Seinesgleichen geschieht: Der Falter berichtet

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Seinesgleichen geschieht: Der Falter berichtet

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Der Falter - so wie so vieles - hat mehrere Seiten (pun intended).

Ungeachtet der schlechteren Aspekte, ist der Falter jedenfalls - insbesondere für eine österreichische Zeitschrift - besonders unabhängig, kritisch (wobei er auch keinesweigs nur einseitig kritisch ist) und er ist einfach eine Aufdeckerzeitschrift, deren Ruf so gut ist, dass die sonstigen österreichischen Tageszeitungen seine Stories einfach übernehmen.

Daher dieser Thread, über besonders interessante, wichtige, weitreichende (Aufdecker-)Stories und Reaktionen darauf.

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dejost
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http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=971

Ein Informant (Neu-Denglisch: Whistleblower) hat dem Falter einen Sack mit Dokumenten gegeben, mit der sinngemäßen Bitte sie zu veröffentlichen. Ursprungsort der Akten: Das Justizministerium, als Oberbehörde der Staatsanwaltschaft.
In Österreich herrsche eine untertänige Kaste von Ministerialbeamten, die politisch sensible Causen immer wieder abwürge und politisch Mächtige nicht mehr anfasse. Er habe lange nachgedacht, ob er die Papiere herausgeben soll, so der Informant, „Aber mein Gewissen verpflichtet mich dazu. Machen Sie das öffentlich.“
Der Falter, selbst kein Feind der eigenen Auflage, veröffentlich nicht alles in einer tausendseitigen Ausgabe, sondern immer Stück für Stück.
Die Geschichten, die in den Papiersäcken stecken, würden eine Ausgabe dieser Zeitung sprengen. Es geht um den Verdacht auf Geheimnisverrat, Bestechung, Amtsmissbrauch, Freunderlwirtschaft, Wiederbetätigung und staatlich zu verantwortende Geldverschwendung – und den merkwürdigen Umgang der Justiz damit.

In den nächsten Wochen wird der Falter einige der Fälle ausführlich darstellen. Sie betreffen Verfahren gegen Politiker, Manager, Landtagsabgeordnete, Amtsärzte, Richter, Polizisten und Staatsanwälte. Es sind prominente Namen darunter: Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider etwa, Stefan Petzner und Gerhard Dörfler. Es geht um den mutmaßlichen Datenverrat im Fall Arigona Zogaj durch das Kabinett von Ex-ÖVP-Innenminister Günther Platter, aber auch um Polizisten, die sich mit „Trinkgeldern“ das Gehalt aufbesserten und dabei Bürger schamlos schikanierten. 57 Aktenordner hat das Justizministerium alleine in diesem Fall vom BIA erhalten, sechs Jahre hatte diese Antikorruptionstruppe intensiv ermittelt – und dennoch wurde keine Anklage erhoben. Es geht auch um die Verschwendung von Steuergeldern für Parteiwerbung und um mutmaßlichen Geheimnisverrat durch Beamte des Finanzministeriums in der Amtszeit von Karl-Heinz Grasser. Beängstigend ist auch der medial unbekannte Fall eines Strafrichters, der sich auf Reisen einladen ließ und Geldgeschenke von Beschuldigten angenommen haben soll. Er steht im Verdacht, zehntausende Euro kassiert zu haben. Sogar ein Kriminalbeamter gab an, Zeuge geworden zu sein, als über die Zahlung von Bestechungsgeldern gesprochen wurde.

Und dann ist da noch der vom Falter im Jahr 2007 enthüllte Fall des Bawag-Staatsanwaltes Roland Schön, der im Hinterzimmer jener Anwälte arbeitete, deren Mandanten er am Vormittag anklagte. Kein Richter wird seinen Fall prüfen. Das machen die Kollegen der Staatsanwaltschaft Graz, die kein kriminelles Verhalten erkennen können.

Alle diese Verfahren haben eines gemeinsam: Sie wurden ohne öffentliche Verhandlung und ohne unabhängigen Richter eingestellt.
In den Akten der Weisungsabteilung wird erstmals ersichtlich, wie das Justizministerium in sogenannten clamorosen Fällen agiert. Clamor ist lateinisch und bedeutet Lärm. Wenn Fälle medialen Krach schlagen, dann will das Justizministerium die Aufsicht haben – und das hemmt offenbar die Staatsanwälte. Immer wieder klagten Polizisten, Staatsanwälte, aber auch Ministerialbeamte, dass in großen Verfahren gezaudert und verschleppt werde. Prominente Beschuldigte erhalten Sonderbehandlungen, von denen kleine Strolche nur träumen können.

Immer wieder waren diese Usancen der Weisungsabteilung auch Thema schriftlicher Auseinandersetzungen. Anders als bei Normalbürgern, so lautete die Kritik, würden viele der Promis nicht bei der Polizei zu Verhören erscheinen müssen, selbst bei schwersten Vorwürfen. Statt harter Einvernahmen genüge oft eine anwaltliche Stellungnahme.
In den Akten der Weisungsabteilung wird erstmals ersichtlich, wie das Justizministerium in sogenannten clamorosen Fällen agiert. Clamor ist lateinisch und bedeutet Lärm. Wenn Fälle medialen Krach schlagen, dann will das Justizministerium die Aufsicht haben – und das hemmt offenbar die Staatsanwälte. Immer wieder klagten Polizisten, Staatsanwälte, aber auch Ministerialbeamte, dass in großen Verfahren gezaudert und verschleppt werde. Prominente Beschuldigte erhalten Sonderbehandlungen, von denen kleine Strolche nur träumen können.

Immer wieder waren diese Usancen der Weisungsabteilung auch Thema schriftlicher Auseinandersetzungen. Anders als bei Normalbürgern, so lautete die Kritik, würden viele der Promis nicht bei der Polizei zu Verhören erscheinen müssen, selbst bei schwersten Vorwürfen. Statt harter Einvernahmen genüge oft eine anwaltliche Stellungnahme.
Der Falter stellt es ausdrücklich klar, und auch von mir an dieser Stelle nochmal:
Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
(Mehr noch, sie sind ja nicht mal angeklagt worden.)

Fall 1 ist die Ortstafelcausa.
Wenn man bedenkt, dass der Falter die Fälle kaum antiklimaktisch veröffentlichen wird, können wir uns ja noch auf einiges gefasst machen.
Seit dem Jahr 2005 wurde gegen Jörg Haider, seinen damaligen Stellvertreter und nunmehrigen Nachfolger Gerhard Dörfler, den Landesbeamten Albert K. sowie zwei Beamte der BH Völkermarkt wegen Amtsmissbrauchs ermittelt.
Was taten Dörfler & Co? Sie erließen verfassungswidrige Verordnungen und versetzten höchstpersönlich Ortsschilder, um die Slowenen zu verhöhnen. Verfassungsrichter bezeichnete Dörfler als „Kasperln“. Auf dutzenden Seiten führt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zunächst aus, inwiefern die Kärntner Politiker „objektiv rechtswidrig“ handeln. Alle Verwaltungsbehörden, so schreibt der zuständige Staatsanwalt, seien nämlich „verpflichtet (…) unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen“. Der Staat und die slowenische Volksgruppe hätten ein „konkretes Recht auf Einhaltung aller Gesetze“. Werde einem „Vorgesetzten die Weisung erteilt, eine verfassungswidrige Verordnung zu erlassen“, so liege „zweifellos“ Amtsmissbrauch vor. Anklage? Keineswegs. Das Justizministerium fand den Ausweg: die „subjektive Tatseite“ der BZÖ-Machthaber. Ein Amtsmissbrauch, so wissen Strafrechtler, muss nämlich nicht nur objektiv gesetzt werden, der Täter muss auch wissen, dass er kriminell handelt. Genau das, so die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, habe die Law-and-Order-Truppe vom Wörthersee aber nicht gewusst.
Die Begründung dafür: Landeshauptmann Gerhard Dörfler, so der Vorhabensbericht, „verfügt über keine juristische Ausbildung, war vormals in einer Bank beschäftigt und kam als Quereinsteiger in die Politik. Aus seinem politischen Verhalten ist abzuleiten, dass er seinem Mentor Dr. Haider treu ergeben ist und dessen Ideen bedingungslos umsetzt. (…)“ Er habe die Meinungen Haiders nur „unreflektiert als richtig zur Kenntnis genommen“.

