformate und private TV Stationen, aber wesentlich stärker durch ausländische "JournalistInnen". So schreibt der standard
Die Wartezeit auf neue Details ist jetzt zum Wettrennen nach aktuellen Fotos von den Opfern geworden. Daran können auch die Bitten der behandelnden Ärzte, den Kindern Ruhe zu gönnen, nichts ändern. Im Klinikum Mostviertel Amstetten, in dem die kranke 19- Jährige behandelt wird, wurden inzwischen alle Seiten- und Nebeneingänge dicht gemacht. Am Mittwoch wurde entschieden, die Türen zu verriegeln. Diese kann nur noch das Personal mittels Zentralschlüssel öffnen, berichtet ein Techniker. Immer wieder seien TV-Teams im Haus "herumgegeistert", um wenigstens Innenaufnahmen von jenem Spital machen zu können, in dem das Mädchen auf der (grundsätzlich abgeschlossenen) Intensivstation mit dem Tode ringt.
Das psychiatrische Landesklinikum Amstetten-Mauer, in dem die anderen Familienmitglieder des mutmaßlichen Täters Josef F. betreut werden, hat mittlerweile ein Foto- und Drehverbot erlassen. Zudem wurde ein privater Sicherheitsdienst beauftragt. Dieser sei notwendig geworden, da es zu einer Handgreiflichkeit zwischen einem Fernsehteam und einem Mitarbeiter der Klinik gekommen war, bestätigte die niederösterreichische Landeskliniken-Holding. Bei dem Versuch, die Journalisten aus dem Spital hinauszukomplimentieren, soll der Mitarbeiter getreten worden sein.

Die Polizei muss auch immer wieder Paparazzi von den Bäumen rund um das Krankenhaus holen.
Tja, und irgendwann wird dann so ein Paparazzi ein Photo haben - und "Heute" (oder "Reißer- News um 1945 auf ATV/PULS) wird erst als zweiter oder dritter eines haben. Und dann werden sich die "JournalistInnen" von Heute (oder...) denken - wenn es wieder einen ähnlichen Fall gibt und die Pietät und die journalistische Ethik dem sofortigen kommerziellen Erfolg im Weg stehen "..."

Posted: 02 May 2008, 07:55
by dejost
Noch gilt der Opferschutz ein bisschen was.
Armin Wolf verläßt die Jury für den Alfred Worms- Preis, weil News alte Opferphotos veröffentlich hat.

Wird nicht lange halten.

Wir erinnern uns noch alle, als ein Österreich "Journalist" in einer Bank angerufen hat, wo gerade ein Mann mehrere Geiseln genommen hatte. Der war sich nicht zu blöd, da auch noch am Telephon den Entführer zu provozieren. (Ich denke, nachträglich hat sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden hat. Aber als der angerufen hat, war das noch gar nicht klar).

Posted: 04 May 2008, 12:19
by dejost
Ich könnte hier seitenweise schreiben, aber wer würde das noch lesen?
Außerdem haben doch wohl alle schon das News Cover gesehen, Frühstück bei mir gehört odgl.

Exemplarisch soll mal hier Hohes Haus genannt werden. Das ist das Parlamentsmagazin des Orf. Dieses zeigt Urlaubsvideos des mutmaßlichen Täters, beschreibt wie sich die Opfer gefühlt haben ("hofften sehnsüchtig, dass sich die Tür wieder öffnet") und nennt ihn - wie könnte es auch anders sein - mit vollem Namen. Ob sie "es gilt die Unschuldsvermutung" odgl gesagt haben, habe ich schon nicht mehr aufgepasst.

Was mir aber immer wieder sauer aufstößt, sind die irreführenden Bezeichnungen der Medien. Es ist nun mal kein "Inzestfall" es ist ein "langjähriger sexueller Missbrauch und Freiheitsentziehungsfall". Sicher ist Inzest ein Teil davon. Aber das eigentlich Schlimme ist nicht der Inzest.
Wenn jemand in seinem Auto entführt wird, sagt auch keiner "Autodiebstahl" dazu.
Das führt dann dazu, dass Leuchten wie Peter Wesenthaler sich beschwert, dass der Strafrahmen für Inzest zu niedrig ist, als ob das in dem Fall wen interessieren sollte.

Posted: 15 May 2008, 07:19
by dejost
Death sells, heißt es schon irgendwo in Kleine Morde etc
Death sells.

