http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=971
Ein Informant (Neu-Denglisch: Whistleblower) hat dem Falter einen Sack mit Dokumenten gegeben, mit der sinngemäßen Bitte sie zu veröffentlichen. Ursprungsort der Akten: Das Justizministerium, als Oberbehörde der Staatsanwaltschaft.
In Österreich herrsche eine untertänige Kaste von Ministerialbeamten, die politisch sensible Causen immer wieder abwürge und politisch Mächtige nicht mehr anfasse. Er habe lange nachgedacht, ob er die Papiere herausgeben soll, so der Informant, „Aber mein Gewissen verpflichtet mich dazu. Machen Sie das öffentlich.“
Der Falter, selbst kein Feind der eigenen Auflage, veröffentlich nicht alles in einer tausendseitigen Ausgabe, sondern immer Stück für Stück.
Die Geschichten, die in den Papiersäcken stecken, würden eine Ausgabe dieser Zeitung sprengen. Es geht um den Verdacht auf Geheimnisverrat, Bestechung, Amtsmissbrauch, Freunderlwirtschaft, Wiederbetätigung und staatlich zu verantwortende Geldverschwendung – und den merkwürdigen Umgang der Justiz damit.
In den nächsten Wochen wird der Falter einige der Fälle ausführlich darstellen. Sie betreffen Verfahren gegen Politiker, Manager, Landtagsabgeordnete, Amtsärzte, Richter, Polizisten und Staatsanwälte. Es sind prominente Namen darunter: Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider etwa, Stefan Petzner und Gerhard Dörfler. Es geht um den mutmaßlichen Datenverrat im Fall Arigona Zogaj durch das Kabinett von Ex-ÖVP-Innenminister Günther Platter, aber auch um Polizisten, die sich mit „Trinkgeldern“ das Gehalt aufbesserten und dabei Bürger schamlos schikanierten. 57 Aktenordner hat das Justizministerium alleine in diesem Fall vom BIA erhalten, sechs Jahre hatte diese Antikorruptionstruppe intensiv ermittelt – und dennoch wurde keine Anklage erhoben. Es geht auch um die Verschwendung von Steuergeldern für Parteiwerbung und um mutmaßlichen Geheimnisverrat durch Beamte des Finanzministeriums in der Amtszeit von Karl-Heinz Grasser. Beängstigend ist auch der medial unbekannte Fall eines Strafrichters, der sich auf Reisen einladen ließ und Geldgeschenke von Beschuldigten angenommen haben soll. Er steht im Verdacht, zehntausende Euro kassiert zu haben. Sogar ein Kriminalbeamter gab an, Zeuge geworden zu sein, als über die Zahlung von Bestechungsgeldern gesprochen wurde.
Und dann ist da noch der vom Falter im Jahr 2007 enthüllte Fall des Bawag-Staatsanwaltes Roland Schön, der im Hinterzimmer jener Anwälte arbeitete, deren Mandanten er am Vormittag anklagte. Kein Richter wird seinen Fall prüfen. Das machen die Kollegen der Staatsanwaltschaft Graz, die kein kriminelles Verhalten erkennen können.
Alle diese Verfahren haben eines gemeinsam: Sie wurden ohne öffentliche Verhandlung und ohne unabhängigen Richter eingestellt.
In den Akten der Weisungsabteilung wird erstmals ersichtlich, wie das Justizministerium in sogenannten clamorosen Fällen agiert. Clamor ist lateinisch und bedeutet Lärm. Wenn Fälle medialen Krach schlagen, dann will das Justizministerium die Aufsicht haben – und das hemmt offenbar die Staatsanwälte. Immer wieder klagten Polizisten, Staatsanwälte, aber auch Ministerialbeamte, dass in großen Verfahren gezaudert und verschleppt werde. Prominente Beschuldigte erhalten Sonderbehandlungen, von denen kleine Strolche nur träumen können.
Immer wieder waren diese Usancen der Weisungsabteilung auch Thema schriftlicher Auseinandersetzungen. Anders als bei Normalbürgern, so lautete die Kritik, würden viele der Promis nicht bei der Polizei zu Verhören erscheinen müssen, selbst bei schwersten Vorwürfen. Statt harter Einvernahmen genüge oft eine anwaltliche Stellungnahme.