Dörfler habe zwar den Verfassungsgerichtshof „brüskieren“ wollen und rechtstreue Beamte mit „Penetranz“ schikaniert, er habe in dem Fall sogar ein hohes „Maß an Unaufmerksamkeit und mangelndes Verständnis“ walten lassen. Doch „fraglich bleibt, ob Dörfler die strafrechtliche Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen vermochte“. Im Zweifel werde die für eine Anklage erforderliche „Verurteilungsnähe“ daher nicht erreicht werden.

Glück hat auch die Beamtin Christine H. Sie fügte sich Schikanen Dörflers – unter anderem auch deshalb, weil sie (letztlich zu Recht) hoffte, zur Bezirkshauptfrau in Völkermarkt befördert zu werden. Auch sie habe zwar rechtswidrig gehandelt, so die Staatsanwaltschaft, stand aber „unter einem gewissen Zwang, Entscheidungsträger über ihre Bewerbung nicht von vornherein vor den Kopf zu stoßen“. Daher könne der Bezirkshauptfrau ein „wissentlich befugnismissbräuchliches Verhalten nicht unterstellt werden“. Wer das Recht missachtet, um Karriere zu machen, bleibt vor Strafe verschont.

Auch Albert K. vom Amt der Landesregierung kann aufatmen. Er habe bei den Ortstafelschikanen zwar eine „Schlüsselstellung“ bezogen und besitze jene „Fachkompetenz und Detailkenntnis, auf die politisch Verantwortliche vertrauen“.

Laut Staatsanwaltschaft ergibt sich bei ihm sogar das „Bild eines selten ausgeprägten juristischen Erfindungsgeistes, um ersichtlich zu von politischer Seite gewünschten Ergebnissen zu gelangen“.

Doch von einer Anklage sei abzuraten: „Auch bei Dr. K. wird zu beachten sein, dass er sich trotz seiner juristischen Bildung (…) mit dem Verfassungsjuristen Jörg Haider beriet. (…) Im Hinblick auf die durchaus charismatische Ausstrahlung Dr. Haiders und dessen Beziehungen zu Fachexperten auf dem Gebiete des Verfassungsrechts ist nicht auszuschließen, dass K. im vermeintlich noch rechtlichen Rahmen mitwirkte.“ Auf Haiders Rechtsmeinung zu vertrauen ist offenbar ein Rechtfertigungsgrund.
Das Justizministerium macht gar keinen Hehl daraus, warum es all diese Verfahren abwürgen und ein Gerichtsverfahren verhindern will. Die Begründung schreibt Rechtsgeschichte:

„Unter Berücksichtigung eines sonst zu erwartenden emotionalen Verhandlungsverlaufs mit dem entsprechenden Einfluss insbesondere auf Laienrichter (…) kann nach hieramtlicher Ansicht die geforderte Verurteilungsnähe nicht angenommen werden.“ In politischen Konflikten erweise sich nämlich „das Instrument des Strafrechts in keinem Fall als geeignetes Mittel der Problemlösung“, da „jede Art der justiziellen Entscheidung sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung stoßen wird“.

Wenn Politiker Rechtsbruch begehen, stehen sie also über dem Gesetz. Sie müssen nur gleichzeitig genug Lärm schlagen.
Nur keine Wellen machen. Da könnt' ja jeder kommen. Das haben wir ja immer schon so gemacht.


Die Druckertinte ist noch gar nicht getrocknet (bzw die letzten Tags auf der Hp noch nicht geschlossen), da trudeln schon die ersten Reaktionen ein.

VfGH- Präsident Holzinger, der sein Amt etwas medial aktiver ausübt als manche seiner Vorgänger, hätte schon gerne ein bissi eine Stellungnahme aus dem Justizministerium.

Die Parteien - wohl gelernte Österreicher - fordern alle mal eine rasche Aufklärung.

Messerscharf hat Kollege Cap das eigentlich Problem erkannt: Die Weitergabe der Akten! Hier gehören strengere Maßnahmen her!

Auch Ewald Stadler (achja, der hat es ja nicht bis Brüssel geschafft) hat die wirkliche Intention erkannt: Eine politische (!) Intrige gegen das BZÖ (!!!) ist das, man will hier einen Fall Dörfler konstruieren.
Ich traue mich wetten, wenn dann nächste Woche eine andere Fraktion dran kommt, wird er ganz andere Töne anschlagen.

Da allen Parteien die Tragweite doch nicht völlig entgangen zu sein scheint, und auch alle Parteien mit Ausnahme der masochistischen Grünen in den letzten ca 5 Jahren im Justizministerium vertreten waren (so eine Praxis entwickelt sich nicht über Nacht), wird also Abhilfe gesucht, dass sicher nix rauskommt. Mit Ausnahme der ÖVP fordern also alle einen Untersuchungssausschuss. Und damit wie gesagt auch nicht die Gefahr der Aufklärung besteht, erweitert man einfach den bisherigen. Der ist eh schon so groß, es weiß ja eh keiner mehr, worum es geht, und bis der mal ein Ergebnis bringt...
Die ÖVP findet das zu riskant und ist aus Geschäftsordnungsgründen dagegen, fordert aber natürlich, so wie alle, "völlige Aufklärung der Vorwürfe".

Das Aushängeschild der Republik, Martin Graf, stellt zu recht fest, dass es schon eher bedenklich ist, wenn mittlerweile Journalisten mehr Akten bekommen als Untersuchungsausschüsse.
Könnte natürlich damit zusammenhängen, wer besser arbeitet.

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Nun hat die oben erwähnte Story noch jede Menge weitere Reaktionen gezeitigt: Kommentare, Interviews, Dementi, Häme.

Vorrangiges Ziel ist jetzt mal die Jagd auf den Whistleblower. So ein Schurkenschuft, hat doch glatt das Amtsgeheimnis verletzt. Wenn ein Haider das gemacht hat, oder im Fall Arigona so mancher Politiker (zB Vorstrafen diverser Familienangehörig), von Elsner, Kampusch und Fritzl ganz zu schweigen, das ist ok, aber so ein kleiner Ministeriumswaschl, was glaub der wer er ist? Da könnt ja jeder kommen!

Hier mal ein kleiner Ausschnitt:

Lhptm Dörfler hat in mehreren Interviews angegeben, er sei keineswegs ein dummdreistdämlicher Armleuchter - danke für die Klarstellung.

Eine gute rechtliche Begründung, weswegen alles seine Rechtsrichtigkeit hat, hat er auch parat:
Die ursprüngliche Ortstafel(verordnung) sei falsch gewesen, an dem einen Ende stand Anfang Ort x, am anderen Ende Ort y. Die Verordnung, mit der sich der VfGH also beschäftigt haben soll, war sowieso ein Unfug. Die sogenannten Ortstafelverrückung sei also nur eine Richtigstellung der falschen Beschriftung gewesen und kein Amtsmissbrauch.

Justizministerin Bandion-O hat sich auch geäußert. Was der Falter zitiert sei ja überhaupt nur irgendeine alte Version, das ist ja überhaupt nicht aktuell. So findet man wenigsten den Schurkenschuft, der das verpetzt hat besser.
Ich meine, wenn ich in einem Anfall von geistiger Umnachtung in einem Bescheid schreibe "ceterum censeo dass dem Rechtsvertreter der Antragstellerin die Lizenz aufgrund von mangelnder Kompetenz und wissentlicher Beeinträchtigung der Interessen seines Mandaten entzogen gehört" muss auch nicht der Häupl zurücktreten.

