Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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dejost
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Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

Hier also ein Thread, der sich mit allen EU-spezifischen Themen beschäftigt.
Die EU-Kommission plant, künftig keine festen Verpackungsgrößen mehr vorzuschreiben. Schokolade könnte es dann auch als 95-Gramm-Tafel geben und Orangensaft in der 230-ml-Flasche, meldet "Der Tagesspiegel" in seiner Online-Ausgabe.

Verbraucherschützer fürchten durch den Wegfall verbindlicher Verpackungsgrößen versteckte Preiserhöhungen und noch mehr Mogelpackungen. 2008 könnte die Freigabe erfolgen.

Weniger Inhalt
Wenn die Packungen kleiner werden, aber der Preis bleibt gleich, fällt das den Konsumenten zuerst nicht auf, befürchtet der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Wer merkt schon den Unterschied, wenn zum Beispiel die gewohnte Eissorte in einem 900-Milliliter-Behälter statt in der bisherigen 1000-Milliliter-Verpackung zum gleichen Preis angeboten wird.

Verärgerte Kunden
Seit einiger Zeit sammeln die Hamburger Verbraucherschützer Fälle, die von verärgerten Kunden gemeldet werden.

Der US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble zum Beispiel füllt die Shampooflaschen von Herbal Essences statt wie bisher mit 250 Millilitern jetzt nur noch mit 200 Millilitern - der Preis ist gleich geblieben.

Der Filtertütenhersteller Melitta, steckt statt 100 jetzt nur noch 80 Filtertüten in die Schachtel.

Schlemmerfilets, Müslis, Kaffee – 53 Produkte finden sich bereits auf der aktuellen Beschwerdeliste.

Völlige Freigabe
Für viele Produktgruppen – darunter Bier, Limonade, Fischstäbchen, Eis, Sonnenschutzmittel, Seife oder Mehl – gelten heute noch verbindliche Verpackungsgrößen, und zwar meist mehrere. Doch der Wirtschaft reiche das nicht, sie wolle die völlige Freigabe und habe gute Chancen, sich durchzusetzen, kritisiert der deutsche Bundesverband der Verbraucherschützer.

In Brüssel sind sich EU-Kommission und -Rat weitgehend einig, die Füllmengen für Fertigverpackungen sollen freigegeben werden, lediglich für Wein und Spirituosen sollen sie weiterhin verbindlich festgelegt werden.

Grundnahrungsmittel ausgenommen?
Das Europaparlament hat gefordert, dass wenigstens bei Grundnahrungsmitteln wie Salz, Reis, Milch, Butter, Teigwaren und Kaffee die festen Verpackungsgrößen beibehalten werden sollen.
Einerseits hat ja im Kapitalismus der Konsument das Sagen.
Andrerseits muss er dafür kritisch sein, und beim Einkaufen auch die Zeit haben, wirklich jedes (neue) Produkt genau unter die Lupe zu nehmen.
Das erstere ist nicht immer der Fall, das zweitere kann man nicht immer verlangen.

Da überrascht es jetzt doch etwas, dass die Union, die schon versucht, einen mit der Brechstange vor den Gefahren des Rauchen zu schützen, hier plötzlich den Konsumentenschutz kleiner schreibt.

edit: In weiterer Folge wurde das auch umgesetzt, siehe hier.
Last edited by dejost on 15 Apr 2009, 09:22, edited 1 time in total.

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Der Alchemist
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Imperium Europaeum, wohin gehst Du?

Post by Der Alchemist »

Abgeordneter deckt perfide Weltherrschaftsverschwörung auf!!!

ORF.at:
Der polnische Europaabgeordnete Maciej Giertych hat Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Adolf Hitler verglichen.

Die deutsche Regierungschefin reihe sich in eine Folge deutscher Herrscher ein, die Europa beherrschen wollten, sagte der Politiker der Rechtsaußenpartei Liga der polnischen Familien (LPR) der Zeitung "Zycie Warszawy" (Mittwoch-Ausgabe). Diese Reihe reiche bis zu den ottonischen Kaisern im zehnten und elften Jahrhundert zurück, und auch Hitler gehöre dazu, so Giertych.

"Sie ist raffiniert"
"Hitler wollte auch eine Supermacht schaffen. Angela Merkel handelt ähnlich, aber sie ist raffinierter", führte Giertych aus. Giertych war in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen aufgefallen.
Wenn er eh Antisemit ist, warum stört ihn dann das Vierte Reich? :twisted: :twisted: :twisted:
Last edited by Der Alchemist on 17 Oct 2007, 14:10, edited 1 time in total.
Gnothi seauton. Kai genoio, hoios essi.

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Post by Der Alchemist »

Ein Inselstaat und seine Nächstenliebe ...

Xenophobie und brennende Autos im zu 98% katholischen Malta


Gestern im Ö1-Journal-Panorama war ein Bericht über Bootsflüchtlinge und deren "Aufnahme" in der Republik Malta. Dort gibt es (vom Militär betriebene) Internierungslager, gegen die wirken sogar die österreichischen Asyllager ziemlich menschenfreundlich.
Rechte Gruppen zünden gelegentlich die Autos von Organisationen und Personen an, die sich für die Asylwerber einsetzen.
In öffentlichen Verkehrsmitteln bleiben Sitzplätze neben Farbigen oft auch dann leer, wenn der Bus eigentlich schon überfüllt ist.
Im Übrigen meinen 90% der Malteser, sie würden nicht neben einem Moslem wohnen wollen ...

Hintergrund: Diese nordafrikanischen Bootsflüchtlinge wollen eigentlich nach Italien und kommen nur durch technische oder Kursprobleme nach Malta.

Die anderen europäischen Regierungen zeigen sich zwar entsetzt über die maltesischen Lagerzustände, doch das Grundproblem ist, dass nach jetzigem EU-Recht nur einmal, also in einem einzigen Mitgliedsland, ein Asylantrag gestellt werden kann. Malta hofft auf eine Änderung dahingehend, dass die Asylwerber auf alle Mitgliedsstaaten aufgeteilt werden können.

Prosit auf die "Europäischen Werte".
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Post by Der Alchemist »

(Noch) Ist Polen (nicht) verloren?

Habe in den Nachrichten gehört, dass jetzt nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern auch Polen die EU-Grundrechtecharta partout verweigern will.

Bitte was haben die Gebrüder Kaczyński noch alles vor, dass sie sich vor Grundrechten fürchten? :? :roll: Da beginne ICH mich zu fürchten.

Schade, dass die polenstämmigen Teile der Leserschaft dort (NOCH) nicht an der Macht sind. :twisted:

Und die britische EU-Politik ist mir sowieso ein Rätsel ...

Im Übrigen hat die beiden obgenannten Staaten niemand gezwungen, der EU beizutreten. Wäre schön, wenn die betreffenden Länder mal wüssten was sie wollen. Ich meine, ein Austritt wäre zwar seltsam, aber nicht unehrenhaft. :wink:

Greets, Bernhard
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Polen: Jenseits von Europa

Es ist beschämend, dass die europäische Gemeinschaft zum Thema Todesstrafe fünfzig Jahre nach ihrer Gründung nicht mehr geschlossen dasteht - von Adelheid Wölfl

Das Argument der polnischen Regierung, die Ächtung der Todesstrafe müsse mit einem weiter gefassten Schutz des Lebens einhergehen, ist zutiefst verlogen. Nicht nur weil bekannt ist, dass die Kaczynski-Zwillinge zu den Befürwortern der Todesstrafe zählen, sondern auch weil die Verknüpfung mit der Abtreibung nur einen Trick darstellt, mit dem die rechtsnationale Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Hoheit über gesellschaftspolitische Debatten in Europa erringen will.

Ihr Ziel ist es offensichtlich, die anderen EU-Staaten dazu zu bringen, ihre Haltung zur Abtreibung und Sterbehilfe zu ändern. Im polnischen Wahlkampf propagieren die PiS wie auch die Partei Selbstverteidigung (Samoobrona) die Todesstrafe gegen Sexualmörder zwar aus populistischen Gründen - was grauslich genug ist -, sie offenbaren mit dieser Haltung aber noch viel Schlimmeres: Dass sie nämlich die Errungenschaften der europäischen Aufklärung und die Lektion aus Weltkriegen und Diktaturen nicht verstanden haben. Ein Grundstein, auf dem das moderne Europa aufgebaut wurde, ist nämlich, dass die Todesstrafe nicht mit den Menschenrechten vereinbar ist.

Es ist beschämend, dass die europäische Gemeinschaft in dieser Frage fünfzig Jahre nach ihrer Gründung nicht mehr geschlossen dasteht. In der EU konnte Polen durch sein Veto bisher sogar verhindern, dass der 10. Oktober zum Tag gegen die Todesstrafe erklärt wird. Nicht aber im Europarat, wo die Mehrheit entscheidet. Aber selbst das will Polen bekämpfen. Außenministerin Anna Fotyga drohte allen Staaten, die für diese Beschlüsse gestimmt haben, mit politischen und rechtlichen Konsequenzen. Absurd ist, dass sich die rechte Elite in Warschau den anderen Europäern in der Frage moralisch überlegen fühlt. Gefährlich aber ist, dass sie das gemeinsame Europa nicht verstanden haben und glauben, erst durch ein nationalistisches Veto ein vollwertiger Partner zu sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2007)
:roll:

Na dann:
HOFFENTLICH GEWINNT TUSK!

Liebe Grüße, Bernhard
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Post by Der Alchemist »

Wird Europa immer nationalistischer? Falls ja, warum?
Ich glaube "ja".

In den osteuropäischen Staaten sind's die unaufgearbeiteten Nachwirkungen des Zwanzigsten Jahrhunderts (Nationalitätenkonflikte, Vertreibungen, Faschismus, Arbeiterparadies).

In Westeuropa ist's einerseits die leidige "Ausländerfrage". Andererseits scheint in vielen Ländern die SelbstverHERRlichung vergangener Zeiten (zB der Imperialismus in Großbritannien) nie aufgehört zu haben. Und die fehlenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Perspektiven (bei der Oberschicht, das sind in diesem Zusammenhang auch wir, "Generation Praktikum", bei der Unterschicht "Jugendarbeitslosigkeit") bringen "strammen" Gruppen bekanntlich Zulauf. Siehe zB die (ost?-)deutschen Jugendlichen bei der NPD.

Dann gibt's da noch den Türkischen Nationalismus, der ist irgendwie ein eigenes Problem ...
Und wohin wird das führen?
Ich glaube, das wollen wir lieber gar nicht wissen ...

Rein pragmatisch gesehen können einschlägige Krisen manchmal auch heilende Wirkung entfalten. Oder sie geraten außer Kontrolle. In anderen Worten: Von Nöten sind Wachsamkeit und Bereitschaft für Europapolitisches Engagement.

Salvete, B.
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dejost
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Post by dejost »

ich tu jetzt diesen thread in bisschen in die richtung "wir diskutieren den nationalismus" umfunktioneren.

zunächst:
ist "für ein europa der nationen" nicht ein widerspruch in sich?
machen dass die recht(sextrem)en absichtlich, damit sie auch dialektiker ansprechen?

die npd will lt parteiprogramm (las ich in einem anderen forum von einem glühenden npdler) felix austria (wieder mal) heim ins reich holen, will aber andrerseits arbeitslose ausländer abschieben. was würden die also mit einem arbeitslosen österreicher machen (der natürlich seit x generationen nachweislich ein echter österreicher ist)?

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Post by Der Alchemist »

Ist "ein Europa der Nationen" nicht ein Widerspruch in sich?
Eigentlich nicht. Es ist das von vielen Leuten Angestrebte. Das Problem ist halt, dass die meisten Menschen der Jetztzeit auf "stolze Heimat" und "(kulturell überlegenes?) Vaterland" konditioniert sind. Davor gabs Schollengebundenheit und (noch viel mehr als heute) Schichtverbundenheit. Undsoweiter. Im Übrigen gab und gibt es anscheinend zu allen Zeiten (?) Clan- und Stammesverbundenheit. Und in heutiger Zeit Fußball-etc-Fandom. (Ich hoffe, dass die 2008er-EM halbwegs friedlich ablaufen wird.)

Immer ist's irgendeine Art SCHEINBARER Verbundenheit. Für die Menschen ist das halt auch eine Art (wiederum scheinbarer?) Schutz.

Ich selbst halte aber vom Nationenkonzept nichts. "One World! One Mankind!"
Sehen aber glaub' ich die Wenigsten so.

Übrigens hat mir noch nie jemand erklären können, wie man "Nation" eigentlich definiert. Oder wir Kosmopoliten sind einfach nur zu blöd um's zu verstehen ... :D :D :D
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Post by Der Alchemist »

Der Alchemist erlaubt sich Herrn Donald Franciszek Tusk und dem Polnischen Volk :!: zum Sieg bei der heutigen Parlamentswahl zu gratulieren.

Den Schweizern hingegen mein Bedauern.

(Übrigens finde ich, dass die beste Personifizierung des Schwarzen Schafes auf den SVP-Plakaten wohl Herr Blocher selbst wäre.)
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harald
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Post by harald »

Eigentlich ist die EU nur ein perfoder Plan der Österreicher, sie so lange zu erweitern, bis sie wieder zerfällt und daraus die gute alte ÖU (auch bekannt unter dem Namen Österreich Ungarn) zu machen.[schild=4 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1 nxu=68524831nx18340]ÖU[/schild]
--Harald
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Aufstehen für Europa

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Außenministerin Ursula Plassnik haben Österreich verraten. Sie haben den EU-Reformvertrag unterschrieben. Dabei waren sie gewarnt: "Es ist eine Schande! Und ein Armutszeugnis für die Politik!" So begann ein am Donnerstag veröffentlichter Artikel - kein Kommentar - in der Kronenzeitung mit dem Titel "EU-Vertrag: Tag des Verrats an Österreich".

[...]

Ein weiterer Schritt, die Mitbestimmung zu verbessern, ist die neugeschaffene Möglichkeit von Bürgerbegehren. Wenn EU-weit eine Million Stimmen gesammelt werden, muss die EU-Kommission reagieren. Die Europäische Union wird insgesamt demokratischer, das ist ein Faktum. Es sollte endlich zur Kenntnis genommen werden. Von Politikern, von Medien, von Bürgern.

[...]

Auch die Atomkraft kann Österreich nicht aufgezwungen werden - aber es wird ja ohnehin schon Atomstrom importiert, vor allem im Winter. Das will man aber in Österreich nicht wirklich wahrhaben, schon gar nicht offensiv kundtun.

Es ist aber ein Eintreten für Europa notwendig. Ein Auftreten gegen falsche Behauptungen. Dazu braucht es Politiker, die den Mut haben, das zu tun - auch gegen den Willen des Boulevards.

(Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2007)
Liebste KZ, der Verräter ist nicht Gusi, sondern das bist DU.

(Ja, so kürzt man die Kronenzeitung ab; übrigens ebenso wie Kasachstan, welches im Englischen Kazakhstan geschrieben wird.)