In den Akten der Weisungsabteilung wird erstmals ersichtlich, wie das Justizministerium in sogenannten clamorosen Fällen agiert. Clamor ist lateinisch und bedeutet Lärm. Wenn Fälle medialen Krach schlagen, dann will das Justizministerium die Aufsicht haben – und das hemmt offenbar die Staatsanwälte. Immer wieder klagten Polizisten, Staatsanwälte, aber auch Ministerialbeamte, dass in großen Verfahren gezaudert und verschleppt werde. Prominente Beschuldigte erhalten Sonderbehandlungen, von denen kleine Strolche nur träumen können.
Immer wieder waren diese Usancen der Weisungsabteilung auch Thema schriftlicher Auseinandersetzungen. Anders als bei Normalbürgern, so lautete die Kritik, würden viele der Promis nicht bei der Polizei zu Verhören erscheinen müssen, selbst bei schwersten Vorwürfen. Statt harter Einvernahmen genüge oft eine anwaltliche Stellungnahme.
Der Falter stellt es ausdrücklich klar, und auch von mir an dieser Stelle nochmal:
Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
(Mehr noch, sie sind ja nicht mal angeklagt worden.)
Fall 1 ist die Ortstafelcausa.
Wenn man bedenkt, dass der Falter die Fälle kaum antiklimaktisch veröffentlichen wird, können wir uns ja noch auf einiges gefasst machen.
Seit dem Jahr 2005 wurde gegen Jörg Haider, seinen damaligen Stellvertreter und nunmehrigen Nachfolger Gerhard Dörfler, den Landesbeamten Albert K. sowie zwei Beamte der BH Völkermarkt wegen Amtsmissbrauchs ermittelt.
Was taten Dörfler & Co? Sie erließen verfassungswidrige Verordnungen und versetzten höchstpersönlich Ortsschilder, um die Slowenen zu verhöhnen. Verfassungsrichter bezeichnete Dörfler als „Kasperln“. Auf dutzenden Seiten führt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zunächst aus, inwiefern die Kärntner Politiker „objektiv rechtswidrig“ handeln. Alle Verwaltungsbehörden, so schreibt der zuständige Staatsanwalt, seien nämlich „verpflichtet (…) unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen“. Der Staat und die slowenische Volksgruppe hätten ein „konkretes Recht auf Einhaltung aller Gesetze“. Werde einem „Vorgesetzten die Weisung erteilt, eine verfassungswidrige Verordnung zu erlassen“, so liege „zweifellos“ Amtsmissbrauch vor. Anklage? Keineswegs. Das Justizministerium fand den Ausweg: die „subjektive Tatseite“ der BZÖ-Machthaber. Ein Amtsmissbrauch, so wissen Strafrechtler, muss nämlich nicht nur objektiv gesetzt werden, der Täter muss auch wissen, dass er kriminell handelt. Genau das, so die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, habe die Law-and-Order-Truppe vom Wörthersee aber nicht gewusst.
Die Begründung dafür: Landeshauptmann Gerhard Dörfler, so der Vorhabensbericht, „verfügt über keine juristische Ausbildung, war vormals in einer Bank beschäftigt und kam als Quereinsteiger in die Politik. Aus seinem politischen Verhalten ist abzuleiten, dass er seinem Mentor Dr. Haider treu ergeben ist und dessen Ideen bedingungslos umsetzt. (…)“ Er habe die Meinungen Haiders nur „unreflektiert als richtig zur Kenntnis genommen“.
Dörfler habe zwar den Verfassungsgerichtshof „brüskieren“ wollen und rechtstreue Beamte mit „Penetranz“ schikaniert, er habe in dem Fall sogar ein hohes „Maß an Unaufmerksamkeit und mangelndes Verständnis“ walten lassen. Doch „fraglich bleibt, ob Dörfler die strafrechtliche Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen vermochte“. Im Zweifel werde die für eine Anklage erforderliche „Verurteilungsnähe“ daher nicht erreicht werden.
Glück hat auch die Beamtin Christine H. Sie fügte sich Schikanen Dörflers – unter anderem auch deshalb, weil sie (letztlich zu Recht) hoffte, zur Bezirkshauptfrau in Völkermarkt befördert zu werden. Auch sie habe zwar rechtswidrig gehandelt, so die Staatsanwaltschaft, stand aber „unter einem gewissen Zwang, Entscheidungsträger über ihre Bewerbung nicht von vornherein vor den Kopf zu stoßen“. Daher könne der Bezirkshauptfrau ein „wissentlich befugnismissbräuchliches Verhalten nicht unterstellt werden“. Wer das Recht missachtet, um Karriere zu machen, bleibt vor Strafe verschont.