Ganz kann auch Bandion-O ihre wahre Beamtinnennatur nicht verleugnen: Überhaupt ist ihre Vorgängerin schuld, die hat den Akt einfach liegen lassen.
In der Praxis aber, erzählt ein Insider, "fürchten sich die Minister davor, offizielle Weisungen zu erteilen". Brisante Entscheidungen würden publik und den Ressortchef nicht selten ins politische Kreuzfeuer bringen. Wer einen Staatsanwalt umstimmen möchte, heißt es, suche deshalb das zwanglose Zwiegespräch, um seinen Willen kundzutun. Politischer Druck wird selten konkretisiert. Lieber eine gezielte Andeutung, ein höfliches "Wollen Sie sich den Akt nicht lieber noch einmal genauer anschauen?", verbunden mit der rücksichtsvoll verpackten Drohung "Nicht, dass Sie Probleme bekommen" - wie es ein weiterer Informant am eigenen Leib erlebt hat.

"Plaudereien sind keine Weisung und deshalb ungültig", sagt Gerhard Litzka, ehemaliger Sprecher des Ministeriums: "Aber wenn Beamte kein ausreichendes Rückgrat haben, besteht die Gefahr, dass sie nachgeben." Weil sie um die Karriere fürchten. Oder einfach nach oben buckeln.
Und im Standard taucht auch das BZÖ wieder auf:
Saßen in den Neunzigern parteiunabhängige Minister an der Spitze der Justiz, so zogen im neuen Jahrtausend mit den blauen, orangen und roten Hausherr(inn)en auch politisch motivierte Kabinettsmitarbeiter ein. "Die Kabinette sind es, die im Sinne ihrer Parteifreunde oft den Druck ausüben", sagt ein Richter. Beispiel "Brandfall Tiroler Loden": Gegen den kurzzeitig in U-Haft genommenen Geschäftsführer der Firma, den späteren BZÖ-Tirol Mandatar Andreas Gebauer, wurde nie Anklage erhoben - auch auf Betreiben eines BZÖ-Kabinettsmitarbeiters, erzählt man dem Standard.
Owi l8 wrote: Seltsam. Und irgendwie kafkaesk. Da gibt es augenscheinlich eine eigene "Weisungssektion". Die Minister behaupten jedoch, in ihrer Amtszeit keine Weisungen erteilt zu haben. Womit waren die Beamten in dieser Sektion die ganze Zeit über beschäftigt? Haben sie Weisungen erteilt, ohne den Minister davon zu informieren? Haben sie lediglich Weisungen entworfen, die dann nie erteilt wurden? Wurden sie ausreichend von geeigneten Mediatoren betreut, um eventuelle Burnout-Syndrome hintanzuhalten?
User LCD bringt das wahre Problem auf den Punkt:
Wahlen alle 5 Jahre war keine gute Idee. Schade dass sich 2012 Niemand mehr an diesen Skandal erinnern wird.

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http://derstandard.at/1250003545305/Jus ... on-Ortners
"Ich habe ihn nicht liegengelassen", sagte Berger am Freitagabend in der "Zeit im Bild 2". Vielmehr habe sie bei der Staatsanwaltschaft Nachbesserungen angefordert: "Ich habe bessere Begründungen verlangt, und das dauert."
Bandion-O hingegen will ebenso eine Nachbesserung verlangt haben.

Und die Nachbeserung scheint zu sein, kein Schädigungsvorsatz. Ja klar, wer plakatiert, Kärnten wird einsprachig und dann Vfgh-Erkenntnisse zu Minderheitenrechten nicht umsetzt, handelt völlig offensichtlich ohne Schädidungsvorsatz. Da braucht's doch weder Erhebungen, Juristen, Weisungen noch Nachberichte, um das zu erkennen.

Jörg Haider wird zwar vermutlich selig gesprochen, Schutzpatron eins Autofahrerklubs wird er aber eher nicht. Aber wurde auch gegen ihn ermittelt?
Dem studierten Juristen Haider wurde von der Staatsanwaltschaft laut ZiB 2 zwar durchaus das nötige Fachwissen zugebilligt [großzügig, hat er wenigstens nicht umsonst studiert], um beurteilen zu können, ob sein Handeln rechtens sei. Allerdings habe sein früherer Professor, der Verfassungsrechtler Günther Winkler, gemeint, das Vorgehen sei gerade noch möglich. Bandion-Ortner hielt dazu ein weiteres Mal fest, dass die Zitate "aus dem Zusammenhang gerissen" seien. "Soweit ich weiß, ist das Verfahren gegen Jörg Haider eingestellt worden, weil er tödlich verunglückt ist."
Falls aber, "soweit B-O weiß", doch Variante 1 zutrifft, haben wir hier den ultimativen Entschuldigungsgrund:
Egal wie schlau ich bin (Haider war nicht nur Jurist und Lhptm, er war auch noch einige Zeit Assistent am Institut für öffentliches Recht), irgendwer der noch schlauer ist als ich, wird's schon geben. Den frage ich einfach, ob's nicht vielleicht doch ok ist, und schon bin ich straffrei. Juchu. Wer mir die falsche Auskunft gegeben hat, ist natürlich auch straffrei, weil der hat ja nix gemacht, außer einer Rechtsauskunft erteilt. Das wird ja noch erlaubt sein!

Ohja, ganz vergessen, noch eine wichtige Konsequenz zeitigt die ganze Geschichte:
Ein Expertenrat wird einberufen, der die Funktionsfähigkeit der Fachaufsicht (!!!) über die Sta evaluieren soll und für mehr Transparenz sorgen soll.
Und ruckzuck geht's auch noch, bis Ende des Jahres (welches Jahr ist unklar) soll es sogar schon ein (Vor)Ergebnis geben.

User Plabutsch übrigens stellt fest, was die Herren und Damen Politiker unter "Transparenz herstellen" in solchen Zusammenhängen immer meinen: Die undichte Stelle finden und bestrafen, keineswegs aber Missstände beseitigen.

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Bandion-Ortner kontert im Standard

http://derstandard.at/1250003582507/Kom ... tervention
Eine Stadtzeitung versucht Politik zu machen. Anhand von fragmentarischen und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten aus einem alten Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Klagenfurt sollte bewiesen werden, dass Verfahren gegen Politiker unsachlich eingestellt werden. Zitate werden dem Justizministerium als Entscheidungsbegründung unterschoben, die gar nicht von diesem stammen. Äußerst fragwürdig, wie ich meine. Sachlichkeit ist angebracht.
In meiner langen Zeit als Strafrichterin konnte ich kein willkürliches Handeln der Richter oder der Staatsanwälte, die Rückschlüsse auf ungerechtfertigte Differenzierungen zulassen, erkennen. Die ständig wiederkehrende Behauptung, der kleine Arbeiter müsse wissen, was strafbar sei, ein Politiker oder die angeblich Mächtigen nicht, ist nicht nur populistisch, sondern verkennt die rechtliche Komplexität des Falles.
Ergo dessen, ist die Behauptung dann nicht falsch?
Der Verfassungsrechtshof hat im Jahr 2001 ein Erkenntnis erlassen, wonach in Orten mit einem slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil von rund 10 Prozent (vorher 25 Prozent) zweisprachige Ortstafeln aufzustellen sind. Als Juristin und nun auch als Mitglied der Bundesregierung habe ich immer betont, dass Erkenntnisse des VfGH umzusetzen sind. Eine Nichtumsetzung bedeutet allerdings nicht automatisch eine gerichtliche Strafbarkeit. Um eine befriedigende Lösung herbeizuführen, braucht es in erster Linie eine Verordnung der Bundesregierung, nicht das Strafrecht!
Dörfler bedankt sich. So deutlich hat ihm - auch zu Haiders Zeiten - kein Mitglieder der Regierung zugesprochen, abgesehen vielleicht von denen aus seiner Partei.
Das Verfahren gegen Jörg Haider wurde aufgrund dessen Todes, jenes gegen den Landeshauptmann Gerhard Dörfler mangels Nachweisbarkeit eines Schädigungsvorsatzes eingestellt. Ein Fortführungsantrag zur gerichtlichen Überprüfung des Verfahrens gegen LH Dörfler wurde bereits eingebracht. Der Entscheidung des Gerichtes sollte keinesfalls vorgegriffen werden!
Festzuhalten ist aber jedenfalls: Strafbar wegen Amtsmissbrauch ist nur der Beamte, der seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften wissentlich missbraucht und dabei mit dem Vorsatz handelt, konkrete Rechte anderer - etwa Angehörige einer Minderheit - zu schädigen. Der VfGH hat mehrmals ausgesprochen, dass es kein subjektives Recht des Einzelnen/ einer Gruppe von Minderheitenangehörigen auf Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln gibt.
Sowohl die Staatsanwaltschaft Klagenfurt als auch die Oberstaatsanwaltschaft Graz und das BMJ gehen davon aus, dass auch LH Dörfler bei den ihm vorgeworfenen Taten durchaus wusste, dass er gegen die Handlungsanleitungen des VfGH verstieß. Wesentliche Voraussetzung für einen Amtsmissbrauch ist aber auch die zweite sehr wichtige Komponente, die in der öffentlichen Debatte ausgeklammert wird: ein Schädigungsvorsatz betreffend die Rechte der Minderheiten. Dieser war jetzigen LH Dörfler nicht nachzuweisen.
"Mangels Nachweisbarkeit eines Schädigungsvorsatz" und "keine schädigbaren Rechte", aber keinesfalls dem Gericht vorgreifen...
Auch wenn einzelne Formulierungen der Staatsanwaltschaft im früheren Vorhabensbericht nicht sehr glücklich gewählt wurden, die Justiz ist an die im Gesetz vorgegebenen Merkmale gebunden!
Jedenfalls darf es keine politische Entscheidung sein, ob jemand angeklagt wird oder nicht. Die verfassungsrechtlich vorgesehene Gewaltenteilung ist Garant für den Rechtsstaat. Ich bin aber gerne bereit, über all diese Fragen zu diskutieren.
Gleichheit vor dem Gesetz, Transparenz der Entscheidung und Aufklärung von Missständen haben für mich einen hohen Stellenwert. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und vorschnelle Vorwürfe sind aber untragbar.