Noch peinlicher als die Krone ist nur unser Lieblingsewiggestriger:
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat einen "Abwehrkampf" gegen den EU-Reformvertrag angekündigt.
Die Österreichische Europafeindlichkeit ist einfach nur zum Schämen.
Last edited by Der Alchemist on 16 Apr 2008, 12:28, edited 1 time in total.
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Weltanschauliche Perspektiven
Von Göttern, Frömmlern und Schablonen

Selbstgerechte Abwertung Andersgläubiger hat nichts mit "Religionskritik" zu tun. Ergänzende Anmerkungen zu Philipp Bloms Auseinandersetzung mit Susanne Winters Islam-Exegese und Christian Zeitz - Von Robert Misik

"Totalitär", sei der Islam, und das werde man doch noch sagen dürfen, schrieb, sinngemäß, der ÖVP-Akademiker Christian Zeitz gestern an dieser Stelle. Ja, sagen darf man das schon, erwiderte der Essayist Phil Blom, aber der Hinweis auf 1400 Jahre alte Schriften sei für diese These leider kein besonders geglückter Beweis.

Die Frage ist: Was macht eine Religion demokratieverträglich? Und wie redet "man" über die Defizite der "Anderen"? Im christlichen Gerede über den Islam hat sich eingeschliffen, das Christentum als besonders demokratieaffin zu betrachten, teils mit wirklich witzigen Argumenten. Der christliche Gott wird als der erste Aufklärer dargestellt (das ist die Pointe von Papst Benedikts Postulat der "vernünftigen Religion"), die persönliche Initiation jedes einzelnen Gläubigen in die Gemeinschaft via Taufe als Urszene des Individualismus verkauft und die Existenz Gottes in drei Betriebsmodi – Vater, Sohn, Heiliger Geist – als geistiger Vorläufer des Pluralismus. Dass es das Christentum war, das das Prinzip "Taufe oder Tod" erfunden hat, wird gerne unterschlagen, während auf entsprechende dunkle Flecken in der Geschichte des Islam herumgeritten wird. Man kann lange darüber streiten, welche Religion historisch schlechter abschnitte, zöge man eine Gewaltbilanz (die Rechnung ginge sicher zum Nachteil des Christentums aus), aber beschränken wir uns hier auf folgende Feststellung: Schlägt man sich die Realgeschichte um die Ohren, haben sich Christentum und Islam wenig vorzuwerfen.

Monotheistische Religionen sind, wegen des Eiferertums, das in sie eingeschrieben ist, per se nur schlecht mit Pluralismus vereinbar. Das Postulat des Monotheismus ist: Es gibt einen, und zwar meinen Gott, und die anderen Götter sind falsche Götter. Religionen sind grundsätzlich politisch in dem Sinn, dass sie nicht nur Glaubensgemeinschaften sind, sondern ewige Wahrheiten über ein sittliches und gottgefälliges Leben haben, die sie weltlicher Politik nicht zur Disposition stellen können. "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen", heißt es in dem berühmten Petrus-Wort aus der Apostelgeschichte, "Es gibt keinen Gott außer Allah", ist das Leitprinzip des Islam.

In diesem Sinn ist keine Religion demokratieverträglich, oder andersrum formuliert, jede Religion ist demokratieverträglich, nämlich dann, wenn sie geschlagen ist oder liberalistisch verdünnt oder wenn ihre Anhänger nicht in der Mehrheit sind.

Nun könnte man die Auffassung vertreten, Religionsgemeinschaften sind dann keine Gefahr für die Demokratie, wenn sie ihre moralischen Binnenüberzeugungen innerhalb ihrer Gemeinschaft leben, ohne deren Verbindlichkeit exportieren zu wollen. Doch selbst wenn sie das nicht aggressiv auf aggressive Weise versuchen, tun sie es doch auf leise, implizite Art, indem sie die säkulare Gesellschaft als "niedrig", "dekadent" oder "gottlos" charakterisieren. Islamisten schimpfen auf die "materialistische Attitüde" der westlichen Welt, aber christliche Autoritäten klingen nicht viel anders, wenn sie den "Werterelativismus" anprangern.

Nun hat gewiss der zeitgenössische Islam ein massiveres Demokratieproblem als der Mainstream des europäischen Christentums, aber wiederum auch nicht so ein großes, wie oft behauptet. In die Islam-Diskurse mischt sich ja in aller Regel mehr als ein Schuss Hysterie. Vor der "Islamisierung unseres Kontinents" fürchtet sich Zeitz mit überschießender Angstlust – 4,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung bekennen sich zum Islam.

Das meiste, was sonst noch so über die Muslime geschrieben wird, ist ähnlich surreal. Den katholischen Islam-Bashern sei empfohlen, einmal zum Billa einkaufen zu gehen. Die jungen Musliminnen, die dort hinter dem Wursttresen stehen – sehen die aus wie minderjährig zwangsverheiratete Hascherln, die gefährdet sind, schon morgen Opfer eines Ehrenmordes zu werden?

Klar, es gibt ganz schreckliche Dinge, die Muslime anrichten, und ganz generell sind Frömmler keine Leute, mit denen man gerne einen Abend verbringt. Religionskritik ist eine ganz wichtige Sache. Aber hysterische Abkanzelung ist keine Religionskritik, sondern schürt Religionskonflikte, besonders dann, wenn sie von Etablierten der jeweiligen Mehrheitskultur an Gläubigen geübt wird, die überwiegend eine unterprivilegierte Minderheit angehören.

Wie schrieb Bertrand Russell so schön? "Es ist amüsant zuzuhören, wenn ein zeitgenössischer Christ erklärt, wie mild und vernünftig das Christentum wirklich ist, und dabei den Umstand ignoriert, dass wir all diese Milde und Vernunft Männern verdanken, die zu ihrer Zeit von frommen Christen verfolgt wurden." Gewiss, auch Nichtmuslime sollen über Fehlentwicklungen in der muslimischen Welt mitreden dürfen. Glaubwürdig ist man aber nur, wenn man sich an das Leitprinzip hält: Ein jeder rede über die Schande der eigenen Leute.

(DER STANDARD, Printausgabe, 19.01.2008)
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Es ließe sich möglicherweise streiten, inwiefern Russland in den Europathread gehört oder besser eigenständig zu betrachten wäre, aber was soll's, hier die neueste, wenn auch durchaus erwartete, Verrücktheit:
Back in the USSR

Dass Russland jemals eine vollwertige Demokratie werden wird, haben zynische Europäer im Unterschied zu manchen Amerikanern ohnehin nie wirklich geglaubt. Inzwischen ist diese Sicht der Dinge durch Putins zügige Beseitigung aller demokratischen Usancen weitgehend bestätigt.

So regt sich im Westen auch kaum jemand mehr auf, dass der frühere Premier Kasjanow schlicht an der Kandidatur für das Präsidentenamt gehindert wird. Nicht, dass er irgendeine Chance hätte. Aber das System Putin will auch Abweichungen im einstelligen Prozentbereich ausschließen. Das Ziel sind wieder die alten sowjetischen 99 Prozent. Aber abseits dieser Farce lebt der alte sowjetische Unterdrückungsapparat wieder auf.

Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage im Fall der hunderten Kinder erhoben, die bei der Besetzung der Schule in Beslan starben. Nicht gegen die brutalen und inkompetenten Sicherheitskräfte, die blindwütig in die Schule hineinschossen und sie stürmten, sondern gegen die Vereinigung der Mütter von Beslan. Wegen "Extremismus".

Das System Putin hat so viel Angst, dass nicht einmal die machtlosesten Kritiker existieren dürfen. Wie in der Sowjetunion. (rau/DER STANDARD, Printausgabe, 24.01.2008)
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Grande Nation, wohin gehst Du? - Über die extravaganten Launen eines Staatspräsidenten.

http://oe1.orf.at/inforadio/87575.html?filter=
[...] Der französische Verfassungsrat hatte am Freitag das in seinem Grundsatz ohnehin heftig kritisierte Gesetz über "die Sicherheitsverwahrung besonders gefährlicher Straftäter" teilweise für nicht verfassungskonform erklärt. Das Gesetz sieht vor, dass vor allem Kindesmörder und Sexualstraftäter auch nach Verbüßen einer mindestens 15 jährigen Haftstrafe nicht wieder auf freien Fuß kommen, sondern, wenn sie als besonders gefährlich eingestuft sind, weiter weggesperrt werden können. Frankreichs Verfassungshüter haben dem zwar zugestimmt, aber nicht, wie gewünscht, zugelassen, dass dieses neue Gesetz rückwirkend angewandt werden kann, nach dem simplen Rechtsprinzip, dass ein Mensch nicht nach einem Gesetz bestraft werden kann, das es zur Zeit der Tat noch gar nicht gab.

Doch Präsident Sarkozy, von Beruf immerhin Rechtsanwalt und in seiner Funktion als Präsident auch der oberste Hüter der französischen Verfassung, machte, nur wenige Stunden nach der Entscheidung des Verfassungsrates, den allseits unverständlichen, juristisch nicht nachvollziehbaren Schritt und bat den Präsidenten des Kassationsgerichtshofes, Vorschläge zu machen, wie man den Beschluss des Verfassungsrates umgehen könnte. In dieser Form den Spruch eines Verfassungsgerichtes in Frage zu stellen – dies hat in den letzten Jahrzehnten kein anderer Staats- oder Regierungschef eines demokratischen Landes gewagt. Entsprechend die Reaktionen im Land.

Guy Carcassonne, Frankreichs namhaftester Verfassungsrechtler: "Artikel 62 unserer Verfassung sagt: die Beschlüsse des Verfassungsrates sind zwingend für alle staatlichen Instanzen, also auch für den Staatspräsidenten, sowie für alle anderen gerichtlichen Instanzen, also auch den Kassationsgerichtshof." [...]
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In den letzten Tagen gab es einige interessante Statements zu Europafragen. Hier die orf.at-Berichte:
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso hat die Sanktionen der EU-Staaten gegen Österreich im Jahr 2000 als "wirklich schweren Fehler" bezeichnet. Er sei damals dagegen gewesen und habe auch Portugals Regierung in der Sache kritisiert. "Ich glaube, die Sanktionen waren in dieser Hinsicht ein sehr schwerer, ein wirklich schwerer Fehler", sagte Barroso in einem Interview mit mehreren österreichischen Zeitungen am Rande des Europaforums in Lech.

Auf die Frage, warum die Österreicher seiner Meinung nach so EU-kritisch seien, meinte der portugiesische Politiker, er habe "eigentlich keine Erklärung" dafür. Laut Barroso würden die Österreicher sehr stark von der EU profitieren: "Ich glaube, die Mitgliedschaft ist ein Gewinn für alle Länder, für Österreich aber besonders."
Der Euro ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, überbewertet. "Wir sehen gerade große Verzerrungen zwischen den Währungen", sagte Strauss-Kahn in einem heute veröffentlichten Interview der französischen Zeitung "Le Monde". Dabei sei der Dollar nicht so stark unterbewertet wie der chinesische Yuan oder der japanische Yen und nicht so überbewertet wie der Euro. Das Problem mit dem Euro sei, dass die Europäische Zentralbank sehr stark sei und kein politisches Gegengewicht habe, fügte der frühere französische Finanzminister hinzu.

Die französische Regierung hat sich in der Vergangenheit wiederholt kritisch über den starken Euro geäußert, weil dadurch europäische Exporte in andere Währungsräume verteuert werden. Vor diesem Hintergrund stellte Frankreich auch die politische Unabhängigkeit der EZB immer wieder infrage.
Weiters
http://news.orf.at/ticker/282219.html
hat sich auch die Europäische Union besorgt über den Ablauf der russischen Präsidentschaftswahl gezeigt.
Im Übrigen
http://derstandard.at/?id=3249706
wurde auf einer Tagung des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (ÖIIP) erörtert, warum die EU-Verfassung / der Lissabon-Reformvertrag die Neutralität Österreichs nicht beeinträchtigt.

Und beim Europaforum in Lech
http://derstandard.at/?id=3247230
sprach sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer für einen baldigen Beitritt Kroatiens aus.
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Den Medien war zu entnehmen, dass das Türkische Verfassungsgericht nun tatsächlich ein Verbotsverfahren gegen die AKP durchführen wird (sowie Amtsverbotsverfahren gegen Ministerpräsident Erdogan und dutzende andere Funktionäre). Rechtlich kann ich dazu jetzt nicht viel sagen, aber demokratiepolitisch gesehen wäre ein Verbot nichts anderes als ein Justizputsch. Ich frage mich, ob das zu einem Bürgerkrieg führen würde. Denn Tatsache ist, circa die Hälfte der Bevölkerung steht hinter der AKP. Jene Hälfte, für die die (mMn selbstherrlichen) laizistischen Parteien kaum je etwas getan haben.

Ein kleiner Lichtblick ist allerdings die Tatsache, dass beschlossen wurde, wenigstens gegen Staatspräsident Gül kein Verbotsverfahren durchzuführen.
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Berlusconi verärgert Spanien

http://news.orf.at/ticker/286497.html
Kaum ist die italienischen Wahl geschlagen, hat Wahlsieger Silvio Berlusconi zielsicher das erste politische Fettnäpfchen ausgemacht - mit abfälligen Bemerkungen über die Anzahl von Frauen im spanischen Kabinett. Die spanische Regierung sei "zu rosa", sagte Berlusconi Radio Monte Carlo gestern. In Italien sei das nicht möglich, weil es mehr Männer in der Politik gebe und es schwer sei, qualifizierte Frauen zu finden.
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Streit über Informationsfreiheit in der EU
Bürgerrechtler haben einen Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der EG-Verordnung zur Informationsfreiheit kritisiert. Werde der Vorschlag angenommen, würde das den Zugang von Bürgern zu Dokumenten der Union weiter einschränken, so die britische Organisation Statewatch.
http://orf.at/ticker/287820.html

Bürgernahe EU? Was war da noch mal die Idee dahinter? :twisted:
--Harald
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Irland sagt Nein zum Lissboa- Vertrag.

Es steht eh schon überalle.

Vor ein paar Tagen lies man noch verlauten, es gäbe keinen Plan B. Das war natürlich gelogen, das war schon der Plan B nach dem ebenso gescheiterten Verfassungsvertrag.

Die Frage dieses Threads stellt sich daher wieder voller Heftigkeit.

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Die Frage dieses Threads stellt sich daher wieder voller Heftigkeit.
Zumal die Ankündigung der Weiterratifizierung des Reformvertrags das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Strukturen nicht unbedingt fördern wird ...

Man muss Volksabstimmungen nicht mögen, aber verpflichtend sind die Ergebnisse schon, sonst wären es ja nur Volksbefragungen. Dementsprechend hat die Union an den Start zurückzugehen und andere Vertragsentwürfe auszuarbeiten. Tipp: Erstens mehr Sozialbezüge reinnehmen, zweitens mit den Bürgern besser kommunizieren! :wink:

Nichtsdestoweniger gehören jene Chauvinismuspropagandapopulisten endlich mal zurechtgewiesen, die seit Jahren erfolgreich Schauermärchen über die EU-Reformbemühungen herbeilügen.
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harald
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Ich darf mich selbst aus dem CO der FV zitieren:
Die Frage, die sich mir stellt: War etwas anderes zu erwarten?

Wenn der Verfassungsvertrag aufgrund zweier Abstimmungen scheitert und es von allen Seiten tönt: Wir müssen an dem eingeschlagenen Kurs festhalten und weitermachen. Und dann kommt der Vertrag von Lissabon raus.