Auch Albert K. vom Amt der Landesregierung kann aufatmen. Er habe bei den Ortstafelschikanen zwar eine „Schlüsselstellung“ bezogen und besitze jene „Fachkompetenz und Detailkenntnis, auf die politisch Verantwortliche vertrauen“.
Laut Staatsanwaltschaft ergibt sich bei ihm sogar das „Bild eines selten ausgeprägten juristischen Erfindungsgeistes, um ersichtlich zu von politischer Seite gewünschten Ergebnissen zu gelangen“.
Doch von einer Anklage sei abzuraten: „Auch bei Dr. K. wird zu beachten sein, dass er sich trotz seiner juristischen Bildung (…) mit dem Verfassungsjuristen Jörg Haider beriet. (…) Im Hinblick auf die durchaus charismatische Ausstrahlung Dr. Haiders und dessen Beziehungen zu Fachexperten auf dem Gebiete des Verfassungsrechts ist nicht auszuschließen, dass K. im vermeintlich noch rechtlichen Rahmen mitwirkte.“ Auf Haiders Rechtsmeinung zu vertrauen ist offenbar ein Rechtfertigungsgrund.
Das Justizministerium macht gar keinen Hehl daraus, warum es all diese Verfahren abwürgen und ein Gerichtsverfahren verhindern will. Die Begründung schreibt Rechtsgeschichte:
„Unter Berücksichtigung eines sonst zu erwartenden emotionalen Verhandlungsverlaufs mit dem entsprechenden Einfluss insbesondere auf Laienrichter (…) kann nach hieramtlicher Ansicht die geforderte Verurteilungsnähe nicht angenommen werden.“ In politischen Konflikten erweise sich nämlich „das Instrument des Strafrechts in keinem Fall als geeignetes Mittel der Problemlösung“, da „jede Art der justiziellen Entscheidung sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung stoßen wird“.
Wenn Politiker Rechtsbruch begehen, stehen sie also über dem Gesetz. Sie müssen nur gleichzeitig genug Lärm schlagen.
Nur keine Wellen machen. Da könnt' ja jeder kommen. Das haben wir ja immer schon so gemacht.
Die Druckertinte ist noch gar nicht getrocknet (bzw die letzten Tags auf der Hp noch nicht geschlossen), da trudeln schon die ersten Reaktionen ein.
VfGH- Präsident Holzinger, der sein Amt etwas medial aktiver ausübt als manche seiner Vorgänger, hätte schon gerne ein bissi eine Stellungnahme aus dem Justizministerium.
Die Parteien - wohl gelernte Österreicher - fordern alle mal eine rasche Aufklärung.
Messerscharf hat Kollege Cap das eigentlich Problem erkannt: Die Weitergabe der Akten! Hier gehören strengere Maßnahmen her!
Auch Ewald Stadler (achja, der hat es ja nicht bis Brüssel geschafft) hat die wirkliche Intention erkannt: Eine politische (!) Intrige gegen das BZÖ (!!!) ist das, man will hier einen Fall Dörfler konstruieren.
Ich traue mich wetten, wenn dann nächste Woche eine andere Fraktion dran kommt, wird er ganz andere Töne anschlagen.
Da allen Parteien die Tragweite doch nicht völlig entgangen zu sein scheint, und auch alle Parteien mit Ausnahme der masochistischen Grünen in den letzten ca 5 Jahren im Justizministerium vertreten waren (so eine Praxis entwickelt sich nicht über Nacht), wird also Abhilfe gesucht, dass sicher nix rauskommt. Mit Ausnahme der ÖVP fordern also alle einen Untersuchungssausschuss. Und damit wie gesagt auch nicht die Gefahr der Aufklärung besteht, erweitert man einfach den bisherigen. Der ist eh schon so groß, es weiß ja eh keiner mehr, worum es geht, und bis der mal ein Ergebnis bringt...
Die ÖVP findet das zu riskant und ist aus Geschäftsordnungsgründen dagegen, fordert aber natürlich, so wie alle, "völlige Aufklärung der Vorwürfe".
Das Aushängeschild der Republik, Martin Graf, stellt zu recht fest, dass es schon eher bedenklich ist, wenn mittlerweile Journalisten mehr Akten bekommen als Untersuchungsausschüsse.
Könnte natürlich damit zusammenhängen, wer besser arbeitet.