Das hat auch die bunte Gratiszeitung H. erkannt.
So gibt's heute nach dem Axtmord (da der F. Fall ja "Inzestfall" heißt, wird man diesen vielleicht "Versuchte schwere Körperverletzung mit Axt- Fall" nennen?) in dieser Zeitung Bilder aller (verstorbenen) Opfer, des Täters und alles mit vollem Namen und ohne Balken odgl. Auch der Arbeitgeber - ein SPÖler (wollen wir wetten, ob F oder BZÖ das zuerst zur Sprache bringen?) kommt zu Wort.

Die überlebenden Verwandten können jetzt in aller Ruhe von jedem "Qualitätsjournalisten" aus dem In- und Ausland aus dem Telephonbuch rausgesucht werden.

Posted: 15 May 2008, 22:24
by Der Alchemist
Betreffend aktueller Kriminalfälle

(Ist das jetzt der passende Thread? Bitte allenfalls verschieben.)

http://news.orf.at/080515-25079/25076txt_story.html
Alle international relevanten Medien haben am Donnerstag groß über den Fünffachmord in Wien und Oberösterreich berichtet. Kaum ein Medium berichtete dabei einfach nur über die Tat; in den meisten Fällen wurden Verbindungen zum Inzestfall von Amstetten gezogen.
Mehrere Medien machten sich Sorgen über die psychische Verfassung der österreichischen Bevölkerung. Im US-Nachrichtensender CNN hieß es etwa, die Österreicher würden durch die Serie an Gewaltverbrechen nun wohl endgültig "mit den Nerven am Ende" sein.
Der wesentliche Imageschaden für das Land seien Dinge wie die Waldheim-Affäre und die EU-Sanktionen im Jahr 2000 gewesen, so Bachmayer. Die tief sitzenden Stereotype über Österreich - wie Freundlichkeit, Musik und Tanz - würden nun höchstens einen Kratzer bekommen.
http://oesterreich.orf.at/steiermark/stories/277888/
Aufgrund von Bildern, die er von der damals Achtjährigen gesehen hat, habe er auf sexuellen Missbrauch geschlossen, als er danach mit Brigitta Sirny Kontakt aufnahm, habe sich dieser Verdacht bestätigt. Der Grund: Natascha soll vor ihrer Entführung stark zugenommen und zu bettnässen begonnen haben. Die Polizei habe diese Richtung zwar zunächst verfolgt, aber nach einem Gutachten des Sachverständigen Max Friedrich, der keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch vor dem Verschwinden fand, wurde diese Spur fallen gelassen. Stutzig sei er geworden, als Brigitta Sirny schon bald erklärt habe, sie habe die Hoffnung aufgegeben. "Eine Mutter gibt die Hoffnung überhaupt nicht auf", meinte der pensionierte Richter.
Auch eine Unterlassungsklage der Polizei Wien habe ihn nicht davon abgehalten, Nachforschungen zu betreiben. Wabl bekräftigte vor Gericht seine Meinung, Brigitta Sirny habe Natascha Kampusch sexuell missbraucht und die Entführung als Ablenkung davon eingefädelt. Mit Wolfgang Priklopil sei sie bekannt gewesen, so Wabl.
"Ich möchte nicht auf sie losgehen, ich möchte Klarheit", sagte Koch. Er schilderte, dass Sirny am Tag von Nataschas Verschwinden bereits eine Anzeige erstattet hatte, bevor sie ihn anrief. "Das hat mich im Nachhinein verwundert", so Koch. Über seine ehemalige Lebensgefährtin sagte er: "Ich möchte nicht auf sie losgehen, ich möchte Klarheit". "Haben Sie den konkreten Verdacht, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat?", fragte der Richter. "Kann ich nicht sagen. Weder zu hundert Prozent ja noch zu hundert Prozent nein", so Koch.
Unter den Zeugen war eine Nachbarin und ehemalige Angestellte von Brigitta Sirny, die die Klägerin schwer belastete. "Ich glaube, dass sie mit der Entführung zu tun hat", meinte die Befragte. Ihrer Meinung nach sei vor der Entführung "entweder in der Nacht etwas passiert oder sie hat Natascha verkauft", so ihre Angaben. Zusätzlich gab sie an, Wolfgang Priklopil einmal im Geschäft von Brigitta Sirny gesehen zu haben. Die Nachbarin schilderte, wie sie im Geschäft von Brigitta Sirny im Herbst 1997 zwei Männer bei einem Stromkasten gesehen hätte. Einer sei ein Bekannter ihrer Chefin gewesen, der zweite "hat mich so deppert angeschaut. Er war kleiner als ich. Seit ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe weiß ich, es war der Priklopil", war sie überzeugt.