Wer erwartet, dass Otto Normalbürger dann doch nicht vermutet, dass einem der erste abgelehnte Vertrag mit anderen Formulierungen wieder untergeschummelt wird? Das Gefühl, dass der Verfassungsvertrag jetzt nur die Überschrift Vertrag von Lissabon gekriegt hat und inhaltlich plus minus gleich geblieben ist wie bei der ersten Ablehnung, bleibt mMn ohne Aufklärung weiterhin bestehen.

Daher wird aus meiner Sicht auch jeder weitere Versuch erfolglos bleiben, solange sich an der Informationspolitik nichts ändert.
--Harald
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Zwar schon ein paar Tage alt, aber allemal archivierungswürdig:

http://derstandard.at/?id=3385637
Mit Isolation zu drohen war die falsche Reaktion auf das Nein von Irland - ein Kommentar der anderen von Timothy Garton Ash. Es gibt immer noch genügend andere Lösungsmöglichkeiten für ein gemeinsames Europa – ob mit dem Vertrag von Lissabon oder auf der Grundlage von "Nizza plus".

Nach dem irischen "Nein" in der Abstimmung steht Europa vor der Frage: Will Deutschland wirklich noch in dieser europäischen Union bleiben? Ja, Deutschland.

Ich schreibe als jemand, der überzeugt davon ist, dass die EU die institutionellen Reformen des Lissabon-Vertrages braucht, und der es bedauert, dass eine Mehrheit der irischen Wähler diese Reform abgelehnt hat – aus einem Wirrwarr von Gründen, von denen die meisten wenig mit dem Inhalt des Vertrages zu tun haben. Aber ich war schockiert von der ersten Reaktion vom Innen- und vom Außenminister Deutschlands. Deren Grundtenor war: Blöde, unbedeutende irische Wähler, verschwindet und kommt wieder mit der richtigen Antwort, sonst müssten wir euch hinaus in die Kälte werfen. Oder wir Deutschen, Franzosen und die anderen guten Europäer gehen alleine weiter, in einem "Kerneuropa" . Die gepanzerte Faust war nur notdürftig mit einem Samthandschuh verhüllt.

"Es kann nicht sein" , sagte Innenminister Wolfgang Schäuble, Anhänger eines Kerneuropa, "dass ein paar Millionen Iren für 495 Millionen Europäer die Entscheidungen treffen." Das würde stimmen, wäre die EU eine direkte Demokratie. Aber sie ist keine direkte Demokratie, außer vielleicht zu dem ganz geringen Teil ihrer Legitimation, die sie durch die Direktwahlen zum Europäischen Parlament erreicht.

Die EU – diese EU, die einzige real existierende EU, die beste EU, die wir haben – ist noch immer zum Großteil eine indirekte Demokratie: das bedeutet, dass jeder einzelne demokratische Mitgliedsstaat seine eigenen Entscheidungen auf seine eigene Art zu treffen hat. Das ist zeitaufwändig. Wie bei einem Konvoi oder einer Großfamilie dauert alles länger. Um langsamere Schiffe und geizige Cousins muss man sich kümmern. Aber genau das bedeutet es, eine Europäische Union zu sein, nicht eine Allianz unter der Führung der großen Staaten oder die Vereinigten Staaten von Europa.

Es stimmt, dass schon jetzt unter den geltenden Verträgen kleinere Staatengruppen bei einzelnen Themen enger zusammenarbeiten können, wenn sie wollen, siehe Schengenraum und Euro-Zone. Es könnte sein, dass Deutschland so eine "vertiefte Kooperation" zum Beispiel für Wirtschaftsführung innerhalb der Eurozone initiieren will. Hervorragend. Soll es. Aber bei den Fragen der zentralen institutionellen Einrichtungen und seinen Außenbeziehungen – die zwei großen Punkte, die der Lissabon-Vertrag anspricht – ist dieses Vorgehen, sobald man es näher betrachtet, ein kompletter Rohrkrepierer. Aus Sorge, dass die Europäische Union schwach und zersplittert ist, würde man sie im Endeffekt nur noch mehr schwächen und zersplittern.

Taktisch war das auf jeden Fall die schlechtest mögliche Art zu reagieren. Nichts kann besser sicherstellen, dass die Iren ein zweites Mal Nein sagen – vorausgesetzt, die Regierung traut sich, sie noch einmal zu fragen, was keinesfalls sicher ist. Der Gegensatz zur deutschen Reaktion auf das Nein Frankreichs 2005 ist eklatant. Wenn die Franzosen Nein sagen, hat Europa ein Problem. Wenn Irland Nein sagt, hat Irland ein Problem. Es gibt ein Gesetz für die Großen und ein anderes für die Kleinen.

Glücklicherweise waren das nur erste Reaktionen. Auch wenn Frustration und persönliche Ungeduld anhalten, bereiten sich die Führer in der EU, allen voran die weise und konsensbedachte deutsche Kanzlerin Merkel, darauf vor, der irischen Regierung das zu geben, worum sie vertraulich gebeten hat: Zeit und Spielraum, um auszuarbeiten, wie es weitergehen soll. Das war der Geist des Europäischen Rates, der sich mit dieser Frage am Ende dieser Woche herumquälte. Zwangsläufig spricht man vom Plan B. In Wahrheit arbeitet Europa jetzt am Plan D und sollte über einen Plan E nachdenken.

Lassen Sie mich das erklären. Plan A war eine europäische Verfassung. Was beim Verfassungskonvent unter der Führung von Valéry Giscard d’Estaing und den anschließenden bürokratischen Mühlen herauskam, war nur ein "verfassungsmäßiger Vertrag" oder Plan B. Als Frankreich und die Niederlande dazu "Nein" sagten, haben die europäischen Führer umorganisiert und haben mit Plan C begonnen: dem noch bescheideneren Vertrag von Lissabon.

Nun gilt es für den Rest, nach Plan D vorzugehen und zu ratifizieren, was Großbritannien prompt gemacht hat. Die irische Regierung soll im Oktober zum Europäischen Rat kommen mit Vorschlägen für das Paket, mit dem sie glaubt, die irischen Wähler umstimmen zu können. Es könnte zum Beispiel "Erklärende Protokolle" geben, die Zusicherungen in der Abtreibungsfrage, der irischen Neutralität, der Körperschaftssteuer und all den anderen Fragen beinhalten, die die irischen Ängste befeuert haben. Vielen irischen Wählern missfiel vor allem der Gedanke, ihren EU-Kommissar zu verlieren, ein Missfallen, das von vielen der kleinen EU-Staaten geteilt wird.

Das kann man nicht ändern, ohne den Lissabon-Vertrag zu ändern; was heißen würde, mit der ganzen Ratifikationsprozedur in allen 27 Staaten von vorne zu beginnen. Aber geniale EU-Weise schlagen vor, ein gewieftes Versprechen zu schnitzen, dass man zum Prinzip "ein Kommissar pro Land" zurückkehren wird. Vielleicht bei den nächsten notwendigen Revisionen anlässlich des Beitritts von Kroatien, so ungefähr 2010 (ich nenne es kroatisches Gambit). Und so weiter.

Selbst wenn die Europa-skeptischen Präsidenten Polens und Tschechiens dem Vertrag von Lissabon nicht den Gnadenstoß geben, indem sie ein zweites Nein ein-fädeln (meine Vorahnung ist, sie werden das nicht tun), gebe ich diesem Plan D nur eine 60:40-Chance, erfolgreich zu sein. Wäre ich Ire, würde ich mich jetzt ganz schön schlecht fühlen. Und wäre ich der irische Premierminister, müsste ich mir des Ausgangs schon sehr sicher sein, bevor ich mein politisches Überleben in einer zweiten Abstimmung riskiere. Daher sollten wir auch über einen Plan E nachdenken.

Plan E besteht aus drei Teilen. Der erste Teil ist, mit den bestehenden Vereinbarungen weiterzuarbeiten. Es ist Tatsache, dass die erweiterte EU der 27 mit "Nizza" noch funktioniert. Sie ist nicht zum Stillstand gekommen, wie einige vorhergesagt haben.

Der zweite Teil ist nachzuschauen, wie viele der Änderungen, die notwendig sind, um die erweiterte EU effizienter zu machen und ihren Einfluss in der Welt zu erhöhen, ohne einen neuen großartigen Vertrag möglich sind. Ich habe diese Frage in den letzten Tagen einigen Experten für die rechtlich-institutionellen Abläufe in der EU gestellt. Ihre Antwort war, dass eine überraschend große Zahl der Änderungen möglich ist.

Ich werde Sie jetzt nicht mit all den Details, die einen Jesuiten erröten ließen, belästigen. Aber es stellt sich heraus, dass, Einfallsreichtum und politischer Wille vorausgesetzt, Dinge wie ein stärker konsolidierter außenpolitischer Apparat mit einem einzigen Kopf an der Spitze trotzdem geschaffen werden könnten. Wo ein Wille, da ein Weg. Das wäre, wie es der schwedische Außenminister Carl Bildt genannt hat, "Nizza plus" . Post für Präsidenten

Der dritte Teil des Plans ist der wichtigste. Während wir den jahrzehntelangen Institutionen-Wirrwarr so gut wie möglich entwirren, sollten wir uns an die Dinge machen, die den Europäern und der Welt wirklich wichtig sind. Nach der Wahl des neuen US-Präsidenten diesen Herbst soll er in seinem Posteingangskorb eine Aktennotiz von Europa vorfinden, die aufzählt, was wir als die größten Probleme der Welt sehen und was unsere Lösungsvorschläge sind.

Plan D ist derzeit der am wenigsten schlechte institutionelle Weg, und der Lissabon-Vertrag hat seinen Wert, wenn wir ihn mit einem Konsens umsetzen können. Aber wenn das nicht möglich ist und wir uns um alle drei Teile von Plan E intensiv kümmern, dann könnte E nicht nur für Erschöpfung stehen, sondern auch für Europa. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.06.2008)
http://derstandard.at/?id=3387090
Europa der zwei Geschwindigkeiten un­ver­meidbar - Kommentar der anderen von Joschka Fischer. Der ehemalige deutsche Vizekanzler stellt sich in der Debatte um die Konsequenzen des irischen "No" zum Reformvertrag gegen Angela Merkel.

Es ist passiert. Nach dem Scheitern der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden ist das irische Nein nun der zweite und wohl entscheidende Schlag gegen ein vereintes und starkes Europa.

Diesen 12. Juni 2008 wird man sich merken müssen, denn an diesem Tag wurde europäische Geschichte geschrieben. Was immer jetzt auch an verzweifelten Rettungsversuchen unternommen wird, kann über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass sich die EU für mindestens zehn Jahre (wenn nicht für sehr viel länger) als ernstzunehmender außenpolitischer Akteur auf der Weltbühne verabschiedet hat.

Dies geschieht in einer Zeit, in der die Probleme auf dem Balkan noch nicht gelöst sind, Amerika einen relativen Abstieg erlebt, Russland wieder erstarkt, die Türkei innenpolitisch am Wegrutschen ist, der Nahe Osten als direkter Nachbar der EU zu explodieren droht und das Tempo von China und Indien als aufsteigende Mächte die Wirtschaft und die Weltpolitik von morgen definieren wird.

Armes Europa! Es hat sich mit der irischen Entscheidung blind und ohne Not ins politische Elend gestürzt. Gewiss, die EU wird fortbestehen, und ihre Institutionen werden mehr schlecht als recht auf der Grundlage des Nizza-Vertrags weiterarbeiten. Aber ein handlungsfähiges, starkes, sein eigenes Schicksal bestimmendes Europa ist auf lange Zeit dahin.

Wenn jetzt in den seriöseren britischen Medien, wie etwa der Financial Times, vor einem erneuten europäischen Psychodrama gewarnt und dazu aufgerufen wird, stattdessen an einem "Europa der Ergebnisse" zu arbeiten, dann ist dies wohl mehr ein schlechter Witz als eine ernstzunehmende Alternative.

Man macht aus einem Esel weder durch gutes Zureden noch durch Schläge ein Rennpferd, es sei denn, man ist insgeheim mit dem Esel zufrieden. Und genau darin besteht Europas Kernproblem. Einige der Mitglieder wollen nicht mehr als einen Esel.

Institutionen hingegen kann man reformieren, wenn sie nicht mehr funktionieren, und genau dies versucht die EU seit fast nunmehr 20 Jahren vergeblich. Die Geschichte hat die Erweiterung der EU nach 1989/90 unverzichtbar gemacht, aber ohne eine Reform der Institutionen wird das Europa der 27 Mitgliedstaaten zwangsläufig immer schlechtere und seine Bürger immer mehr enttäuschende Ergebnisse liefern müssen.

Was werden die Folgen der irischen Entscheidung sein?

1) Eine starke europäische Außenpolitik, die angesichts der Weltlage dringender denn je wäre, wurde am 12. Juni bis auf weiteres beerdigt. Die Nationalstaaten werden damit erneut das außenpolitische Sagen haben. Dasselbe gilt für die Demokratisierung der EU und damit für eine stärkere Bürgernähe und demokratische Akzeptanz. Die irische Entscheidung ist gerade in diesem Punkt in sich grotesk, weil sie zugleich ablehnt, was sie einfordert.

2) Die EU wird stagnieren. Damit aber wird der Prozess der Erweiterung ins Stocken oder gar zum Stillstand kommen, denn die EU in ihrer "Nizza-Verfassung" ist nicht mehr aufnahmefähig. Der Preis wird zuerst auf dem Balkan und in der Türkei zu bezahlen sein.

3) Vor allem die kleinen und mittleren Staaten der Europäischen Union werden den Preis für die irische Entscheidung zu entrichten haben, wenn es zu einer Renationalisierung der Außenpolitik kommen wird. Sie werden an Einfluss verlieren. Daran ist nichts wirklich Neues, sofern man nur nach Großbritannien und Frankreich blickt. Ganz anders sieht das im Falle Deutschlands aus. Deutschland hat seine strategischen Interessen bisher weitgehend im Rahmen einer sich immer weiter integrierenden EU verfolgt. Mit der langfristigen Blockade einer starken EU wird sich dies notwendigerweise ändern.

4) Als Alternative zu einer großen und starken EU wird das deutsch-französische Duo wieder in das Zentrum rücken. Mehr denn je wird in Zukunft die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich das alte und zugleich neue Gravitationszentrum einer blockierten EU ausmachen. Damit aber wird es im Rahmen des Nizza-Vertrages zu einem internen Zerfall der EU in zwei Lager kommen: die EU der Integration und die EU des gemeinsamen Marktes. Im Kern werden im Rahmen der EU die alte EWG und die alte EFTA de facto neu entstehen.

5) Es droht ein Zerfall der Solidarität innerhalb der großen EU. Solidarität funktioniert nicht als Einbahnstraße. Gerade Irland, das mit am meisten von der europäischen Einigungsidee materiell profitiert hat, hat diese Idee nun zurückgewiesen. Die Verhandlungen um die europäischen Finanztransfers, den Kern der europäischen Solidarität, wird daher zukünftig sehr viel härter werden als in der Vergangenheit (und da waren sie schon hart genug). Die ärmeren EU Länder werden darunter zu leiden haben.

Es besteht noch eine minimale Chance, das Debakel abzuwenden, wenn Irland mit seinem Nein in der EU isoliert bleibt. Jenseits davon aber sollte man sich ernsthaft überlegen, ob es für alle Beteiligten und Europa nicht besser wäre, wenn sich im Rahmen von Nizza und auf Grundlage des gemeinsamen Marktes die Wege trennen würden: Diejenigen Mitgliedstaaten, welche die politische Integration wollen, sollten weitergehen. Und diejenigen, welche mit dem gemeinsamen Markt zufrieden sind, sollten zurückbleiben.