harald
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Post by harald »

Kann bitte jemand den Mayer zum Schweigen bringen? Jetzt äußert sich der schon wieder, diesmal zu Strafrechtsfragen und mMn wieder einmal unqualifiziert. Kann mir bitte jemand erklären, warum er sich immer in andere Rechtsgebiete einmischen muss?
news.at wrote:Es sei zwar richtig, dass es kein subjektives Recht der Volksgruppen auf Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln gebe. "Das hat aber mit der Frage, ob jemand Amtsmissbrauch begeht, weil er sie rechtswidriger Weise nicht aufstellt, nichts zu tun", so Mayer.
Aha, damit hats nix zu tun. Wo der Schädungsvorsatz liegt, erklärt er aber mal geflissentlich nicht! :x
--Harald
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Post by dejost »

@Haralds Post:
Der Standard hat genauer nachgefragt, Spectabilis' begründet wie folgt:
Amtsmissbrauch setze nicht voraus, "dass irgendjemand in seinen subjektiven Rechten geschädigt wird. Sondern es genügt an sich objektive Rechtsverletzung." Zudem habe der Staat ein Recht darauf, dass seine Gesetze eingehalten werden, betont Mayer und nennt als Beispiele die Steuergesetze oder das Verwaltungsstrafrecht. Für eine gesetzliche Klarstellung sieht Mayer keine Notwendigkeit. Die Rechtslage sei ausreichend genau und durch Rechtsprechung und Lehre klargestellt. "Wenn man will, kann man auch die eindeutigste Rechtslage so interpretieren, dass nichts herauskommt."
Bandion-O verteidigt weiter die Einstellung lt Standard.
Die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft sei "vertretbar", meinte sie. "Nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz liegt kein Schädigungsvorsatz vor."
Es sei an dieser Stelle nochmals erwähnt, dass die Slowenenvertreter eh einen Antrag auf Fortführung gestellt haben, über welchen demnächst ein 3köpfiger Senat abstimmt.

Im Übrigen verweist Bandion-O auf die fehlende Topographieverordnung. Dafür sei Faymann zuständig, der will aber auch nix tun.
Da könnt ja jeder kommen, das haben wir ja noch nie so gemacht.
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Mayer übrigen meint, es brauche gar keine Verordnung, man müsse nur den Staatsvertag vollziehen. Eine VO würde auch nix ändern, und als ultima ratio müsse man halt, wenn nötig, auf das Strafrecht zurückgreifen.

Apropos Uni-Profs, Höpfel befürwortet eine Ministeranklage.
Der Bund hätte jedoch in der Ortstafel-Causa die Möglichkeit einer sogenannten Ministeranklage gegen Landeshauptmann Dörfler. Darauf verweist der Strafrechtler Frank Höpfel. Die Regierung könnte einen Anklage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) erheben, oder der Nationalrat könnte eine solche beschließen.
Darüber hinaus findet er, die Ministeranklage ist das bessere Mittel, weil es eben "politisch" ist.

Und noch jemand meldet sich zu Wort:
Für eine politische Lösung des Ortstafel-Konflikts plädierte auch der Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. Diese Frage über das Strafrecht klären zu wollen, hält er für nicht richtig. Das wäre eine Instrumentalisierung des Strafrechts in einer Angelegenheit, die dieses nicht lösen könne. Gefragt sei vielmehr die Politik bzw. der politische Wille zu einer Lösung.
Und sonst schimpfen sich halt alle gegenseitig. Wie üblich. Raus kommen wird eh nix. Nur haben wir es jetzt schwarz auf weiß.

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Woche 2, Fall 2:

http://www.falter.at/web/print/detail.p ... sub_id=460
Im Sommer 2005 kam ein wegen Krida verurteilter Bauunternehmer mit dem Grazer Chefinspektor Anton Kiesl ins Gespräch. „Die bei der Justiz“, klagte der etwas angeheiterte Unternehmer, „sind alles Schweine.“ Ein
Richter habe von ihm mehr als 300.000 Schilling kassiert und versprochen, bei der Wiederaufnahme des Verfahrens zu helfen. Doch nichts dergleichen sei geschehen. „Pass auf, was du sagst!“, warnte der Chefinspektor, „oder kannst du die Vorwürfe beweisen?“

Also bat der Unternehmer den Polizisten in sein Auto. Er rief den Richter an und schaltete das Telefon auf laut. Der Chefinspektor lauschte heimlich mit.
Was er hörte, hat der Polizist zweimal unter Wahrheitspflicht und in einer eidesstattlichen Erklärung zu Protokoll gegeben. In den Akten der Weisungsabteilung liegen die Dokumente auf. Der Chefinspektor: „Ich konnte das Gespräch mithören, wobei der Unternehmer den Richter auf diesen Geldbetrag (300.000 bis 400.000 Schilling, Anm. d. Red.) ansprach. (…) Zu meiner absoluten Überraschung hat der Richter den hohen Geldbetrag bestätigt.“ Er habe auch die Namen von zwei Richtern genannt, bei denen er intervenieren wolle.

Ein Richter, der Geld für Hilfsdienste nimmt? Solche Gerüchte kursierten schon länger in Graz. Auch andere Bürger beschwerten sich. Ein Journalist der Kleinen Zeitung schrieb darüber.
Für Details bitte den morgigen Falter kaufen.

Jedenfalls wurde dem armen Richter auch noch eine Pistole förmlich aufgedrängt, aber genauso wie das Geld nur aus Freundschaft, und weniger war es auch. Das Ergebnis können wir uns alle denken.
Es gab im Justizministerium schriftliche „Fachdiskussionen“ über diesen Fall. Die Sektion zwei schrieb an die Weisungssektion: „Es steht ein Verdacht im Raum, der zu den schwerwiegendsten Vorwürfen zählt, die man einem Richter gegenüber erheben kann und der das Ansehen der Justiz insgesamt in Mitleidenschaft ziehen kann.“ Sektionsleiter Wolfgang Bogensberger mahnte bei der „Vierer“ härtere Ermittlungen ein. Das war Ende September 2008. Im Winter 2009, so zeigt die Akte der Weisungsabteilung, wurde das Verfahren eingestellt – ohne nochmalige Einvernahme des Richters.
Es gilt, wie schon mehrmals gesagt, die Unschuldsvermutung.