Posted: 19 May 2008, 00:50
by Der Alchemist
Ohne Worte
Im Fall des mutmaßlichen Fünffachmörders Reinhard St. (39) drohen nun einigen österreichischen Tageszeitungen möglicherweise Konsequenzen. Wie der STANDARD berichtete, ist der Grund die Veröffentlichung eines falschen Fotos der getöteten Tochter. Die Printmedien könnten sich "mit beträchtlichen Schadenersatzansprüchen konfrontiert sehen". Das Foto wurde zum Beispiel in der "Kronen Zeitung", "Heute", "Österreich" und im "Kurier" abgedruckt. Von den betroffenen Medien wie der "Krone" gibt es unterdessen bereits Entschuldigungen.

Das abgebildete Mädchen war nämlich eine Freundin des Mordopfers. Ein Freund der Familie des Kindes, das in die selbe Schule geht wie die getötete Tochter von St., wurde folgendermaßen zitiert: "Sie war entsetzt. In einer Zeitung wurde sie sogar neben der Axt abgebildet." "Bei uns und auch in anderen Medien wurde durch einen bedauerlichen Irrtum ein falsches Foto von Nathalie veröffentlicht. Wir publizieren nun das richtige Bild des siebenjährigen Mordopfers und entschuldigen uns bei den Eltern", hieß es in einer der betroffenen Zeitungen. (APA/red)

Posted: 19 May 2008, 09:05
by dejost
Das Versehen gleich mehrer Zeitungen, das richtige Opfer (!) abzubilden, ist ja im vorigen Post schon aufgegriffen worden.

Auch News Chef Oliver Voigt gibt sich, laut Standard, einsichtig
"Ich glaube im Nachhinein, es war falsch, die Bilder zu zeigen."
Helfen tut das zwar auch keinem mehr, aber immerhin.

Aber da wir schon den Standard kopieren, machen wir das doch weiterhin.
Sperl schreibt in seiner Kolumne nämlich gleich den Grund, wieso sich der News Chef so einsichtig zeigt:
Leider setzen sich Verleger und Chefredakteure - in eigener Sache - über das geltende Recht hinweg und forcieren zusätzlich auch noch eine "Liberalisierung" des Opferschutzes. Was im Fall von News wenigstens zu heftigen Leserreaktionen geführt hat.
Sperl sieht Fehler auch auf Seiten der Politik. Zwar gab es tw Rügen bei der Veröffentlichung von Opferphotos, hinsichtlich Täterschutz deckt man aber eher den Medien den Rücken.
Schuld an dieser medialen Verwahrlosung trägt auch die Politik. Während man zur Öffnung der Verbrecherkartei bei Sexualdelikten sofort eine Regierungsvorlage gebastelt hat, bleibt man medienrechtlich zurückhaltend.
Eine "österreichische" Tageszeitung titelte nach den Entdeckungen von Amstetten: Schlimmstes Verbrechen aller Zeiten. Freilich wird man von den Verantwortlichen solcher Medien nicht verlangen können, dass sie im Aufmacher-Stress auch noch an den Holocaust oder an den Gulag denken. Aber die Namen der Serienmörder Engleder und Gufler müssten ihnen genauso geläufig sein wie dem konservativen Innenminister, der sich im Parlament ähnlich äußerte.
Über mediale Verwerfungen zu urteilen möge man "dem Markt" überlassen. So als hätte der Markt jemals über eine moralische Qualität verfügt.
So, laut Sperl, unter anderem ein Theologe der bei einer Zeitung arbeitet, als Argument gegen einen Presserat.

Abgesehen davon, dass all diese Entgleisungen ja eben wegen dem Markt und nicht trotz ihm stattfinden, gänge das Argument auch anderweitig in die Leere, da zwei der weniger positiv hervorstechenden Zeitungen in diesem Konnex gratis in den Ubahnen aufliegen. Und solange sie gratis sind, werden sie auch gelesen werden. Bestenfalls HIPP oder sonstige "familienfreundliche" Produzenten werden weniger drin werben - aber das tun sie ja jetzt auch schon mit gutem Grund nicht.