Diese Formel funktionierte bei der Währungsunion. Warum also nicht auch bei der politischen Integration? Umfassende Ausnahmen (Opt-outs) sind auf jeden Fall besser als eine dauerhafte Blockade und ein Zerfall des europäischen Projekts. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.06.2008)
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Ich frage mich warum,
ist denn die Gurke krumm?

Weil keiner auf das Feld rauszog
und die Gurke grade bog!

(c) ich

http://derstandard.at/?id=1226396588861

Reine Poesie!

Es fängt sich neu an die knorrige Karotte
und tanzt mit der krummen Gurke eine Gavotte (hm, spricht man aber wohl Gavott aus? Oder Gavo? Ich sollte das mit der Poesie der Kommission überlassen)




Das Land der Dome und am Strome, knorriger Karotten reich, welches schon 1967 ein vergleichbares Gesetz hatte (Qualitätsklassengesetz, BGBl 161/1967 mit den dazugehörigen Verordnungen) hat sich
der Abstimmung zur Aufhebung enthalten.

So, und zum Abschluss noch die baldige historische Rechtsquelle:
Verordnung (EWG) Nr. 1677/88 der Kommission vom 15. Juni 1988 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken)
Last edited by dejost on 30 Dec 2008, 09:50, edited 1 time in total.

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Dies ist eine der Nachrichte, wo ich auf die schlechte Berichterstattung über EU- Themen hoffe, denn es schreibt orf.at:
Begleitet von Protesten im Vorfeld soll am Mittwoch das EU-Parlament darüber entscheiden, ob die Höchstarbeitszeit pro Woche künftig verlängert werden kann.
Demnach soll unter bestimmten Bedingungen eine Erhöhung der normalen Wochenarbeitszeit von 48 auf bis zu 65 Stunden möglich sein - mit einer Sozialpartnervereinbarung noch mehr.
Das ganze ist ein Zugeständnis an UK, die bis jetzt von den Arbeitszeitbestimmungen (auch) ausgenommen sind.
Außerdem wurde vereinbart, dass Phasen "inaktiver Bereitschaft" - etwa wenn ein Arzt zwar im Spital ist, aber schläft - nicht als Arbeitszeit gerechnet werden.
Das hat der EuGH mehrmals anders judiziert - mE zu recht!
Mit dem geänderten EU-Gesetz würde der Status quo in den heimischen Krankenhäusern nicht verändert, sondern nur legalisiert.
Würden nicht alle wissen, was in den Spitälern abgeht, müsste man sich das geradezu auf der Zunge zergehen lassen.

Also wie gesagt, ich hoffe dass dieser Bericht so lücken- oder fehlerhaft ist, dass es einfach so nicht stimmt, zB die 65h nur in besonderen Zeiten, kurzfristig odgl. Ausführliche Proteste sind schon angekündigt.

Abgesehen davon, dass Generationen von Arbeitern für eine annehmbare Wochenarbeitszeit gekämpft haben (und es arg wäre, wenn man Jahrzehnte dieses erfolgreichen Einsatzes einfach vom Tisch fegt), ist es geradezu lächerlich, wenn man in Zeiten einer drohenden Rezension (in den USA ist der Leitzins auf 0-0,25% gesenkt!) und (Massen?)Arbeitslosigkeit die Leute mehr arbeiten lässt.

edit:

Der Standard.at schreibt, das EU- Parlament hat die RL gekippt. Damit ist die Sache (vorerst) vom Tisch. Mittelfristig wird es vielleicht einen neuen Anlauf geben, dann aber wohl mit Änderungen.

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Als Nachtrag hier die ganze Meldung, bevor das wieder in zahlungspflichtigen Archiven verschwindet:
Straßburg/Brüssel - Das Europaparlament hat den Plan der EU-Regierungen zurückgewiesen, unter bestimmten Voraussetzungen die Wochenarbeitszeit auf bis zu 65 Stunden auszuweiten. Die Abgeordneten in Straßburg votierten mit breiter Mehrheit dafür, die Höchstarbeitszeit in der EU bei 48 Stunden zu belassen. Ausnahmen von der Regel sollen nach dem Willen des EU-Parlaments nach drei Jahren auslaufen.

Außerdem sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich dafür aus, dass der gesamte Bereitschaftsdienst, einschließlich inaktiven Zeit, als Arbeitszeit angesehen wird. Im Gegensatz dazu sieht der EU-Ministerrat die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit an, sofern nicht in bestimmten Rechtsvorschriften, in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern etwas anderes vorgesehen ist. Der Beschluss des Europaparlaments bedeutet, dass über den Beschluss der EU-Regierungen vom Juni neu verhandelt werden muss. Dazu ist ein langwieriges Vermittlungsverfahren zwischen dem EU-Ministerrat und dem EU-Parlament nötig.

Die EU-Staaten haben sich im Juni nach mehr als drei Jahren darauf verständigt, dass unter bestimmten Bedingungen eine Erhöhung der normalen Wochenarbeitszeit von 48 auf bis zu 65 Stunden möglich sein soll und mit Sozialpartner-Vereinbarung noch mehr. Die weitreichenden Ausweitungen der Arbeitszeit waren ein Zugeständnis an Großbritannien, das bisher die EU-Arbeitszeitregeln überhaupt nicht anwendet.

Außerdem wurde vereinbart, dass Phasen "inaktiver Bereitschaft - also wenn ein Arzt zwar im Spital ist, aber schläft - nicht als Arbeitszeit gerechnet werden. Nach zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, wonach auch Bereitschaft als Teil der Arbeitszeit zu gelten hat, verstoßen derzeit fast alle EU-Staaten - auch Österreich - insbesondere im Gesundheitswesen gegen EU-Recht. Mit dem geänderten EU-Gesetz würde der Status quo in den heimischen Krankenhäusern nicht verändert, sondern nur legalisiert.

Die österreichischen Europaabgeordneten Othmar Karas (V) und Harald Ettl (S) begrüßten die Ablehnung der Position der EU-Staaten. Ettl sprach von einem "großen Erfolg für ein soziales Europa". Der Plan der EU-Regierungen hätte "eine Verschlechterung der Arbeitszeitregelung gebracht". Der SPÖ-Abgeordnete hatte im Vorfeld der Abstimmung Gewerkschaftsproteste gegen die neue Arbeitszeitrichtlinie unterstützt.

"Wir wollen eine faire und bestmögliche Lösung für die Arbeitszeitregelung. Eine gemeinsame europäische Regelung ist notwendig, damit im Binnenmarkt die gleichen Rahmenbedingungen herrschen und Mindeststandards eingeführt werden", erklärte Karas in einer Aussendung. "Dabei steht für den ÖVP-Europaklub der Schutz der Arbeitnehmer ebenso im Vordergrund wie die Wahrung einer wirtschaftlich notwendigen Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung." (APA)
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Der Alchemist
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In wenigen Tagen übernimmt Tschechien den Vorsitz unserer threadbenennenden Gemeinschaft. Der dezitierte EU-Gegner Präsident Vaclav Klaus zeigt sich aber unvernünftiger denn je zuvor: Nicht er sondern sein Vorgänger Sarkozy sei der eigentliche Europagegner, denn dieser habe keine EU-Kritik zugelassen. Auf seinem Amtsgebäude werde er keine Europaflagge wehen lassen ("Wir sind schließlich keine Kolonie der Europäischen Union"). Und eine Abhöraffaire gibt's auch schon. Im Übrigen bereitet der slowenisch-kroatische Grenzkonflikt weitere Probleme.

http://www.ftd.de/politik/europa/:Agend ... cd-topnews
Financial Times Deutschland wrote:In der Tat lässt Klaus' Verhalten das Schlimmste befürchten. Gerne vergleicht der rechtsliberale Politiker die EU mit der Sowjetunion und warnt davor, Tschechien drohe sich in Europa aufzulösen "wie ein Stück Zucker in einer Tasse Kaffee". Wer Klaus wohlgesinnt ist, sieht in solchen Äußerungen mehr als Politclownereien. "Sie müssen das historisch sehen", sagt eine Senatorin aus der ODS, der Partei, die das Staatsoberhaupt einst gegründet hat. "Hier in Tschechien haben immer andere mitgeredet, zuletzt die Russen, davor die Deutschen und davor über Jahrhunderte die Habsburger." Deshalb würde Klaus die EU am liebsten auf eine reine Freihandelszone beschränken, die sonst nicht weiter in nationale Souveränitätsrechte ihrer Mitgliedsstaaten eingreift.
Deshalb lässt der Staatschef keine Gelegenheit aus, Politiker vor den Kopf zu stoßen, die für die europäische Integration stehen. So verärgerte er jüngst bei einem Besuch in Dublin die irische Regierung zutiefst, indem er sich selbst als "Dissident" gegen die EU feierte und öffentlich den Mann unterstützte, der in Irland für die Nein-Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag verantwortlich war.
Bei einem Gespräch mit den Fraktionschefs des EU-Parlaments auf der Prager Burg brach er die vereinbarte Vertraulichkeit und veröffentlichte ohne Warnung Auszüge aus der Unterredung auf der Präsidentenwebsite. Dort war beispielsweise zu lesen, wie der Präsident die Kritik des Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit an Klaus' Weigerung, den Lissabon-Vertrag zu unterzeichnen, barsch beiseitewischte. "Sie sind hier nicht auf den Pariser Barrikaden." Parlamentspräsident und CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering fühlt sich durch die Abhöraktion an Praktiken des Geheimdiensts aus der undemokratischen Vergangenheit erinnert.
http://www.bazonline.ch/ausland/europa/ ... y/24415101
Die Basler Zeitung wrote:Die grösste Gefahr des 21. Jahrhunderts für Wohlstand und freie Marktwirtschaft seien nicht mehr die Kommunisten, sondern «ehrgeizige Umweltschützer», schreibt er in dem 2007 erschienenen Buch «Blauer Planet in grünen Fesseln».
Der Standard wrote:Wien - Die tschechische Regierung hat die EU-Erweiterung in Südosteuropa zu einer der Prioritäten ihres Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2009 erklärt. Dies wertet die Rolle Erhard Buseks zusätzlich auf. Busek, der unter anderem als ehemaliger Koordinator des Balkan-Stabilisierungspakts eine große Expertise zur Region vorweisen kann, ist Südosteuropa-Berater der tschechischen EU-Präsidentschaft.

Der Westbalkan wird Schwerpunkt des nächsten informellen Außenministertreffens sein. Dieses erhält mit der Blockade der kroatischen Beitrittsverhandlungen durch Slowenien wegen des ungelösten Grenzstreits besondere Brisanz. Im Gespräch mit dem STANDARD sieht Busek hier Handlungsbedarf für Prag, weil die tschechische Präsidentschaft zusammen mit der folgenden schwedischen "die ganze Geschichte Ende 2009 zum Abschluss bringen will, damit die Mitgliedschaft Kroatiens entscheidungsreif ist".

Die Blockade durch Slowenien gefährde diesen Fahrplan. "Die Tschechen sind sich im Klaren, dass es ein Problem wird, wenn das einreißt." Gemeint: die Verknüpfung bilateraler Probleme mit Beitrittsverhandlungen. Auch in der EU-Kommission denke man über ein Verfahren nach, wie man verhindern kann, dass das slowenische Vorgehen Schule macht: "Also: die Slowenen blockieren die Kroaten, die Kroaten blockieren die Serben, und so weiter, da gibt's ja eine lange Liste."

Möglicherweise laufe es auf eine Blockaufnahme der Westbalkan-Länder hinaus. "Das wäre eine Deblockierung, denn wenn sie sich gegenseitig blockieren, dann blockieren sie sich auch selbst." Er selbst favorisiere eine Block-Lösung nicht, aber letztlich "wird wohl nichts anderes übrigbleiben". Den Kroaten nütze das in der derzeitigen Situation freilich nichts. Im Zusammenhang mit der slowenischen Blockade meint Busek, "die Ernennung des geschätzten Dimitrij Rupel (Ex-Außenminister) zum außenpolitischen Berater von Premier Borut Pahor hat ja sehr verwundert" . Busek spielt damit auf innerslowenische Kritik an Rupel an, dem vorgeworfen wird, er habe als langjähriger Außenminister das Verhältnis zu Kroatien vernachlässigt.

Kroatien sei bereit, den Grenzstreit durch ein internationales Schiedsgericht entscheiden zu lassen, aber das werde von den Slowenen abgelehnt, sagt Busek. Zu der slowenischen Forderung, Zagreb müsse zuerst eine hieb- und stichfeste Garantieerklärung abgeben, dass die in den Beitrittsverhandlungen vorgelegten Dokumente und Karten den Grenzverlauf nicht präjudizieren, will Busek sich nicht äußern. Aber: "Ohne hier eine Seite nennen zu wollen - das ist alles nicht sehr hilfreich. Wir haben momentan offensichtlich einen europäischen Rückfall."

Die tschechische EU-Präsidentschaften will laut Busek mit dem Kosovo Verhandlungen über ein EU-Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufnehmen, "was sicher ein Schritt vorwärts wäre" . Zugleich wird erwartet, dass nach Montenegro auch die anderen Westbalkan-Staaten formelle Beitrittsgesuche stellen. Weiters will Prag die übrigen EU-Länder dazu drängen, ihre Zusagen zur Erleichterung der Visa-Bestimmungen für die Westbalkan-Länder zu erfüllen.

"Ich erlebe die Tschechen sehr gut vorbereitet, sehr präzise, trocken, ohne ein Riesentheater oder sonst was zu machen" , sagt Busek zu verschiedentlich vorgebrachten Bedenken, ob die Regierung von Premier Mirek Topolánek der Aufgabe gewachsen sei. Trotz der internen Probleme in der großen Regierungspartei ODS und mit der Opposition "sind sich alle darüber im Klaren, dass sie das anständig absolvieren müssen". Die Kritik des französischen Staatschefs und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy am tschechischen Präsidenten Václav Klaus wegen dessen Weigerung, die EU-Fahne über dem Hradschin aufzuziehen, will Busek nicht kommentieren. Klaus' Haltung findet er allerdings "ein bisserl kindisch". (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)
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Unter dem Titel Liebe war es nie schreibt der Standard was zum aktuellen Eurobarometer:
39 Prozent der ÖsterreicherInnen bewerten die EU-Mitgliedschaft demnach als "eine gute Sache". Mit diesem Anstieg um drei Prozentpunkte nimmt Österreich nur mehr den viertletzten Platz ein. Die Frage, ob die EU-Mitgliedschaft für Österreich von Vorteil sei, bejahten 47 Prozent der Befragten (plus 11).
Österreich liegt dabei in den beiden Kernfragen - ob die Mitgliedschaft eine gute/schlechte Sache ist und ob sie Vorteile/Nachteile bringt - konstant 10 bis 15 Punkte unter EU-Schnitt - auch wenn die aktuelle Befragung auf einen Aufwärtstrend hindeutet. "Es ist noch zu früh, um von einem Trend zu sprechen", meint Harald Pitters, Eurobarometer-Projektleiter am österreichischen Gallup-Institut.
Mehr als je zuvor sträuben sich die ÖsterreicherInnen gegen Erweiterungen der Union. 67 Prozent (plus 4) sind gegen jede zusätzliche EU-Erweiterung. Außerdem glauben unsere Landsleute mehrheitlich (53 Prozent), Österreich habe vom Fall des Eisernen Vorhanges nicht profitiert.
Das mit dem Eisernen Vorhang ist besonders hervorstechend, mag aber daran liegen, dass die Vorteile nicht so direkt sichtbar/angreifbar sind, zumindest für das Gros der normal arbeitenden Bevölkerung.