Im Übrigen erfreut sich der Falter an den mannigfaltigen Reaktionen auf den letztwöchigen Artikel und vermutlich über die gestiegene Zirkulation.
http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=976
Es ist ein Chor prominenter Kritiker, der vergangene Woche aufjaulte, nachdem der Falter die vertraulichen Politakten der Weisungsabteilung des Justizministeriums in der Causa Ortstafel veröffentlicht hatte.
Die Argumentation der obersten Anklägerin ist erstaunlich. Im Vorhabensbericht zur Ortstafel-Causa liest es sich noch völlig anders. Wörtlich heißt es da: „Auch die zu prüfende Schädigung eines konkreten Rechtes eines anderen ist zu bejahen, kann ein solches konkretes Recht doch sowohl in einem subjektiven Parteienanspruch als auch in einer in der Rechtsordnung festgelegten rechtlichen Maßnahme bestehen, womit der Schaden auch Hoheitsrechte des Staates betreffen kann.“ Die slowenische Volksgruppe habe daher ein „konkretes Recht auf Anbringung zweisprachiger Ortstafeln“. Werden diese nicht aufgestellt, so sei „Artikel 7 des Staatsvertages von Wien und des Volksgruppengesetzes verletzt“. Und weiter: „Wird von einem Vorgesetzten die Weisung erteilt, eine verfassungswidrige Verordnung zu erlassen, so kann dies auch den Vorgesetzten nach § 302 StGB (Amtsmissbrauch) allenfalls als unmittelbaren Täter verantwortlich machen.“

Die Sache scheint – bis zur Seite 160 des Vorhabensberichts – also klar. Haider und Dörfler sind dran. Doch auf Seite 170 befindet sich der Notausgang.
Den Notausgang kennen wir ja jetzt schon.
Vielleicht sollte sich Bandion-Ortner ja einfach nur an ein Interview erinnern, dass sie als Strafrichterin dem News-Aufdecker Alfred Worm im Jahr 2001 gab. Damals, als Politiker die Ermittlungen in der FPÖ-Spitzelaffäre abwürgten und tausende Richter gegen politischen Druck protestierten, forderte sie: „Das Weisungsrecht gehört endlich abgeschafft.“

Und nachgelegt wird auch:
In den vergangenen Jahren haben SPÖ- und FPÖ-Politiker das Kärntner BZÖ mehrmals angezeigt, weil Steuergelder für Parteiwerbung verwendet worden sein sollen. Öffentliche Mittel dürfen für staatliche PR-Aktionen ja nur dann verwendet werden, wenn die sachliche Information des Landes – und nicht der Politiker oder ihrer Partei – im Vordergrund steht. Alles andere wäre Untreue.

Haider, so der Vorwurf, schere sich nicht um solch kleinliches Regelwerk. Einmal ermittelte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, weil er Landesmittel für Inserate des FC Austria Kärnten verwendet haben soll. Ein anderes Mal wurde ermittelt, weil Haider offene Briefe schaltete, in denen er mitteilte, dass „gewalttätige Asylwerber bei uns nichts verloren haben“. Haider hatte (rechtswidrig, wie der VfGH kürzlich urteilte) unschuldige Tschetschenen aus Kärnten nach Wien verschoben. Er wollte seine Aktion vor seinen Wählern auch in Inseraten rechtfertigen. Auf Kosten aller Kärntner.

Untreue von Staatsgeldern? Die Staatsanwaltschaft ging diesem Verdacht nach. Allerdings nicht sehr intensiv. Denn wieder fehlte der „subjektive Vorsatz“. Haider, so der Vorhabensbericht, habe sich nämlich als „berechtigt erachtet“, Steuermittel für seine Eigen-PR zu verwenden.
Petzner hatte da auch damit zu tun, aber da wurde wohl bei der Dörfler- Begründung copy-paste gemacht:
„Es ist davon auszugehen, dass Stefan Petzner bei Befolgung von Anordnungen des promovierten Juristen Dr. Jörg Haider dessen rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht infrage stellte und somit keinen Vorsatz auf Leistung eines deliktischen Beitrags zu dessen Untreuehandlungen gefasst hätte.“ Wieder kam der „Blindes-Vertrauen-Notstand“ (Süddeutsche Zeitung) zum Einsatz.
"Blindes-Vertrauen-Notstand" ist für mich klar ein weiterer Kandidat zum Wort des Jahres.

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Die dieswöchige Enthüllung hat nicht nur wesentlich weniger Reaktion mit sich gebracht, sie ist imho auch wenig spannend.
Nun gut, ein einzelner Richter hat es sich gerichtet. Schwarze Schafe gibt's ja in allen Branchen, der hat sich halt ganz rauswinden können.
Bzw ganz doch nicht, weil jetzt nach dem Artikel reicht's jetzt plötzlich doch für ein Disziplinarverfahren (da es um Schillinge ging, ist es wohl sonstig auch schon verjährt).

http://derstandard.at/1250690816094/Pet ... aetersuche
So unterschiedlich kann es laufen. In Deutschland hat ein "Whistleblower" , also jemand, der Missstände in seiner Firma, in seinem Amt aufdeckt, einen Orden des Verbraucherschutzministers bekommen. Der Mann hat 2007 den Gammelfleischskandal aufgedeckt. In den USA hat das Time Magazine drei Whistleblower als "Persons of the Year" geehrt.
"Ich hoffe sehr, dass der Täter ausgeforscht werden kann" , war eine erste Reaktion, als die Affäre um eine allzu enge Verquickung von Justiz und Politik hochgekocht war

Warten wir mal auf nächste Woche...

harald
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Post by harald »

Hä? Ist das nicht auch nach § 94 Abs 1 Z 2 BDG auch schon verjährt? Ich mein, sofern sie nicht neue Bestechungen oder sonst was finden? 3 (bzw 3 1/2) Jahre sind sicher schon um!
--Harald
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dejost
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Post by dejost »

Gibt's für Richter nicht ein eigenes Disziplinarrecht?
Im Übrigen war es ja nur eine Schlagzeile, was genau der Hintergrund ist, weiß ich auch nicht.

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Der Alchemist
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Post by Der Alchemist »

Kommentare zu Bandion-Ortner:

http://derstandard.at/fs/1250690990995/ ... er-Politik
Michael B wrote:JEDER, der in der österreichischen Justiz jemals weiterkommen will, weiß jetzt, welchen Standpunkt die Ministerin in gewissen Angelegenheiten vertreten haben will.
Das ist eine schon sehr indiskret-dumme Anleitung zum vorauseilenden Gehorsam, wie er bei uns ohnehin üblich ist.
Plabutsch wrote:Justiz und Politik
Sehr seltsam ist die Begründung von Fr. Bandion-Ortner für die Dörfler'sche Verfahrenseinstellung, dass die Justiz keine politischen Fragen lösen könne.
Sie scheint nicht zu verstehen, dass BEIDES politische Wirkung hat : eine Verfahrenseinstellung genauso wie eine Verfahrenseröffnung.
Wie man sieht: die Justiz kann sogar politische Probleme schaffen und verstärken. Wenn Politiker wissen, dass ihre Rechtsverletzungen von der Justiz toleriert werden.
Dass eine Justizministerin soviel freundliches Verständnis dafür zeigt, dass oberstgerichtliche Entscheidungen verhöhnt und ignoriert werden, wirft ein fragwürdiges Licht auf ihr Rechtsverständnis.
Gnothi seauton. Kai genoio, hoios essi.

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dejost
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Post by dejost »

Eine neue Woche, eine neue Weisung aus dem Sack.

Letzte Woche war es ja noch ein zwar unerfreulicher, aber doch ein Einzelfall. Diese Woche kann das niemand behaupten - wenn alles stimmt. E gilt ja die Unschuldsvermutung, mehr noch, es wurde ja nicht mal Anklage erhoben:

http://www.falter.at/web/print/detail.p ... sub_id=465
Auch Reinhard G. schilderte den Korruptionsermittlern des Büros für interne Angelegenheiten (BIA) einen ähnlichen Fall. Als er dem Polizisten Josef G. auf der Autobahn 35 Euro „Maut“ bezahlte, sagte dieser: „Heast, mir san oba scho zwa. Ihr wollts jo a foan!“

Ein anderer Unternehmer gab zu Protokoll, Beamten Luxusabendessen bezahlt zu haben. Ein Dritter behauptete, dass Beamte teure Elektrogeräten und Wellnessreisen entgegennahmen. Sogar von Bordellbesuchen ist in einem Verhör vage die Rede.