Etwas ist mir bei der Lektüre von Sperls Kolumne noch aufgefallen:
Einerseits werden die Opfer medial auf das Ärgste drangsaliert, Persönlichkeitsrechte mit Füßen getreten etc etc - s.o. Auf der anderen Seite wird Tätern und Tätern- Anwälten - zwar unter Ignoranz der Unschuldsvermutung - aber doch immens viel Platz in den Medien eingeräumt, Sperl vergleicht die Interviewaufmachung mit der eines Bundeskanzlers.
Verrutschte Maßstäbe nennt Sperl das, und ich kann ihm nur beipflichten.
Eine Fr. K. wird medial bedrängt, als hätte sie was angestellt (abgesehen von der zu erwartenden Puls4 Sendung - die wird sicher schrecklich), einen mutmaßlichen Mörder tut man artig respektvoll reden lassen.

Posted: 19 May 2008, 14:52
by Der Alchemist
Dejo wrote:Eine Fr. K. wird medial bedrängt
Puls4 Sendung - die wird sicher schrecklich
Ohne werten zu wollen (den ich KANN mich nicht in Natascha hineinversetzen und ich weiß wirklich nicht, wie es ihr in ihrem tiefen Inneren geht) möchte ich hervorheben, dass sie bei vielen Menschen gar nicht gut wegkommt, da sie einerseits den Wunsch nach Ruhe äußert, aber andererseits häufig in die Öffentlichkeit geht.

Wie auch immer, ich hoffe natürlich, dass es ihr gelingen wird, ein zufriedenstellendes Leben zu führen.

Im Übrigen habe ich große Bedenken bzgl dem Fünffachmord: Jemand plant wochenlang wegen Schulden (!) ein Massaker, übt es über ein paar Tage verteilt aus, erklärt sodann, zum Selbstmord (wie es sich in solch einer Sache mMn gehört hätte) nicht in der Lage gewesen zu sein ...

Wenn jeder Privatschuldner zur Axt greifen würde, gäb's die halbe Menschheit nicht mehr. Irgendwas ist faul. Oder der Kerl ist im klassischen Sinn verrückt. Oder ich verstehe halt die Welt noch nicht.

EDIT: Anscheinend hat sich der Trottel nach seiner Mordtour einen Bordellbesuch gegönnt. :shock: Es wird immer absurder.

Posted: 24 Jul 2008, 07:11
by dejost
Die heutige Ausgabe der Ubahntapete Heute hat als riesige Schlagzeile "blabla Bankräuberin blabla". Daneben ein unverfälschtes Photo der Bankräuberin. Unter diesem Photo steht in der kleinstmöglichen Schrift, gerade noch lesbar "bla bla Unschuldsvermutung"
Drinnen hat sie dann einen langen Artikel, wieder mit Photo, mit Bericht über die 8 jährige Tochter (die wenigstens mit geänderten Namen und ohne Photo) und woher sie weiß, was eine Bankräuberin ist. Unschuldsvermutung gab's dann keine mehr.

Ich frage mich, ob sich Heute denkt, jemand wie diese _mutmaßliche_ Bankräuberin, die aus eher desolaten Verhältnissen stammt, wird schon keine Klage machen, weil sie von der Unschuldsvermutung nix weiß?

Ganz was anderes soll hier auch kurz erwähnt werden:
Es soll doch eine weitere Folge von Fr. K trifft geben.

Posted: 05 Feb 2009, 13:07
by dejost
In dem Amstettner "Inzest" Fall (ich habe mich ja schon ausführlich echauffiert, dass Inzest eines der harmloseren Delikte in diesem Fall war), gibt es nicht nur Klagen, sondern soger nicht rechtskräftige Entscheidungen, wie der Standard berichtet.
Die Ehefrau von Josef F. hatte in Bezug auf "News" für vier behauptete Rechtsverletzungen mit je 20.000 Euro den im Mediengesetz vorgesehenen Maximalbetrag für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs eingeklagt. Bei "Woman" ortete sie neun Rechtsverletzungen, für die sie ebenfalls je 20.000 Euro wollte.
Die Richterin sprach der Klägerin für einen "News"-Bericht, der sich unter anderem mit ihrer Jugend auseinandersetzte, 4.000 Euro zu. Dieser habe "Detailschilderungen aus dem Familienleben" enthalten, "die lediglich die Sensationslust des Lesers befriedigen sollten". Gewisse Formulierungen seien darauf gerichtet gewesen, die Frau öffentlich bloßzustellen, befand die Richterin.