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So, und jetzt habe ich auch endlich das Eurobarometer abonniert. Heute geht es aber um was anderes, "die EU", genauer das Europaparlamant hat, wie orf.at berichtet, angekündigt, die Anwesenheitslisten der Abgeordneten bei Plenar- und Ausschusssitzungen künftig auf der Website des EU-Parlaments zu veröffentlichen.

Ziel ist vermutlich Vertrauensbildung hinsichtlich der Wahl am 7. Juni.

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http://futurezone.orf.at/stories/1502505/
"Meine Geduld mit der Industrie ist jetzt zu Ende, und wenn die Industrie jetzt nicht bald mit einer Lösung kommt, die dazu führt, dass es einheitliche Ladegeräte für die Handys gibt, dann werden wir die Industrie zwingen, das zu tun", sagte Verheugen
Zugegeben, ich fände das schon sehr praktisch. Aber ob das eines der Themen ist, wo der Gesetzgeber handeln muss? Wo ist da der Einfluss auf den Binnenmarkt?
In der Volksrepublik China gibt es bereits seit 2006 Bestrebungen, die Ladegeräte von Mobiltelefonen zu vereinheitlichen. Der chinesische Standard sieht vor, dass alle Handys, egal von welchem Hersteller, mit demselben Ladegerät per USB aufgeladen werden können.
USB? Wird das in China auch für was anderes verwendet? Weil ich mag meine Handies nicht am PC aufladen müssen.

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Das was ich jetzt hier poste, passt auch in den Polit- Thread. Der Politthread ist schon so voll und generell nicht sehr spezifisch:

orf.at
Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments will dem Etat des EU-Chefdiplomaten Javier Solana die Zustimmung verweigern.
Der Vorsitzende des Ausschusses, der Österreicher Herbert Bösch (SPÖ), sagte "Spiegel Online" die Abgeordneten hätten Hinweise auf "schwarze Kassen" gefunden, die außerhalb des offiziellen Budgets geführt würden.
Mit Hinweis auf eine Abmachung aus dem Jahre 1970 verwehrt Solana, Generalsekretär des EU-Rates und zugleich "Hoher Vertreter der Außen- und Sicherheitspolitik Europas", dem Parlament Einsicht in seine Kassenbücher.

"Wir haben gesucht, aber kein derartiges Abkommen gefunden", sagte Bösch "Spiegel Online". Deshalb wolle sein Ausschuss "dem Etat des EU-Ministerrats erst einmal keine Entlastung erteilen".
Vorher hätten etliche EU-Regierungen massiven Druck auf Abgeordnete ausgeübt, erklärten Parlamentarier "Spiegel Online". Offenbar gehe es darum, zwei Monate vor den Europawahlen einen öffentlichen Eklat zu verhindern.
Last edited by dejost on 23 Apr 2009, 17:37, edited 1 time in total.

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derstandard.at:
Bei der Europawahl am 7. Juni droht in Österreich aber auch in anderen EU-Ländern eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Wie aus einer der APA vorliegenden unveröffentlichten Eurobarometer-Umfrage im Auftrag des Europaparlaments hervorgeht, gaben EU-weit nur 34 Prozent der Befragten an, dass sie wahrscheinlich zur Wahl gehen werden. In Österreich erklärte nur jeder Fünfte (21 Prozent), wahrscheinlich an dem Urnengang teilzunehmen.
Damit liegt die deklarierte Wahlbereitschaft in Österreich am untersten Ende der Skala in der EU. Nur in Polen gaben noch weniger Befragte (13 Prozent) an, sie würden wahrscheinlich zur EU-Wahl gehen. Am höchsten ist die Bereitschaft in Belgien, wo 70 Prozent wählen wollen. Allerdings herrscht in Belgien auch Wahlpflicht. Für die Umfrage wurden 27.218 Bürger von Mitte Jänner bis Mitte Februar in den 27 EU-Staaten befragt.
Da lag ich wohl falsch, ich hätte nämlich immer gedacht, durch die Weltwirtschaftskrise ist die EU beliebter und interessanter geworden. Wie falsch zeigt sich hier:
Das Vertrauen in die EU-Institutionen ist im Laufe der Wirtschaftskrise deutlich weiter gesunken, wie aus der Umfrage hervorgeht. Nur noch 45 Prozent der Befragten gaben an, Vertrauen in das Europäische Parlament zu haben, im Herbst waren es noch 51 Prozent.
Das Interesse der Österreicher an der EU-Wahl ist über die Jahre drastisch gesunken: Von 67,73 Prozent im Jahr 1996 über 49,40 Prozent 1999 auf zuletzt nur mehr 42,43 Prozent.
PS: Wollen wir doch die beiden EU-Threads zusammenlegen? Was meint ihr?

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Dejo wrote:Wollen wir doch die beiden EU-Threads zusammenlegen?
Gerne, ich hatte damals bei der Threaderstellung den anderen nicht gekannt. Vorschlag: die Beiträge aus "EU" hier reinkopieren (da hier prägnanterer Titel), anschließend hiesigen Thread in den Blogbereich verschieben. Oder ist er hier eh besser aufgehoben?

Liebe Grüße, der Alchemist
Gnothi seauton. Kai genoio, hoios essi.

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Yay Eu-Parlament!
orf.at wrote:Der Industrieausschuss des EU-Parlaments hat überraschend den Richtervorbehalt bei Netzsperren wieder auf die Agenda der Verhandlungen über das Telekompaket gehoben. Das Parlament erteilte damit den Netzsperrplänen der französischen Regierung eine klare Absage.

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dejost
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Post by dejost »

Es gibt das schon für Flugzeug (hat neuerdings mein Arbeitgeber bekommen, weil mein Flug nach Bruxelles gecancelt wurde) und für Züge auch. Jetzt kommt es auch für Bus und Schiff:

orf.at:
Künftig sollen auch Bus- und Schiffsreisende in der EU bei erheblichen Verspätungen entschädigt werden. Das Europaparlament hat den entsprechenden Vorschlägen der EU-Kommission in erster Lesung zugestimmt. Außerdem soll der Zugang zu diesen Verkehrsmitteln für Behinderte verbessert werden.

PS: Das mit den Zügen wusste ich selbst nicht. Weiß wer, wie das funktioniert?

harald
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@Züge: Ich such es dir bei Glegnheit im Büro raus, dort liegt es nämlich, da ich das für nen Mitarbeiter kopiert hab, der sich ständig über die ÖBB beschwert. :wink:
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Der Alchemist
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ORF.at wrote:Tschechien: Präsident blockiert EU-Vertrag

Trotz der Zustimmung des tschechischen Senats zum EU-Reformvertrag hat der tschechische Präsident Vaclav Klaus vorerst nicht vor, das Dokument zu beurkunden. Klaus will erst eine mögliche Verfassungsklage abwarten. Eine Gruppe von Senatoren der konservativen ODS hatte eine solche Klage in Aussicht gestellt. Sollte es dazu kommen, werde er über die Ratifizierung oder Nichtratifizierung erst dann nachdenken, wenn der Verfassungsgerichtshof entschieden habe, erklärte Klaus heute Nachmittag.

Über das Votum der oberen Kammer zeigte er sich "enttäuscht". "Der Lissabon-Vertrag ist in diesem Moment tot, weil er in einem EU-Mitgliedsland in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde. Deswegen steht für mich die Entscheidung über die Ratifizierung des Vertrages zunächst nicht auf der Tagesordnung", so Klaus. Mit ihrer Zustimmung hätten sich einige Senatoren "mit dem Rücken zu den langfristigen Interessen Tschechiens gestellt", so das Staatsoberhaupt. Das Votum im Senat sei ein "sehr trauriger Beleg für ein weiteres Versagen eines bedeutenden Teils unserer politischen Eliten", das man bereits aus der tschechischen Geschichte kenne.

Der tschechische Senat hatte heute Nachmittag dem EU-Reformvertrag zugestimmt. Für die Ratifizierung des Dokuments votierten 54 Senatoren, während 20 dagegen waren. Erforderlich war eine Verfassungsmehrheit (drei Fünftel) der anwesenden Mitglieder der 81-köpfigen zweiten Parlamentskammer.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso begrüßte zunächst die Zustimmung. "Das ist eine sehr gute Nachricht", hieß es in einer Erklärung Barrosos in Brüssel. "Ich bin sehr glücklich über die Zustimmung des tschechischen Senats, mit dem der parlamentarische Ratifizierungsprozess in der Tschechischen Republik abgeschlossen wird."

Die Entscheidung zeige das tschechische Interesse an einer demokratischeren, effizienteren und besser zusammenhaltenden Europäischen Union. Barroso erklärte, er hoffe, dass die noch ausstehenden verfassungsmäßigen Entscheidungen in Tschechien und in anderen EU-Staaten "so rasch wie möglich abgeschlossen werden".
Gnothi seauton. Kai genoio, hoios essi.

harald
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Wie versprochen die Bahngeschichte, habs jetzt nur mal von der Homepage des europäischen Parlaments:

http://www.europarl.europa.eu/sides/get ... 23IPR09782

In dem Zusammenhang sei auch das Infoangebot der AK genannt:

http://wien.arbeiterkammer.at/online/re ... 36539.html
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So wie es jetzt aussieht wird José Manuel Barroso auch künftig den Kommissionspräsidenten spielen. Laut Faymann ein "Mann des Ausgleichs". Genau hier ist aber auch das Problem: B ist farblos, er hat kein wirkliches Programm, und zum charismatischen "Mister Europa" fehlt ihm so Einiges. Aber klarerweise, für nationale Regierungen sind zurückhaltende Kompromissler natürlich interessanter als Zukunftsgestalter mit Leidenschaft und eigenem Profil.
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harald wrote:Wie versprochen die Bahngeschichte, habs jetzt nur mal von der Homepage des europäischen Parlaments:

http://www.europarl.europa.eu/sides/get ... 23IPR09782

In dem Zusammenhang sei auch das Infoangebot der AK genannt:

http://wien.arbeiterkammer.at/online/re ... 36539.html
Und jetzt nun auch die Fundstelle der VO selbst, hab den Zettel wieder gefunden, wo ich die Fundstelle notiert hatte:

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 041:DE:PDF

Fahrgastrechte-VO Eisenbahnverkehr VO (EG) 2007/1371 ABl L 2007/315, 14

Inkrafttreten steht als Hinweis bei mir: 04.12.2008
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Post by dejost »

Der Alchemist wrote:So wie es jetzt aussieht wird José Manuel Barroso auch künftig den Kommissionspräsidenten spielen. Laut Faymann ein "Mann des Ausgleichs". Genau hier ist aber auch das Problem: B ist farblos, er hat kein wirkliches Programm, und zum charismatischen "Mister Europa" fehlt ihm so Einiges. Aber klarerweise, für nationale Regierungen sind zurückhaltende Kompromissler natürlich interessanter als Zukunftsgestalter mit Leidenschaft und eigenem Profil.
Ich muss ja zugeben, aufgrund meiner gegenwärtigen beruflichen Situation habe ich nicht die Zeit, mich im Detail mit Hintergründen odgl zu befassen. Daher kopiere ich jetzt einfach mal aus dem Standard:
http://derstandard.at/1252037079787/Kue ... -Papstwahl
Die Sozialdemokraten sind jetzt für Barroso. Nicht wirklich, aber irgendwie doch. Sie haben den EU-Kommissionspräsidenten zwar monatelang als markthörigen Neoliberalen angegriffen, doch nun hat er versprochen, künftig ein bisserl sozialer zu sein. Was der Portugiese genau zugesagt hat, weiß man nicht; außer, dass für die Roten ein prominenter Posten herausschauen wird. Also werden sie Barroso im Europaparlament wählen - zumindest beinahe. Das Gros der Sozialdemokraten wird sich wohl der Stimme enthalten. Was aufs Gleiche hinausläuft.

Für den durchschnittlichen Politikkonsumenten ist die Kür des Kommissionspräsidenten ungefähr so durchsichtig wie die Papstwahl im Vatikan. Viele werden sich bei den nächsten Europawahlen fragen, was ihre Stimme eigentlich bewirkt - und auf den Gang zur Urne pfeifen.

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http://derstandard.at/1252771424100/Bar ... -Migration
Gestern, Dienstag, kündigte er den Abgeordneten in Straßburg eine enge Zusammenarbeit mit dem Parlament an und warnte vor der Gefahr eines "ekligen Nationalismus" .
Barroso will zudem den neuen Posten eines Klimakommissars schaffen. Außerdem will er einen eigenen Kommissar für Justiz, Grundrechte und bürgerliche Freiheiten (Menschenrechtskommissar) und einen "Migrationskommissar" einführen, der auch die Solidarität der EU-Staaten in diesem Bereich stärken soll.
Ich hab's ja schon mal gesagt, ich kenne mich nicht aus und beschäftige mich zu wenig damit.
Aber dass es zu keinem dieser 3 Bereich einen eigenen Kommissar gab - wo es doch nun wirklich schon mehr als genug gibt... weiß gar nicht was ich sagen soll.

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Bitte am besten den Justizkommissar mit einem Franzosen besetzen! Dann haben wir HADOPI und dergleichen noch schneller auf EU Ebene! :evil: Strache soll Migrationskommissar werden, dann sind wir ihn los!
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Ne, Strache wird ja Wiener Bürgermeister. Besser wir entsenden Darabos als Verteidigungskommissar ... :P
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Post by dejost »

Die Iren haben jetzt bei der 2. Abstimmung mit ca 2/3 Ja gesagt, was wesentlich deutlich war, als erwartet.

Nun sind letztlich nur mehr die englischen Torries (Cameron) und der tschechische Präsident Klaus dagegen. Letzterer fordert nun eine Fußnote im Vertrag, wobei den Medien nicht bekannt ist, was da drinnen stehen soll.

In Österreich hat Faymann die Forderung nach einer Volksabstimmung bekräftigt.

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Post by dejost »

Wohin Europa geht, weiß ich auch nicht.

Aber seit heute wissen wir alle, wer nach Europa geht:

Johannes "Gio" Hahn

Vorausgeschickt sei, dass meiner Meinung nach, wenn jemand "nach Brüssel" geschickt wird und der europäische Gedanke mehrheitlich ernst genommen wird, nur ein ausgewiesener Experte geschickt werden sollte, wo es heißt "Wieso geht er/sie? Wir brauchen ihn doch hier".

Von den ersten Reaktionen, auch der Parteifreunde des Erkorenen habe ich diesen Eindruck nicht.