Die Unternehmer, die solche Sitten vor einigen Jahren enthüllten, sind sogenannte Schwertransportbegleiter. Wenn nächtens Schiffe, Panzer, Flugzeuge, Kraftwerksturbinen oder Brückenpfeiler über Autobahnen transportiert werden, fahren sie hinterher, um heranrollenden Verkehr vor den riesigen Sattelschleppern zu warnen.

Begleitet wurden sie bis vor kurzem von der Polizei. Die Exekutive riss sich um den mittlerweile privatisierten Job, er versprach ein hübsches Zubrot. Wer bezahlte, konnte mit Vorteilen rechnen, behaupteten die Unternehmer. „Wenn du mehr gezahlt hast“, sagt ein Transportbegleiter zum Falter, „dann wurde das Tempolimit von 30 auf 60 km/h erhöht.“ Eine leere Polizistenhand kostete hingegen Zeit. „Man musste etwa auf der Tangente auf sogenannte Zeitfenster in der Nacht warten, wenn man sie verpasst hat, stand man 24 Stunden“, erzählt ein Unternehmer.
696 Polizisten hielten bei rund 50 Schwertransporterfirmen immer wieder die Hand auf, behauptete das BIA in einer Strafanzeige. „Die Masse der Beamten nahm nur kleine Summen“, versicherte das Justizministerium und stellte den Fall als Bagatelle ein. Doch ein harter Kern verdiente bis zu 1000 Euro im Monat. Das vermerkt auch der Bericht der Weisungsabteilung im Justizministerium, der dem Fall eine völlig neue Dimension gibt. Was man bislang nicht erfuhr, sind die wahren Hintergründe in diesem scheinbar harmlosen „Kaffeekassa-Fall“. Vor allem das Schicksal jener Unternehmer, die bei der Korruption nicht mitspielten, ist erstaunlich. In den Akten der Weisungsabteilung ist alles festgehalten. Ein Kenner des Falles sagt heute: „Wenn die Justiz angeklagt hätte, wären wir im Korruptionsindex hinter Pakistan gerutscht. Das wollte man eben nicht.“

Die „Soko Maut“ deckte nämlich nicht nur ein gigantisches Trinkgeldsystem auf (rund 400.000 Euro sollen in zwei Jahren bezahlt worden sein), sondern sie stieß auch auf ein wahres Kesseltreiben der Polizei gegen jene Unternehmer, die der Polizei ihr Zubrot streitig machen wollten.

Da ist etwa der Transportunternehmer Alfred M. (Name geändert). Er brachte den Fall ins Rollen. Seine Geschichte ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich kleine Aufmerksamkeiten gegenüber der Polizei zu einem hässlichen Bestechungssystem auswachsen können.

M., so geht aus den Akten hervor, sprach im Jahr 2002 beim damaligen Innenminister Ernst Strasser vor, damit dieser das Transportbegleitgeschäft privatisiere. Strasser war angetan von der Idee. Seine Polizisten der Verkehrsabteilung Niederösterreich jedoch nicht. Sie fürchteten um die „Maut“. „Wir machen dich fertig!“, drohten sie dem Unternehmer M. So gab er es den BIA-Ermittlern zu Protokoll.

Strasser schickte seine Korruptionsermittler los. Die kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mal wurden Mitarbeiter M.s auf der Autobahn „erniedrigt“, wie es in einem Schriftstück heißt, dann wurde er unter einem Vorwand auf eine Polizeistation gelockt und wie ein Verbrecher verhört. „Sie werden die Scheiße auslöffeln“, drohte ihm ein Polizist.
Usw. Details wie immer im morgigen Falter.

Das Ergebnis überrascht wenig, wenn man schon die bisherigen Berichte gelesen hat:
Doch trotz Belegen und Geständnissen wurden alle Verfahren eingestellt. Sogar jene Polizisten, die das Kesseltreiben gegen M. entfachten, müssen nichts mehr befürchten. Im Vorhabensberichten ans Justizministerium hält die Staatsanwaltschaft fest, dass es „zwar durchaus sein kann, dass das Engagement der Polizei auf einem Rachegefühl gegenüber dem Transportunternehmer M. basiert habe“, doch die Beamten hätten korrekt gehandelt.
Doch trotz Belegen und Geständnissen wurden alle Verfahren eingestellt. Sogar jene Polizisten, die das Kesseltreiben gegen M. entfachten, müssen nichts mehr befürchten. Im Vorhabensberichten ans Justizministerium hält die Staatsanwaltschaft fest, dass es „zwar durchaus sein kann, dass das Engagement der Polizei auf einem Rachegefühl gegenüber dem Transportunternehmer M. basiert habe“, doch die Beamten hätten korrekt gehandelt.
Auch Ernst Strasser, der im Normalfall von mir nicht mehr als 3 Fanbriefe pro Woche bekommt, taucht in dieser Geschichte auf:
Ernst Strasser, der den Fall damals anzeigte, will sich heute nicht mehr zu der Sache äußern. In der Presse am Sonntag allerdings nahm er zu den letztwöchigen Enthüllungen des Falter Stellung: „Für den Fall, dass sich diese Vorwürfe auch nur im Ansatz bewahrheiten, muss man mit einem eisernen Besen durch die Justiz gehen.“
Diesmal kann ich ihm aus vollstem Herzen zustimmen.


Weil ja der Falter so mancher Kritik ausgesetzt war, insbesondere dem Vorwurf "selektiv zu zitieren" und eine Agenda zu verfolgen, hat er sich jetzt prominente Unterstützung geholt:
Karl Korinek, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Uniprofessor und allgemein eher nicht dem Verdacht ausgesetzt, ein linkslinker Radaubruder zu sein.

http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=981
Karl Korinek: Ich weiß nicht, ob und wie dieser Vorhabensbericht noch verändert wurde. Aber eines steht fest: Dieser Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ist in seiner Gesamtheit doch sehr, sehr verstörend. Es wird einerseits das objektive Vorliegen von Amtsmissbrauch bejaht, aber die subjektive Tatseite (also das Wissen darum, dass er strafbar handelt, Anm. d. Red.) des damaligen Landesrates Gerhard Dörfler wird mit abenteuerlichen Argumenten in Abrede gestellt.
[Falter:]Die Argumentation lautet: Haider war nicht zuständig ...

Korinek: ... und Dörfler, der zuständig wäre, war auf ihn fixiert und daher nicht schuldig. Diese Argumentation ist unglaublich gefährlich. Die Staatsanwaltschaft verletzt damit unsere Verfassungsprinzipien fundamental.
Korinek: Ich habe mich oft sehr geärgert, aber damit muss man leben. Uns Richtern hilft hier natürlich die Unabhängigkeit, die bei Staatsanwälten nicht gegeben ist. Ich bin ja einmal von diesem Herrn Petzner (Haiders damaliger Sprecher Stefan Petzner, Anm. d. Red.) persönlich angegriffen worden. Der Name Korinek, so reimte er, sei für ihn gleichbedeutend für juristischen Dreck. Die Staatsanwaltschaft fragte mich, ob ich die Ermächtigung erteile, das zu verfolgen. Ich hatte wichtigere Sorgen. Vielleicht war ich zu gutmütig. Vielleicht sollte man diesen Leuten Grenzen setzen.
Zugegeben, eine konkrete Antwort auf die Frage, ob der Falter das richtig wiedergibt findet sich auch in der "Gesamtausgabe" nicht. Wobei ich mal vermute, dass Korinek es wohl gesagt hätte, wenn der Falter unrichtig oder (zu) selektiv zitiert.

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http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=985

Diese Woche geht es um den Briefbombenbauer, der ja (angeblich) ein Einzeltäter war.

Der Falter bringt eine ganze Reihe von Hinweisen auf einen möglichen Mittäter, der zwar ein paar Jahre wegen Mord (!) gesessen hat und Nazi-einschlägig bekannt ist, sonst aber sogar im ORF auftreten durfte und von Schiejok gelobt wurde. Der Falter hat ihn auch interviewt.