Für zwei "Woman"-Artikel gab es je 3.500 Euro, weil diese einerseits "zu reißerisch aufgemacht" beziehungsweise "keine sachliche Berichterstattung" waren, wie Körber feststellte. Es wäre vielmehr "die psychische Befindlichkeit der Ehefrau ausgebreitet" worden.
Abgewiesen wurde ein Entschädigungsbegehren, das sich auf Veröffentlichungen aus dem psychiatrischen Gutachten über Josef F. gerichtet hatte
Weitere Klagen gegen Spiegel, Spiegel online und Krone sind anhängig.
Martina Gaspar, die Anwältin der Ehefrau[...]: Man sei "zurückhaltend" vorgegangen und habe nur die gravierendsten Verstöße eingeklagt. Wie viele Klagen konkret anhängig sind, wollte Gaspar nicht sagen.
News hat sich als guter Verlierer gezeigt (8ung, Ironie) und gegen das Urteil das statt den begehrten 260 000 € nur 11 000 € zusprach, sogleich volle Berufung erhoben.

Posted: 18 Mar 2009, 10:29
by dejost
Es schreibt der Standard und ich ab:
Ich habe das Gefühl, die Behörden versuchen jetzt, wieder gutzumachen, was sie bei Aufkommen des Falles verbockt haben" , sagte eine deutsche Journalistin [...] Dabei meinte sie die "Indiskretion", mit der Informationen über die Causa anfangs ausgeplaudert worden seien. Dieser Tage, so ihr Eindruck, werde der Ausschluss der Öffentlichkeit und das Opferschutzrecht dafür umso ernster genommen.
In der Montagsausgabe stand in einer Mitteilung der Redaktion [der Kronenzeitung], man schreibe nun den Namen des Angeklagten nicht mehr aus, obwohl man annehmen dürfe, "dass Herr F. eine Person öffentlichen Interesses ist, über die berichtet werden kann" . Der Grund sei vielmehr: "Opferschutz. Jedes Mal, wenn wir unserer Aufgabe, Sie wahrheitsgemäß zu informieren, nachkommen, kostet das Geld. Viel Geld. Denn, so behauptet der Anwalt von F.s Tochter, man könnte unter Umständen das Fortkommen der Opfer behindern, weil sie identifiziert werden könnten."
Oh nein, die Krone muss Geld zahlen wenn sie den Opferschutz mit Füßen tritt. Ich muss gleich weinen.
Österreich fährt eine andere Linie: Sie nennt den Angeklagten beim vollen Namen: "Wenn man auch schon den Täter schützt, wird's problematisch. Gerade der hat keinen Schutz verdient" , sagte Chronik-Chef Wolfgang Höllrigl dem Standard. Doch in Sachen Opferschutz will das Blatt nun auch vorsichtiger sein: F.'s Tochter und Kinder werden nur noch mit dem ersten Buchstaben des Vornamens genannt.
Die Nachrichtenagentur Central European (CEN) News hat laut The Guardian Josef F.s Verteidigern angeboten, sich um die Vermarktung eines Interviews mit F. zu kümmern. Bis zu einer Million Euro sollen nach Schätzungen dabei herausschauen, die dann den Opfern zur Verfügung gestellt würden. Windhager meint, ein Interview mit F. wäre "sehr problematisch. Das dürfte ohne Zustimmung der Opfer eigentlich nicht geschehen. Da würde einmal mehr über ihre Geschichte verfügt."
Aber das Ganze scheint auch positive Auswirkungen zu zeitigen:
Immerhin werden erstmals opferschutzrechtliche Fragen in dieser Form auch im Boulevard thematisiert" , sagt Medienrechtlerin Maria Windhager. Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner nimmt sich der Sache nun an: Sie kündigt im Falter härtere Strafen für entwürdigende Berichterstattung und einen erweiterten Identitätsschutz auch für Angehörige von Opfern und Tätern an. Noch heuer solle ein Gesetz gegen das "Paparazzi-Unwesen" in Begutachtung gehen.