Lassen wir - quasi zum Abschied - die letzten Ereignisse in Hahns Ministerschaft Revue passieren:

E- Voting
Nun, ich bin ja bekanntlich ziemlich dagegen, daher bloß ein paar Fakten
Es hat recht viel gekostet, es hat keine nennenswerte Wahlbeteiligungserhöhung gebracht, es haben nur wenige Studierende verwendet, die ÖH selbst war dagegen, aber es hat trotz mannigfaltiger Probleme doch halbwegs funktioniert

Cern
Da kenne ich mich nicht aus. Jedenfalls wollte Hahn aussteigen, es geschah dann jedoch nicht

Uni
Hahn hat immer klipp und klar gesagt, für ihn liegt die Lösung - stark verkürzt ausgedrückt - in Studiengebühren, Studieneingangsphasen und Zugangsbeschränkungen (ab Master). Er hat die Unis in einer schwierigen Zeit übernommen. In der immer noch stattfindenden Besetzung des Audi Max der Uni Wien hat er sich eher durch Ignoranz hervorgetan, zB in dem er gesagt hat die ÖH sei nicht auf ihn zugegangen - nur hat die ÖH mit der Besetzung halt nicht viel zu tun, lediglich nachdem sie passiert ist, hat sie sich solidarisch gezeigt.

Wiener Bürgermeister
Den Anspruch, Wiener Bürgermeister nach der Wahl Okt 2010 zu werden, musste er zurücknehmen, da ihm FPÖ und Grüne ausgerichtet haben, dass sie ihn nicht untersstützen.
Bin gespannt wer jetzt SpitzenkandidatIn in Wien wird.

Achja, gerüchteweise wird jetzt Brauneder als unabhängiger Kandidat Wissenschaftsminister. Andere Gerüchte sprechen von Badelt.
Childerich von Bartenbruch wrote:"Hahn ist als EU-Forschungskommissar im Gespräch"
das ist also noch nicht sicher? was wurde aus prölls gebetsmühlenartiger beteuerung, dass es "zunächst ums ressort, erst dann um die person ginge"?

gelogen wurde in der politik wohl immer schon, aber diese unverfrorenheit, mit der heute das gegenteil von dem behauptet wird, was alle wissen, ist einfach entsetzlich.
Ein pietätloses Posting wrote: Das ist unser Österreich.

Hier wird nicht zurückgetreten sondern befördert.
f l o wrote:die spö nominiert eine övp-kandidatin, kann sich damit aber nicht gegen die övp durchsetzen, die einen övp-kandidaten vorschlägt. als kompromiss einigt man sich auf einen övp-kandidaten.

aber immerhin: die spö bekommt einen övp-kommissar, ganz wie sie das wollte. und da soll noch mal jemand sagen, die roten können sich nicht durchsetzen!

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Ich hab Stöger oder Badelt gerüchteweise gehört. Die Frage wär nur: wer käme dann im Gesundheitsressort nach?
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harald wrote:Ich hab Stöger oder Badelt gerüchteweise gehört. Die Frage wär nur: wer käme dann im Gesundheitsressort nach?
Ich halte Brauneder auch für ausgeschlossen, allerdings wurde der unabhängig voneinander ernsthaft mehrmals genannt.

Lustig, Stöger wurde sonst immer als Rücktrittskandidat gehandhabt (abgesehen von der Kanzlerattrape),.

ORF und Standard nennen jetzt jedenfalls Karl, Brinek und Cortolezis-Schlager sowie die mir Unbekannten Henrietta Egerth und Kristina Edlinger-Ploder.

Auch wurde gemutmaßt, dass nicht zu schnell nachnominiert wird, nicht zuletzt wegen der Besetzung. Aber all das gehört eigentlich in den Polit- Thread bzw in einen hinkünftigen Wien-Wahl-Thread.

Wir sollten eigentlich über das Ressort und die zukünftige Kommission diskutieren.

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Post by dejost »

Die Vorgeschichte von Hahns Kommissarswerdung ist nicht ganz optimal.

Leider hat Hahn auch gleich als eine seine ersten Äußerungen - abgesehen von den angebrachten Äußerungen hinsichtlich Dank, Freude etc - gesagt er will auch ÖVP- Chef in Wien bleiben.
Völlig ungeachtet, dass das ein eher eigenartiges Licht auf die Wichtigkeit der Wiener ÖVP bzw deren Chefposten wirft, geht das halt leider nicht.

Denn, wir erinnern uns, in den 1990ern gab es da so ein bissi einen Korruptionsskandal in der Kommission (Fischler, sei angemerkt, war eines der Mitglieder der Kommission, welches nicht involviert war und nachher wieder Kommissar wurde) und seit dem sind die da eher streng.
Was sie leider dem Hahn über die Medien ausrichten mussten, nachdem er das mit dem Wiener ÖVP gesagt hat.

Ich gehe mal davon aus, dass Benita Ferrero-W ihre Arbeit in Brüssel nicht schlecht gemacht hat, sonst hätte man davon gehört.

Trotzdem, wieso hat man nicht die Plassnik geschickt? Die ist vergleichsweise frei von Skandalen (zumindest habe ich nirgends gelesen, dass ihre Diss sehr schlecht sei, wobei sie wahrscheinlich keine schreiben musste...) und dass sie eine profilierte Außenpolitikerin ist, kann man kaum bestreiten. Die SPÖ wird vielleicht nicht so auf sie stehen, weil sie gesagt hat, sie will nicht mehr ins Außenministerium wegen der neuen EU-Linie, aber immerhin war das vergleichsweise sachliche Kritik, das sollte die SPÖ vertragen können. Vor Mitte der 1990er galt sie überhaupt als SPÖ nah. In die Medien drängt sie sich normalerweise auch nicht.

Soweit ich weiß sitzt sie momentan im Nationalrat, wo ich allerdings noch nie was von ihr während dieser Legislaturperiode gehört habe.

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harald wrote:
harald wrote:Wie versprochen die Bahngeschichte, habs jetzt nur mal von der Homepage des europäischen Parlaments:

http://www.europarl.europa.eu/sides/get ... 23IPR09782

In dem Zusammenhang sei auch das Infoangebot der AK genannt:

http://wien.arbeiterkammer.at/online/re ... 36539.html
Und jetzt nun auch die Fundstelle der VO selbst, hab den Zettel wieder gefunden, wo ich die Fundstelle notiert hatte:

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 041:DE:PDF

Fahrgastrechte-VO Eisenbahnverkehr VO (EG) 2007/1371 ABl L 2007/315, 14

Inkrafttreten steht als Hinweis bei mir: 04.12.2008
So, die Bahn ist nun mittels bundesgesetzlicher Umsetzung verpflichtet Entschädigungen zu zahlen, wenn es Verspätungen in einem bestimmten, im Vorhinein festzulegenden Ausmaß gibt:
Titel: "Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr"
Fundstelle: BGBl. I Nr. 25/2010
Das Gesetz legt nur die Rahmenbedingungen der Verspätungszahlungen fest, die Höhe ist teilweise detailliert vom Eisenbahnunternehmen, auch im vorhinein, festzulegen!

Details gibts hier:

http://www.oebb.at/pv/de/Rund_ums_Reise ... /index.jsp

Sollte ich das auch im Verspätungsthread posten? :roll:
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Die EU hat die autofahrenden Konsumenten wiederentdeckt. Allein, dass die Autobranche die Geschichte "grundsätzlich" gut findet, finde ich seltsam. Hab ich Verfolgungswahn?
Neue Wettbewerbsregeln für Werkstätten: EU senkt Preise für Autos und Reparaturen
•Kommission will niedrigere Vertriebskosten erreichen
•Kunde hat mehr Auswahl geben und besseren Service

In der gesamten EU sollen Neufahrzeuge und Autoreparaturen billiger werden. Die EU-Kommission hat dafür die Wettbewerbsregeln für den Autohandel und Werkstätten gelockert und will für mehr Konkurrenz auf dem Markt sorgen. Beim Autoverkauf werden die strikten Vorgaben für Händler aufgehoben, so dass deren Vertriebskosten sinken.

Bei Reparaturen stärkt die Kommission freie Werkstätten. Sie können künftig Ersatzteile anderer Anbieter einbauen und auf technische Informationen der Hersteller zugreifen. Alle Einsparungen sollen die Unternehmen direkt an die Kunden weitergeben.

"Die Preise werden sinken, es wird mehr Auswahl geben und der Service wird besser werden", sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. In den vergangenen Jahren seien Reparaturen immer teurer geworden.

40 Prozent für Wartung und Instandhaltung
Nach Angaben der Kommission machen Wartung und Instandhaltung 40 Prozent der Gesamtausgaben eines Autobesitzers für seinen Wagen aus. "Ein Auto ist eine teure Angelegenheit, die teuerste, die wir besitzen - abgesehen von einem Haus", sagte der Kommissar. Hersteller dürfen künftig ihre Garantien nicht mehr davon abhängig machen, dass Ölwechsel oder andere Arbeiten nur in Vertragswerkstätten erledigt werden.

Beim Vertrieb hebt die Kommission EU-Vorgaben von 2002 wieder auf. Um den Wettbewerb zu stärken, hatte Brüssel seit 2002 Händler mit mehreren Marken ("Autosupermärkte") zugelassen. Der Effekt war laut Kommission aber negativ, weil die Hersteller die Händler mit engen Vorgaben beispielsweise für die Marken-Präsentation knebelten und die Vertriebskosten stiegen. Künftig können Autobauer ihren Händlern wieder vorschreiben, nur eine Marke zu verkaufen.

"Wir werden keine besonderen Anreize für den Mehrmarkenvertrieb geben", sagte Almunia. Der Wettbewerb auf diesem Feld sei hart, zudem nähmen die Autobauer den Vertrieb häufig selbst in die Hand. Die EU-Kommission setzt sich damit über Bedenken aus dem EU-Parlament hinweg, das fürchtet, die Einschränkung des Mehrmarkenvertriebs bedrohe Händler in ländlichen Regionen.

Gültig ab 1. Juni
Die Vorgaben für Werkstätten treten bereits am 1. Juni in Kraft. Die Liberalisierung des Kfz-Handels tritt nach einer Übergangsphase 2013 in Kraft. Das gesamte Regelwerk wird bis 2023 gelten.

Der Beschluss wurde von der europäischen Autobranche grundsätzlich begrüßt, allerdings gibt es auch Vorbehalte. Der Internationale Automobil-Verband FIA forderte von der EU-Kommission eine laufende Überwachung der neuen Regeln: "Wettbewerb in solch einem wirtschaftlich und technologisch sensiblen Bereich muss fortwährend kontrolliert werden."

(apa/red)
http://www.news.at/articles/1021/30/269 ... eparaturen
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Rat hat in erster Lesung Vorschläge zur Stärkung der Fahrgastrechte für Bus- und Schiffsreisende angenommen:

Presseaussendung:
http://www.consilium.europa.eu/App/News ... 113296.pdf

Schiffe:
http://register.consilium.europa.eu/pdf ... 9.en09.pdf

Busse:
http://register.consilium.europa.eu/pdf ... 8.en10.pdf
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Zu hohe Handyrechnungen im Ausland - so nicht!

Betreiber müssen eine monatliche Kostenobergrenze von € 50 anbieten (seit 1. März 2010). Hat man sich für keine andere entschieden, gilt diese fix ab 1. Juli 2010. Bei erreichen der 80% Grenze ist eine Warnmeldung verpflichtend.

Neuer Maximalpreis beim Herunterladen von Daten: € 1/MB!

http://ec.europa.eu/information_society ... dex_en.htm
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Interbankentgelte bei Einkäufen mit Kreditkarte - diese wurden und werden von den Banken auf die Händler überwälzt - wurden seitens Visa und Mastercard auf höchstens 0,2% des Endpreises beschränkt.

Die Kommission hatte nämlich zuvor einen Verstoß gegen das Kartellverbot darin erblickt. Nach Zustimmung der anderen Marktteilnehmer wurden die Zusagen gem. Art 9 VO 1/2003 für verbindlich erklärt.
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Fast verpasst hätte ich die Genehmigung der Beihilfen, die der AUA im Zuge ihrer Übernahme durch die Lufthansa gewährt wurden.

Diese erfolgte mit ABl L 56/10, 1.

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex ... 038:DE:PDF

Die Kommission hat sich bei den Auflagen nicht Lumpen lassen.

Interessante Aussage:
Die Austrian Airlines haben in der
Vergangenheit Verlust gemacht, machen derzeit Verlust
und werden auch mittelfristig Verlust machen, so dass
sie ihre Kostenbasis verringern und Kapazitäten in nicht
profitablen Segmenten der von ihnen bedienten Märkte
einstellen oder vermindern sollten.
Schau, schau!

Außerdem hält die AUA 51 % der Anteile an der Schedule Coordination Austria GmbH (SCA) (=Flugplanvermittler). Die Anteile sind auf 25% zu senken.

Und die abschließende Mahnung gefällt mir besonders gut:
Die Kommission erinnert daran, dass gemäß der Entscheidung
über die Rettungsbeihilfe vom 19. Januar
2009 die Rettungsbeihilfe (die in Form einer 100 %igen
Bürgschaft für ein Darlehen über 200 Mio. EUR gewährt
wurde) eingestellt wird, wenn die Kommission einen endgültigen
Standpunkt (im Wege der Annahme der vorliegenden
Entscheidung) zu dem von den österreichischen
Behörden notifizierten Verkaufsverfahren/Umstrukturierungsplan
eingenommen hat.
(341) Außerdem hat die Republik Österreich zugesagt, den
Austrian Airlines oder einem Bestandteil der Unternehmensgruppe
Austrian Airlines innerhalb von zehn Jahren
nach dem Zeitpunkt der Gewährung der Rettungsbeihilfe
oder dem Ende des Umstrukturierungszeitraums keine
weiteren Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen zu
gewähren
Es lebe die AUA ... ähm, Lufthansa!
--Harald
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Post by dejost »

orf.at wrote:Der Anteil der EU-Befürworter ist auf 49 Prozent zurückgegangen, in Österreich sogar auf 36 Prozent. Das geht aus einer heute veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage hervor. Bezogen auf die gesamte EU ist das der niedrigste Wert seit 2004.

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http://derstandard.at/1284594405275/Gip ... iert-Eklat
Die Kritik der EU-Kommission an der französischen Praxis der Abschiebung von Roma führte am Donnerstag zu einem Eklat. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verlangte von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Distanzierung von Grundrechtekommissarin Viviane Reding. Barroso wies dies in einem Wortgefecht vor den Staats- und Regierungschefs zurück. "Die Kommission hat Frankreich beleidigt", sagte Sarkozy. Diplomaten berichteten, Sarkozy sei "nicht nur sauer, sondern stinksauer" gewesen. Er habe versucht, die Kritik an Reding vor die Roma-Frage zu schieben. Barroso widersprach und verwies auf das Recht und die Pflicht seiner Behörde, gegen mögliche Verstöße gegen EU-Recht vorzugehen.

Rückendeckung für die Kommission kam von Bundeskanzler Werner Faymann: "Die Kommission ist Hüterin der Verträge und hat darüber zu entscheiden, ob es sich um Vertragsverletzung handelt oder nicht." Das gelte "für Frankreich genauso wie für kleinere Länder. Da kann es nicht zwei verschiedene Größen geben." Paris hatte erklärt, so behandle man keinen großen Staat.

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Ich empfehle den Besuch folgender Seite:

http://www.we-change-europe.eu/

Worum gehts? Die aktive Teilnahme der Wähler an der EU stimulieren! Über diese Seite wird auch versucht werden, das neue Bürgerpetitionsrecht der EU verständlich und zugänglich zu machen!