Eine ganze Reihe von schier unglaublichen Zufällen wird berichtet, und sogar der Betroffene meint, Müllers Täterprofil trifft eher auf ihn als auf den verstorbenen Franz Fuchs zu.

Der Falter stellt es halt so dar, dass im Allgemeinen die Theorie des verschrobenen Einzeltäters gewünscht ist, während die Mittäterschaft eines unbehelligt in Österreich lebenden freigelassenen Mörders, der scheinbar zumindest über durchschnittliche Kontakte zur rechtsextremen Szene verfügt, nicht so gut in der Außenwirkung wäre.

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Heute wird über den Falter berichtet, aber nur Positives:

http://derstandard.at/1271377595800/Inv ... vom-Falter
Alfred-Worm-Preisträger 2010 ist Florian Klenk, stellvertretender Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung "Falter". Er wurde für den Artikel "Weisung aus dem Sack" ausgezeichnet.
Viele Wochen hat sich der Autor mit einzelnen Fällen beschäftigt, in denen es um Geheimnisverrat, Bestechung, Freunderlwirtschaft und Geldverschwendung ging. Er hat damit die Justiz nicht nur nachhaltig beschäftigt sondern auch für künftige Vorgänge sensibilisiert. Ohne umfassende Recherchen und den Aufbau eines Informationennetzwerkes ist eine derartig investigative journalistische Leistung nicht zu erbringen.

Und eine Lesetipp:

http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=24

Eine sehr differenzierte Reportage über den Drogenhandel im Votivpark.
Und diesem Bericht glaube ich wirklich, dass er die meisten Aspekte berücksichtigt.

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http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=1299
Ein Masterplan sei da kurz nach der schwarz-blauen Wende ausgeheckt worden. Das vertraute der Whistleblower Willi Berner, einst Kabinettschef im Infrastrukturministerium dem Staatsanwalt an. Bei Privatisierungen sollten Politiker im Umfeld der Haider-Parteien persönlich profitieren. Korruption im großen Stile? Ermittler haben herausgefunden, dass vor allem Banken, Baukonzerne, Glücksspielunternehmen und Telekommunikationsfirmen parteinahe „Lobbyisten“ im Umfeld Jörg Haiders und Karl-Heinz Grassers üppig entlohnten. In Summe wurden fast 25 Millionen Euro bezahlt. Das Geld wurde für schmale Gutachten und „Studien“ oder für Waffen-Lobbying überwiesen. Vor allem ehemalige Saubermänner der FPÖ und des BZÖ haben sich die Taschen vollgestopft. Ein grober Überblick:


6.000.000
Euro stellte der Kärntner Steuerberater Dieter Birnbacher den Kärntnern in Rechnung. Er verfasste aufgrund eines Geheimbeschlusses der Haider-Regierung ein schmales Gutachten zum Verkauf der Hypo an die Bayerische Landesbank. Birnbacher war zu jener Zeit der Steuerberater des Kärntner ÖVP-Obmannes Josef Martinz. Als die Gage ruchbar wurde, gewährte Birnbacher einen „50-Prozent-Patriotenrabatt“. Haider lobte den Deal. Ein anonymer Insider aus der Kärntner ÖVP berichtete, dass die Birnbacher-Millionen auch als Schwarzgeld für die Kärntner ÖVP verwendet werden sollten. Birnbacher wies die Vorwürfe zurück, das Geld liege auf einem Konto. Nun ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien.


10.000.000
Euro stellte die Scheinfirma Atropolis der Immofinanz in Rechnung. Das Geld kassierten Peter Hochegger, ein Freund und PR-Berater von Karl-Heinz Grasser sowie Walter Meischberger, der Trauzeuge Grassers. Die beiden bekamen das Geld laut ihrer Selbstanzeige für die Vermittlung im Rahmen des Verkaufs von 60.000 Bundeswohnungen an die Immofinanz. Auf Teile des Geldes, so die Justiz, durfte auch Ernst Plech zugreifen. Der Immobilienmakler war einst Aufsichtsrat der staatlichen Immo-Gesellschaften Buwog und Big und betreibt heute eine gemeinsame Firma mit Karl-Heinz Grasser.


200.000
Euro stellte die Astropolis der Firma Porr in Rechnung. Wieder kassierten Hochegger und Meischberger, ohne Steuern zu bezahlen. Offizielle Begründung: Beraterleistungen in Rumänien für die Porr. Die Kriminalpolizei vermutet, dass das Geld in Wahrheit Schmiergeld war. Das Geld soll für die Einmietung des Finanzministeriums in den Linzer Terminal-Tower geflossen sein. Karl-Heinz Grasser beriet Meischberger bezüglich dieser Rechnung vor der Polizeieinvernahme am Telefon. (siehe Interview Seite 17.)


600.000
Euro überwies eine Porr-Tochter an Walter Meischberger für die Vermittlung eines Immobiliendeals in München. Wie die Polizei vermutet, war auch diese Zahlung Schmiergeld für einen Deal mit der Finanz. Diesmal soll es für die Einmietung von Finanzbeamten in einem Porr-Gebäude in Simmering bezahlt worden sein.


450.000
Euro überwies die Glücksspielfirma Novomatic an Meischberger für „geleistete Beratungsleistungen“. Der Grüne Peter Pilz behauptet, dass rund um die Zahlungen im Nationalrat ein neues Glücksspielgesetz ausgearbeitet wurde, das die private Novomatic privilegieren sollte. Grasser habe für das neue Gesetz interveniert. Der Ex-Finanzminister bestreitet, ebenso wie die Novomatic.


300.000
Euro überwiesen die Casinos Austria an die „Orange“-Werbeagentur des BZÖ für die Erstellung einer zehnseitigen Studie. Wie Format berichtete, wollte der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser das Glücksspielmonopol im Rahmen einer Novelle des Glücksspielgesetzes abschaffen. Dass BZÖ verweigerte die Zustimmung.


700.000
Euro kassierte Walter Meischberger für die Vermittlung eines Gebäudes in der Nordbergstraße, in das die WU einzog an die Porr. Ursprünglich sollte die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) die Immobilie kaufen. Doch plötzlich war die Porr schneller. Meischberger sagte aus, dass BIG-Aufsichtsrat Plech einen Teil der Provision kassierte. Der Verdacht: BIG-Aufsichtsrat Plech hat Insiderwissen an die Porr verkauft und mitgeschnitten. Nach einem Telefonat mit Plech revidierte Meischberger diese Aussage und erklärte, er allein habe exzellente Kontakte gehabt. Plech weist alle Vorwürfe zurück


5.000.000
Euro „Investment“ und „eine entsprechende Begleitmusik, die nach oben hin unbegrenzt ist“ forderte der Kärntner FPK-Politiker und stellvertretende Landeshauptmann Uwe Scheuch von einem Agenten eines russischen Millionärs. Das Gespräch wurde auf Tonband aufgenommen, das News publizierte. Scheuch: „Die Staatsbürgerschaft is no na net part of the game“. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Der Russe zog ab und zahlte nicht.


6.500.000
Euro stellte die Werbeagentur von Gernot und Erika Rumpold der Firma EADS im Namen eines Waffenlobbyisten in Rechnung. Offizieller Grund: Lobbying für die Heeresflieger. Allein für eine Pressekonferenz kassierte Rumpold 90.000 Euro. Die Justiz vermutete Schmiergeld. Bewiesen wurde der Vorwurf nicht. Rumpold war der Werber Jörg Haiders.


192.000
Euro lukrierte das Parteiorgan der FPÖ im Jahr 2004 als „Druckkostenzuschuss“. Bezahlt hatte Walter Meischberger, das Geld kam von der Telekom. Offizieller Grund: Das Blatt sollte dafür wohlwollend über Telekomthemen berichten. Bloß lassen sich in den Archiven der NFZ weder Jubelberichte noch Inserate finden. Zu jener Zeit, so ein Whistleblower aus dem Finanzministerium, wurde ein Gesetz beschlossen, das der Telekom große Vorteile brachte.