Ich finds gut, bin gespannt, ob es auch erfolgreich sein wird. :roll:
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http://derstandard.at/1289608616017/Ekl ... -verwiesen
Gleich zu Beginn der Sitzung des EU-Parlaments am Mittwoch in Straßburg ist es zu einem Eklat gekommen. Der britische euroskeptische EU-Abgeordnete Godfrey Bloom von der United Kingdom Independence Party (UKIP) wurde des Saals verwiesen, weil er sich weigerte, sich für den Ausruf "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" zu entschuldigen. Bloom hatte den Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz, unterbrochen und den Nazi-Sager von sich gegeben.
Godfrey Bloom löste den Aufruhr während einer Rede des Vorsitzenden der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, aus. Schulz hatte bei einer Debatte über die Eurozone und die Probleme rund um Irland mehr Zusammenarbeit in der EU gefordert, woraufhin ihm Bloom die Worte "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" entgegenhielt.
Nachdem Parlamentspräsident Jerzy Buzek den britischen Abgeordneten vergeblich um eine Entschuldigung bat - er meinte sogar, der "Standpunkt von Schulz spricht für sich selbst. Er ist ein undemokratischer Faschist" - forderte Buzek Bloom auf, den Saal zu verlassen.
Die FPÖ hat den Saalverweis eines EU-skeptischen britischen Parlamentariers wegen eines NS-Sagers am Mittwoch im Europaparlament als "antidemokratische Abrechnung" kritisiert. "Die heutige Abstimmungsstunde im Europäischen Parlament wurde gegen alle geltenden Regeln dazu missbraucht, einen politischen Nonkonformisten wegen eines Zwischenrufs von den Abstimmungen auszuschließen." Dies habe wieder einmal eindrucksvoll bestätigt, welcher Geist heute in der Europäischen Union vorherrsche, erklärte der freiheitliche Delegationsleiter Andreas Mölzer in einer Aussendung.
Welcher Geist bei Hrn Mölzer vorherrscht, hat sich damit ebenso eindrucksvoll bestätigt.

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EuGH untersagt geschlechtsabhängige Versicherungstarife

Versicherungen müssen ab Ende 2012 einheitliche Tarife für Frauen und Männer anbieten. Unterschiedliche hohe Prämien und Leistungen stellen nämlich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) eine unzulässige Diskriminierung dar.

Die Antidiskriminierungs-Richtlinie (RL 2004/113/EG vom 13.12.2004) untersagt grundsätzlich jegliche Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. In Art. 5 Abs 2 der RL ist allerdings vorgesehen, dass unter gewissen Voraussetzungen unterschiedliche Prämien und Leistungen bei Versicherungen möglich seien.

Der EUGH sieht die Gefahr, dass diese Ausnahmebestimmung von der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen im Versicherungsbereich unbefristet zulässig sein kann. Dies würde der Verwirklichung des Zieles der Gleichbehandlung zuwiderlaufen. Die Ausnahmebestimmung in Art. 5 ist daher mit Wirkung vom 21.12.2012 ungültig.

Versicherungen müssen daher spätestens mit Ende 2012 neue "unisex-Tarife" anbieten. Dies wird bei Neuverträgen in jenen Versicherungssparten Änderungen bringen, in denen bisher auf Grund des für das jeweilige Geschlecht unterschiedlichen Risikos verschieden hohe Prämien vorgeschrieben wurden. Bei bestehenden Vertägen ist keine Änderung zu erwarten.

Die Unisex Tarife werden für Frauen und Männer je nach Versicherungssparte Anpassungen bringen: Was bisher für ein Geschlecht billiger war, dürfte durch die Angleichung teurer werden und umgekehrt.

Bisher zahlten Frauen etwa bei Ablebens- bzw.- Er- und Ablebensversicherungen geringere Prämien als Männer, bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen hingegen höhere Prämien. Auch bei Unfall- und Kfz Versicherungen waren die Prämien für Frauen bisher eher günstiger.

Mit den neuen Tarifen sollten für Frauen daher Ablebens- bzw.- Er- und Ablebensversicherungen teurer werden, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen hingegen billiger. Für Männer verhält es sich genau umgekehrt: Für sie sollten mit den neuen Tarifen also etwa Ablebens- bzw.- Er- und Ablebensversicherungen billiger werden.

EuGH 1.3.2011 RS C-236/09
Quelle: http://verbraucherrecht.at/cms/index.ph ... news]=2454
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harald
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Post by harald »

Ab 01.01.2011 gibts eine neues Euro Mitgliedsland: Estland.

Der Beitrittszeitpunkt wurde ideal gewählt, denn die derzeitigen Rettungsschirmzahlungen treffen Estland damit nicht (die Slowakie hatte da ja eine Sondervereinbarung). Sonst hätten sie 9,2% des BIP leisten dürfen (vgl. Luxemburg 3,3% des BIP).
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harald
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Post by harald »

Und es passieren noch weitere Zeichen der Wunder:

Ein Gemeinschaftspatent dürfte jetzt endlich in greifbarer Nähe sein. Laut wbl dauern die Bemühungen schon !40! Jahre an. Immerhin sind schon 25 Staaten daran interessiert.

Hier noch das entsprechende Schriftstück: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/c ... 119732.pdf
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harald
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Post by harald »

Und die Fahrgastrechtereglungen werden auch immer dichter:

Die Fahrgastrechte im Omnibusverkehr werde wahrscheinlich noch vor dem Sommer veröffentlicht. Umsetzungsfrist 2 Jahre.

Siehe: http://www.airpassengerrights.eu/de/kom ... rkehr.html
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harald
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Post by harald »

EuGH erteilt Gutachten über Europäisches Patentgericht:

Es ist mit den Bestimmungen des EUV und AEUV nicht vereinbar, da es den Gerichten der MS ihre Zuständigkeit als ordentliche Unionsgerichte nehmen würde.

Quelle: EuGH 18.03.2011, Gutachten 1/09 (Entwurf für ein Gericht für Europäische Patente und Gemeinschaftspatente)
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Der Alchemist
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Post by Der Alchemist »

Innereuropäische Diplomatie ... :o

http://orf.at/stories/2069223/
"Wer erinnert sich nicht daran, als ein ehemaliger französischer Botschafter Israel als 'beschissenes kleines Land' bezeichnete. Das waren verabscheuungswürdige und unfaire Worte. Wenn aber heute jemand Österreich derart charakterisierte, wäre das weder allzu verabscheuungswürdig oder zu unfair. Nach dieser Sauerei ist dies sogar ziemlich zutreffend"
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dejost
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Post by dejost »

Ich hab ja das Eurobarometer abonniert, und ich kann's empfehlen.
http://ec.europa.eu/public_opinion/

Es gibt nämlich immer ein executive summary.

Bei manchen Ergebnisse greift man sich jedoch an die Stirn: :doh
Friends, family and colleagues remain the most popular sources of information, [for citizens right in the internal market, more popular than official information eg on the website]
EU citizens have limited understanding of where to learn more about their rights under the Internal Market.
Im Hinblick auf das obige Ergebnis darf das nicht verwundern.
Over two-thirds of EU citizens (68%) believe that companies from their country should be able to compete for contracts anywhere in the world, though only 55% think all foreign companies should be allowed to compete in their country.
Auch über die Heimat kann man immer wieder was lernen:
Two-thirds (64%) of EU citizens are happy to be treated by a doctor from anywhere in the EU, although this ranges from 82% in Malta down to just 33% in Austria.
Almost one in three citizens (28%) would consider working in another Member State in the future although this ranges from 71% in Sweden and 46% in Finland down to 15% in Austria and 13% in Cyprus.
The idea that a company’s nationality is important in awarding public contracts is most prevalent in Ireland (29% agree) and Austria (27%). But in countries such as Sweden (7%) and Luxembourg (11%), fewer people think nationality is relevant.

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Post by dejost »

http://futurezone.at/netzpolitik/5200-n ... eamten.php
Anfang September hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments beschlossen, die Einführung von Nacktscannern, die reale Abbildungen von Menschen anzeigen, zu erlauben. Das geschah aufgrund von einer Intervention der EU-Kommission (die futurezone hat berichtet) und kam relativ überraschend, da es zuvor eine Einigung gegeben hatte, die besagt hat, dass nur Piktogramme zugelassen werden. Relativ rasch wurden Vorwürfe laut, dass es sich hierbei um reinen Lobbyismus gehandelt hat.

Der unabhängige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser hat nun aufgedeckt, wie es tatsächlich zu diesen „Interventionen“ seitens der EU-Kommission gekommen sein könnte. Dazu ist wichtig zu wissen, dass es beim Geschäft mit den Körperscannern derzeit wenige Anbieter am Markt gibt und es sich um einen Milliardenmarkt handelt. Die Anschaffungskosten für ein einziges Gerät betragen etwa 120.000 Euro.
Derzeit bietet der US-Konzern L3 Communications (der übrigens auch Streubomben herstellt) als einziger Konzern eine Lösung an, bei der der durchleuchtete Mensch als Piktogramm angezeigt wird. Der Mensch ist dabei höchstens als „Strichmännchen“ erkennbar. Die EU-Kommission sieht darin, dass der Konzern derzeit ein Monopol hat, eine „Wettbewerbsverzerrung“.
Mit Magnus Ovilius holte sich die Smith Group Ende des Jahres 2008 einen ehemaligen für die Anti-Terror-Politik verantwortlichen Beamten von der EU-Kommission ins Boot. Der EU-Beamte wechselte zur Smith Group, um dort als „Vice President Government Relations“ ein Europabüro in Brüssel aufzubauen.
Ehrenhauser stellt nun folgende Zusammenhänge her: "Man kann wohl kaum von einem Zufall ausgehen, wenn genau jener Produzent, der sich einen EU-Beamten als Cheflobbyisten kauft, auch das erfolgreichste Lobbying betreibt.“ Der von Ehrenhauser als "klassischer Fall von Drehtürlobbyismus" bezeichnete Wechsel ereignete sich zufällig genau zu dem Zeitpunkt, als die EU-Kommission eine Konsultation über die Auswirkungen des Einsatzes von Nacktscannern gestartet hat und die EU-Regulierungsbestrebungen ihren Anfang genommen haben.

Der EU-Politiker hat am Mittwoch dazu eine parlamentarische Anfrage (PDF) an die EU-Kommission eingereicht. Darin fordert er eine Aufklärung seitens der EU-Kommission, wie oft der erst seit September 2011 im EU-Lobbyregister eingetragene Schwede seit seinem Ausscheiden aus der Kommission seine ehemaligen Kollegen traf, um die Interessen seines neuen Arbeitgebers zu vertreten und in welcher Funktion und bis wann Ovilius zuletzt bei der EU-Kommission tätig war.
Am Donnerstag gab es erneut eine Debatte im Europäischen Parlament zum Einsatz von Nacktscannern an europäischen Flughäfen. Diese zeigte die gespaltene Stimmung der Parlamentarier bei dieser Thematik. Ein Mitentscheidungsrecht darüber, welche Scanner-Typen zum Einsatz kommen, hat es nicht. Es kann nur noch für oder gegen die Regeln für den Einsatz von Nacktscannern stimmen.

Ehrenhauser sieht in den Nacktscannern ein „Placebo“. „Sie bekämpfen das Problem nicht bei den Wurzeln“, so der EU-Politiker. Dass sich für derartige Regelungen, die den Schutz der Privatsphäre verletzen, immer wieder Mehrheiten im Parlament finden, findet er schlichtweg „traurig“.
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Post by dejost »

Ein sehr lesenswerter Artikel von Robert Menasse, auch wenn man bei manchen Punkten anderer Meinung sein kann bzw er selbst vom Niveau punktuell Richtung Stammtisch tendiert, im Großen und Ganzen toll:

http://www.zeit.de/politik/2011-09/europa-krise-menasse
Der Vernunftgrund der EU ist also die Überwindung des Nationalismus in einer nachnationalen Entwicklung, vorangetrieben durch supranationale Institutionen. Das Problem ist heute: Die gegenwärtigen politischen Eliten Europas befördern wieder ein Denken in nationalen Kategorien – mehr noch: nationalistische Ressentiments – und wundern sich, dass die supranationale Union knirscht und kracht.
Es gibt alle möglichen Vorstellungen davon, was eine Nation sei, die widersprüchlichsten Gefühle und Fantasien, die im Einzelnen einer Überprüfung in der Realität nicht standhalten, daher gibt es auch keine allgemeingültige Definition von "Nation". Materiell nachweisbar ist bei der Idee "Nation" nur, was sie an historischen Katastrophen produziert hat.
Kommt das Gespräch aber auf die "EU", beginnt sofort eine Auseinandersetzung, ohne gemeinsamen Nicken, jeder versteht, erwartet oder befürchtet etwas anderes. Ist es nicht grotesk? "Nation" ist ein Abstraktum, das jeder als etwas Konkretes zu verstehen glaubt, "EU" ist ein konkretes Projekt, das jeder als völlig abstrakt und abgehoben empfindet.

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Post by dejost »

http://derstandard.at/1317019288195/Ent ... ins-Wanken

Die Frage ist dieses Mal eher, Europa wohin führst du uns (ev in eine bessere Fernsehzukunft, aber ich schau in letzter Zeit eh so gut wie gar nicht fern):
Karen Murphy, Pubbesitzerin in Portsmouth, hat sich gegen Rupert Murdoch durchgesetzt: Sie darf in Hampshire weiterhin mit der Decoderkarte eines griechischen TV-Anbieters Spiele der britischen Premier League zeigen, obwohl Rupert Murdochs Bezahlsender BSkyB die Rechte für Großbritannien exklusiv gekauft hat. Das entschied der Gerichtshof der Europäischen Union - mit einem kleinen, aber womöglich nicht unwesentlichen Haken.

Der Gerichtshof lehnt nationale Exklusivrechte für einen Sender ab: Ein - üblicher - Aufpreis dafür "kann zu künstlichen Preisunterschieden zwischen abgeschotteten nationalen Märkten führen", und: "Eine derartige Marktabschottung und ein solcher künstlicher Preisunterschied" seien mit dem EU-Vertrag und dem Binnenmarkt "nicht vereinbar". Exklusive Lizenzen verstießen auch gegen EU-Wettbewerbsrecht.
Die britische Fußballliga hat kein Urheberrecht an den Spielen, bestimmt das EU-Gericht: Diese Sportereignisse seien keine "Werke", "keine eigenen geistigen Schöpfungen eines Urhebers". So könne sich die Liga nicht auf das Urheberrecht der Union berufen.

Hier wartet der kleine Haken nicht nur für Pubbesitzerin Murphy: die Hymne der Premiere League, die Auftakt-Videosequenz oder auch Video-Zusammenschnitte sind für das EU-Gericht sehr wohl "Werke". Will Murphy auch sie zeigen, braucht sie die Zustimmung der Urheber.
Wird's also Übertragungen geben, wo sie statt genau dieser urheberrechtlich geschützter "Momente" Werbung einblenden?
Bei der deutschen Bundesliga machen die Auslandsrechte rund 25 Millionen Euro aus - gegen 420 für die Inlandsrechte. Der deutsche Sportvermarkter Hartmut Zastrow rät vor allem Fifa, Uefa und Champions League, sich "warum [sic!] anzuziehen". Er rechnet da mit mehr europaweiten statt nationalen Vergaben. Die Gebührensender haben dafür den gemeinsamen Rechteeinkäufer EBU. Andere Branchenkenner erwarten geringere Preise für Sportrechte.