607.476
Euro bezahlte die Republik an Grassers heutigen Kompagnon, den ehemalige BIG-Aufsichtsrat Ernst Plech, für die Vermittlung des „Justiztower“, einem von der Porr erbauten Hochhaus der Immofinanz. Das Handelsgericht musste aus einem renovierten Jugendstilbau in der Riemergasse in den Hochhauskomplex übersiedeln. Der damalige Justizminister Dieter Böhmdorfer lobte das Projekt. 40 Prozent der Summe kassierte Walter Meischberger.

Fazit: Die hier genannten 25 Millionen Euro stellen nur einen Teil der Honorare dar, die damals in die Taschen von FPÖ- und BZÖ-Günstlingen flossen. Die Justiz geht dem Treiben seit Jahren nach. Bislang hat sie keine einzige Anklage verfasst. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Ich mag den Falter ja grundsätzlich, er hat viel bewegt und wird das hoffentlich auch weiterhin tun.
Aber immer wieder stehen Sachen drinnen, wo ich nichts Nettes drüber sagen kann.

ZB hat der Falter herausgefunden, dass es im Telephonbuch jemand gibt, der Franz Papst heißt. Und in bester Volksschülermanier haben sie den angerufen und das dann abgedruckt. Ich fand sowas ja schon bei Ö3 unlustig, aber abgedruckt in einem Qualitätsmedium wird's noch schlimmer.
Wenigstens sagt der so telephonisch Belästigte sinngemäß, der Falter ist der einzige, der ihn deswegen nervt.

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Re: Seinesgleichen geschieht: Der Falter berichtet

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Kurz zum Einstieg Erinnerung an Monika Lindner:

Monika Linder war einige Zeit ORF-Chefin und galt als (sehr) ÖVP-nah. Als das Team Stronach 2013 bei der Nationalratswahl kandidiert hat, wurde sie als Überraschungskandidatin auf einem vorderen Listenplatz als "Speerspitze gegen das System Raiffeisen und Pröll" (oder so ähnlich) präsentiert, woraufhin sie - ohne irgendeinen nennenswerten Beitrag zum TS geleistet zu haben - ihre Kandidatur zurückgezogen hat.
Es war jedoch so, dass die Frist für die NR-Wahl schon vorbei war, dh TS konnte die Liste nicht mehr ändern und weil ja das TS in den Nationalrat gekommen ist, wurde auch sie mitgewählt. Zwar hatte sie beim Rückzug der Kandidatur angekündigt, auf das Mandat zu verzichten, hat dies aber dann doch nicht gemacht. (Es gab Berichte, dass sie sich erkundigt hat, ob ihre ORF-Pension gekürzt wird, wenn sie das NR-Mandat annimmt. Ob der Umstand, dass sie nicht gekürzt worden wäre auf ihre Entscheidung Einfluss hatte, weiß ich natürlich nicht.)
Das hat verständlicherweise großen Zorn der Wählerinnen und Wähler nach sich gezogen, und die Medien haben begonnen, alle möglichen und unmöglichen Ungereimtheiten in ihrem persönlichen und finanziellen Umfeld aufzudecken.
Deswegen ist das alles im Falter-Topic, weil der Falter mit seiner Recherche und seinen Artikeln Anteil daran hatte, dass Monika Lindern am Ende dann doch auf ihr Mandat verzichtet hat.

Dabei ist dem Falter allerdings ein Faux pas passiert, als er einem Familienmitglied Lindners vorgeworfen hat, unverschämt hohe Rechnungen für Leistungen zu stellen, dieses Familienmitglied aber nicht mit den Vorwürfen konfrontiert hat (alle anderen Familienmitglieder und Lindner wurden entsprechend gehört, und diesem Familienmitglied wurde nur das vorgeworfen.)
Und deswegen ist der Falter kürzlich wegen Verstoßens gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse vom Presserat gerügt worden.

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Re: Seinesgleichen geschieht: Der Falter berichtet

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Armin Thurnher, Mitbegründer, Herausgeber und Chefredakteur des Falters und laut gemeinsamer Aussage nicht verwandt mit der gleichnamigen ORF-Moderatorin, schreibt zum Dilemma der SPÖ sehr viele, sehr kluge Dinge. Ich würde jedem empfehlen, sich selbst den Falter zu holen und es selbst zu lesen, aber ein paar der herausreißbaren Highlights erlaube ich mir hier zu zitieren:
Sie [Anm: je nach Lesart können damit sowohl die SPÖ als auch die europäische Sozialdemokratie gemeint sein] leidet darunter, seit den Tagen von Thatcher und Reagan in der ideellen Defensive zu sein, und hat daraus vor allem die Lehre gezogen, auf Ideen zu verzichten.
Das führende Personal der SPÖ will sich, das meint man mit Händen zu greifen, durch seinen politischen Job nicht den Nachfolgejob in der Privatwirtschaft verbauen. Das passt aber nicht gut zusammen
Weiters lastet der Erfolg der Kreisky-Jahre auf der österreichische Sozialdemokratie. Kreisky verstand es, die 1968er Kulturrevolution auf wohlanständige Weise zu inkorporieren. [...] Nun belastet er als unwiederholbares Vorbild alle Nachfolger. Sie sehen nur mehr Kreiskys Pragmatismus, nicht seine Ideen.
Die Regierungen nach Kreisky und Sinowatz, vor allem jene kurze Viktor Klimas, versuchten nun das scheinbare Erfolgsmodell des Neoliberalismus zu inkorporieren[...] Die Strafe folgte auf dem Fuß in Gestalt der blauschwarzen Koalition.
Die dritte Stufe des Austropragmatismus besteht darin, den Medien-Boulevard zu inkorporieren. Der schon bei Kreisky angelegte, medial gestützte Populismus ist mittlerweile auf dem Höhepunkt angelangt.
[Diverse Themen dürfen] nicht zu offensiv angegangen werden, aus Angst, politische Gegner würden einen des Sozialismus bezichtigen.
Selbst öffentlich politisch zu argumentieren, hat die Partei in der Umarmung mit zwielichtigen Boulevardmedien verlernt.

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Re: Seinesgleichen geschieht: Der Falter berichtet

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Florian Klenk sagt zum demnächst stattfindenden Akademikerball, was gesagt werden muss.
Das sei sehr vielen ins Stammbuch geschrieben!
es gilt [in einer rechtsstaatlichen Demokratie] das Gewaltmonopol [des Staates] und nicht das Recht des Stärkeren. Das müssen Islamisten
lernen, die sich durch Cartoons beleidigt fühlen. Und das werden die Genossen vom Antifa-Pflasterstrand akzeptieren müssen: Wer sich auf die Freiheit beruft, der muss
das Ärgernis der praktizierten Freiheit des Anderen ertragen. Das ist die Maxime, ohne deren Einhaltung Grundrechte wertlos werden. Was für Verfassungspatrioten in der Karikaturendebatte selbstverständlich ist, das muss auch für Veranstaltungen von rechten Recken gelten: „Beleidigte“ oder „betroffene“ Bürger können den Staat zu Hilfe rufen, aber sie können nicht zum Pflasterstein greifen und damit den Polizisten bewerfen. Die Gewalt als „Entglasung“ von Geschäften zu verharmlosen, wie dies letztes Jahr die Grünen und ein paar Selbstgerechte taten, ist ein Bekenntnis wider den Rechtsstaat.
Rechte Burschenschafter dürfen sich nämlich versammeln, tanzen und Reden halten. Sie dürfen Säle mieten und sich „vernetzen“ und einander bei archaischen
Mensuren das Gesicht zersäbeln. Sie dürfen sich dabei lächerliche Jacken und Mützen aufsetzen, um die Rituale zu inszenieren. Das ist keine falsch verstandene Toleranz,
sondern Ausfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention, die bei uns im Verfassungsrang steht, aber offenbar selbst von den fortschrittlichen Geistern nicht wirklich akzeptiert wird. Wie wäre es denn sonst zu erklären, dass die Österreichische Hochschülerschaft – immerhin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – allen Ernstes ein Verbot der Burschenschaftertracht an der Uni fordert?
Nicht die Burschenschafter müssen begründen, wieso sie tanzen wollen, sondern der Staat muss argumentieren, warum er den Tanz verbieten will.

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