BSkyB und Sky äußerten sich zunächst nicht zum Thema.

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Post by dejost »

orf.at wrote:Sämtliche Länder der Euro-Zone profitieren einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge von der europäischen Gemeinschaftswährung.

Größter Profiteur ist der Studie zufolge laut der deutschen Zeitung „Welt“ aber Österreich, wo der Euro 2010 für einen Zuwachs beim BIP von 7,8 Prozent gesorgt habe. Auf Rang zwei liege Finnland mit einem Zuwachs von 6,7 Prozent gefolgt von Deutschland mit 6,4 Prozent auf Rang drei.

Die Studie ergab der Zeitung zufolge, dass 2010 die gemeinsame Währung den Wohlstand in den 17 Euro-Ländern um 332 Milliarden Euro gemehrt habe. Das seien rund 3,6 Prozent des BIP der Euro-Zone.

Selbst für Portugal und Griechenland sei die Bilanz unterm Strich positiv. In beiden Krisenländern wäre das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ohne den Euro im Jahr 2010 geringer ausgefallen.
Solche was wäre wenn Studien sind zwar sicher mehr educated guesses als unerschütterliche Daten, aber erfreulich ist es doch, gerade in so EU-kritischen Zeiten.

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Lest ihr eh immer brav Zeitung. Da schreibt einer ständig, dass die Curia Rationis Ratingagentur werden soll. Was haltet ihr davon?
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SEPA soll einfacher werden.
Bei der großen Mehrheit der Zahlungen in der Union ist es möglich, ein individuelles Zahlungskonto unter alleiniger Nutzung der IBAN zu identifizieren, ohne zusätzlich die BIC anzugeben. Um diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, haben die Banken in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits ein Verzeichnis, eine Datenbank oder sonstige technische Möglichkeiten eingerichtet, um die einer spezifischen IBAN entsprechende BIC zu identifizieren. Die BIC wird nur in einer sehr geringen, noch verbleibenden Anzahl von Fällen benötigt. Es erscheint ungerechtfertigt, alle Zahler und Zahlungsempfänger in der gesamten Union zu verpflichten, für die geringe Zahl von Fällen, in denen dies derzeit notwendig ist, zusätzlich zur IBAN immer die BIC anzugeben. Eine weitaus einfachere Vorgehensweise für Zahlungsdienstleister und weitere Parteien bestünde darin, die Fälle zu lösen und zu beseitigen, in denen ein Zahlungskonto nicht eindeutig durch eine bestimmte IBAN identifiziert werden kann. Daher sollten die erforderlichen technischen Möglichkeiten entwickelt werden, damit alle Nutzer ein Zahlungskonto eindeutig allein durch die IBAN identifizieren können.
Quelle: EU vom 30.03.2012 ABl. L 94/22
--Harald
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Der letzte Monat hat eine ganze Schwemme von EU-VO zu diversen Auto-Aspekten gesehen, zB eine zur Bremsassistenten, eine zu SPurhalteassistenten etc.


Und auch die folgende:
Verordnung (EU) Nr. 383/2012 der Kommission vom 4. Mai 2012 zur Festlegung technischer Anforderungen in Bezug auf Führerscheine, die ein Speichermedium (einen Mikrochip) enthalten

Gut, dass das in der Klammer steht. Weil ein Speichermedium enhält (bzw daraus bestehen) tut wohl jeder Führerschein - Papier oder bedrucktes Plastik.

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harald wrote:Zu hohe Handyrechnungen im Ausland - so nicht!
Betreiber müssen eine monatliche Kostenobergrenze von € 50 anbieten (seit 1. März 2010). Hat man sich für keine andere entschieden, gilt diese fix ab 1. Juli 2010. Bei erreichen der 80% Grenze ist eine Warnmeldung verpflichtend.
Neuer Maximalpreis beim Herunterladen von Daten: € 1/MB!
http://ec.europa.eu/information_society ... dex_en.htm
http://blog.lehofer.at/2012/06/vom-eder ... ender.html

Roamingtarife sinken weiter (Details im Link).

Ich finde es immer noch bizarr (und das ist schon euphemistisch), dass die EU, die sonst so auf Markt und Wettbewerb und was nicht geht, hier in der Tat Konzernen vorschreibt, was sie für eine frei verfügbare Leistung verlangen dürfen. Sicher, die Preise sind aus der Luft gegriffen, aber was soll's: Freier Markt, hallo?

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Interessante Fragen werden in den Schlussanträgen zur RS C‑199/11 durch den Generalanwalt zu beantworten versucht:
1. Aufgrund einer Schadensersatzklage, die die Kommission in Vertretung der Union gegen mehrere Hersteller von Aufzügen erhoben hat, hat die Rechtbank van koophandel te Brussel dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen wegen zweier Fragen vorgelegt, die zum einen die Vertretung der Union vor den nationalen Gerichten und zum anderen die richterliche Unabhängigkeit und die Waffengleichheit zwischen den Parteien in einem Zivilverfahren wegen deliktischer Haftung, an dem die Union als Klägerin beteiligt ist, betreffen.

2. Zur Frage der Vertretung vor Gericht möchte das ersuchende Gericht wissen, ob die Kommission berechtigt ist, die Union zu vertreten, obwohl die Schäden auf Verträge zurückgehen, die von mehreren Organen und Einrichtungen der Union geschlossen wurden. Der Gerichtshof muss daher zur zeitlichen Geltung und zum Inhalt der Art. 282 des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft und 335 AEUV im Hinblick auf Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bei den nationalen Gerichten anhängig gemacht wurden, Stellung nehmen.

3. Im Einzelnen und vergleichsweise komplexer stellt sich die Frage nach der richterlichen Unabhängigkeit und der Waffengleichheit und damit nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) dar. Der Gerichtshof muss die Frage beantworten, ob die Union bei der Erhebung einer Schadensersatzklage vor den nationalen Gerichten in irgendeiner Weise Bedingungen unterliegt, wenn der Schaden seinen Ursprung in einem von einem der Organe der Union festgestellten wettbewerbswidrigen Verhalten hat. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens machen geltend, die Kommission als Urheberin einer bindenden Entscheidung, mit der sie einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG (jetzt Art. 101 Abs. 1 AEUV) feststelle, handele als privilegierte Klägerin und verzerre dadurch die richterliche Entscheidungsmacht der nationalen Gerichte sowie das ausgeglichene Kräfteverhältnis, das zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen müsse.

[...]

1. Art. 282 EG ist auf die am 1. Dezember 2009 anhängigen nationalen Verfahren anwendbar, ohne dass von der Europäischen Union nachträglich verlangt werden muss, dass sie die Voraussetzungen für ihre Vertretung nach Art. 335 AEUV erfüllt.

Art. 282 EG ist dahin auszulegen, dass er es der Europäischen Kommission nicht verwehrt, in Vertretung der Europäischen Gemeinschaft eine Klage auf Ersatz eines Schadens der Gemeinschaft zu erheben, der bei mehreren der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft eingetreten ist.

2. Art. 47 der Charta ist im Hinblick auf das Recht auf Zugang zu einem Gericht dahin auszulegen, dass er ein nationales Gericht nicht daran hindert, über eine Klage auf Ersatz des der Europäischen Union entstandenen Schadens zu entscheiden, wenn der Verstoß, auf den der Schaden gestützt wird, in einer Entscheidung der Europäischen Kommission gemäß Art. 81 Abs. 1 EG (jetzt Art. 101 Abs. 1 AEUV) festgestellt worden ist.

Art. 47 der Charta ist im Hinblick auf das Recht auf Waffengleichheit dahin auszulegen, dass er der Erhebung einer Schadensersatzklage durch die Europäische Kommission in Vertretung der Europäischen Gemeinschaft bei nationalen Gerichten nicht entgegensteht, auch wenn die Kommission zuvor ein Kartellverfahren durchgeführt hat, das sie mit einer Entscheidung abgeschlossen hat, die zur Begründung der Klage dient.
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Post by dejost »

Ich habe den Friedensnobelpreis bekommen ->
Ich bin Friedensnobelpreisträger!

Denn die EU hat den diesjährigen Friedensnobelpreis bekommen.

Aber es hat ihn eben die EU bekommen, und nicht die Kommission, das EU-Parlament, der EuGH oder der Präsident des Europäischen Rates (derzeit Van Rompuy, für die, die das nicht wussten oder wie ich nachschauen mussten).

Es haben ihn alle ~500 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger bekommen.

Die wir täglich den freien Markt leben (erst vor ein paar Tagen habe ich aus England Heimwerkerbedarfbestellt um meine deutsche Waschmaschine zu reparieren, und geschickt wird das sicher mittels eines schlecht privatisierten ex-staatlichen Postunternehmens), die wir den freien Personenverkehr nutzen (ich war zB in Madeira dieses Frühjahr) und die wir vermutlich letztlich auch von der Freiheit des Kapitalsverkehr profitieren (wer weiß schon, wem die Bank gehört, wo man sein Konto hat und wer sie wie von wo aus gerettet hat?) und von der Dienstleistungsfreiheit wohl auch.

Wir die wir das Europäische Parlament wählen sollten (Wahlbeteiligung zuletzt nur etwas über 40% (Details)) - und das sollten wir wirklich, nicht nur spielen sie eine wichtige Rolle in allen EU- Gesetzgebungsprozessen, die bringen die Demokratie auf EU-Ebene mehr zum Durchbruch als alle anderen (zB hier und hier am Beispiel ACTA).

Ich für meinen Teil vollziehe auch noch ihre (transponierten) Vorschriften (derzeit insbesondere REACH-VO, FFH-RL und Vogelschutz-RL).

Und nicht zuletzt hat die EU (früher halt als EGKS bzw EG) Frieden, Sicherheit und Stabilität für (Zentral- und West-)Europa gebracht.

Sicherlich, momentan trudelt alles ein bisschen, es gibt Probleme und über den ESM wird viel diskutiert, während ihn gleichzeitig viele Leute nicht verstehen (oder zumindest ich verstehe ihn nicht), aber alles in allem:

Wir haben den Friedensnobelpreis verdient.

(soll nicht heißen, dass andere KandidatInnen ihn nicht auch verdient hätten).

PS: Und zur Feier des Friedensnobelpreises für die EU gibt's von nun an eine EU-Flagge als Smilie: :eu

(Dieser Post = http://goo.gl/df9cI)

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http://orf.at/stories/2169065/
Die Banken in der Europäischen Union müssen ab dem kommenden Jahr Bonuszahlungen an ihre Mitarbeiter in Grenzen halten. Das EU-Parlament einigte sich nach monatelangen zähen Verhandlungen in der Nacht auf Donnerstag gegen den Widerstand aus Großbritannien in Brüssel auf eine Deckelung. Statt Vergütungen, die mitunter das 13-Fache des Jahresgehalts ausmachen, ist in Ausnahmefällen nun höchstens noch das Doppelte des Grundgehalts erlaubt.
Hallo?
Was soll denn das?
Der kapitalistische Freier-Markt-Molloch will eine Obergrenze dafür, was Arbeitstätige (!) verdienen dürfen?
???

Jetzt nicht, dass diese Bankerboni nicht überzogen wären - aber wenn's wer bereit ist, so viel zu zahlen, wieso soll das niemand annehmen dürfen?
Bzw nur die in einer bestimmten Berufsgruppe?

Das sind in Wahrheit alles Steuerschlupflöcher? Sicher. Löcher stopfen, statt sowas.
Das spornt die Banker zu riskanten, unethischem Verhalten an? Sicher. Ist dieses Verhalten verboten? Nein? Dann entweder verbieten oder sich damit abfinden, dass es Anreize dafür gibt.

Sowas ist nur Zeitverschwendung, weder inhaltlich noch sonstwie vertretbar und vermutlich eh wieder voll neuer Schlüpflocher.

PS: Wenn die EU sozialdemokratische Grundzüge hätte, von mir aus. Dann gibt's aber eine ganze Latte von anderen Theman, die dringlicher wären.

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In letzter Zeit gab es auf EU-Ebene doch ernsthaft die Diskussion, Pornos im Internet zu verbieten.
Das war zwar nie wirklich eine realistsiche Möglichkeit, aber einzelne Medien (zB der Standard) haben das halt hochgeschrieben.

Das EU- Parlament hat uns auch vor diesem Schwachsinn gerettet.

http://derstandard.at/1362108225284/EU- ... nternet-ab
Keine Pornos mehr in Medien und dem Internet: Dieser Vorschlag des Frauenausschusses des Europaparlaments sollte dem "Abbau von Geschlechterstereotypen" dienen. Das Thema sorgte für Schlagzeilen und rief Netzaktivisten auf den Plan
Das EU-Parlament hat nun in seiner Plenarsitzung am Dienstag einen Bericht "über den Abbau von Geschlechterstereotypen" beschlossen - wie erwartet ohne die ursprünglich darin vorgesehene Forderung nach einem umfassenden Verbot "aller Arten von Pornografie in den Medien". Ebenfalls keine Mehrheit fand der umstrittene Vorschlag, dem zufolge Provider und sonstige Anbieter von Online-Diensten eine Selbstverpflichtung zum Reinhalten des Netzes über eine " Gleichstellungscharta" im digitalen Bereich hätten eingehen sollen.
Manche Abgeordneten im EU-Parlament wollten bei ihrer Entscheidungsfindung zum Porno-Verbot von der Öffentlichkeit offenbar nicht gestört werden: Christian Engström von der schwedischen Piratenpartei hat in einem Blogeintrag enthüllt, dass das IT-Ressort des Parlaments alle Mails zu dem Thema blockierte, nachdem sich einige Abgeordnete über Bürgermails beschwert hatten
Viele haben in diesem Zusammenhang Dr. Cox aus Scrubs zitiert. So auch ich:
I'm fairly sure that if they took all the porn off the Internet, there'd only be 1 website left, and it would be called Bring Back The Porn.

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Eine "Betriebsanleitung" für den Euro-Austritt

(Der Artikel stammt zwar schon vom 11.11.2011 - schönes Datum übrigens -, aber das Thema ist weiterhin aktuell.)
Im Schnelldurchlauf würde ein Euro-Austritt folgendermaßen funktionieren: Euro-Banknoten abstempeln und damit entwerten, neue Währung drucken, möglicherweise Konten sperren und Kapitalverkehrskontrollen einführen, um Kapitalflucht zu verhindern; eine Vereinbarung mit den anderen Nationalbanken in der Eurozone abschließen, wie mit den ausstehenden Euro-Schulden umgegangen wird.
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http://orf.at/stories/2221369/
Bayern hat sich nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ erfolgreich gegen ein EU-Verbot des traditionellen Bierkrugs aus Steingut gewehrt.

Nach EU-Recht dürften undurchsichtige Gefäße ab 2015 nicht mehr für den Ausschank schäumender Getränke verwendet werden, da der Messstrich auf der Innenseite nicht sichtbar sei.
Bei Bedarf Nachmessen möglich

Das deutsche Wirtschaftsministerium habe eine Ausnahmeregelung für den Steinkrug, den „Keferloher“, formuliert. Biertrinker sollten im Lokal künftig darauf hingewiesen werden, dass sie ihr Bier aus dem Steinkrug zwecks Kontrolle der Füllmenge in einen Glaskrug umschütten lassen können.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sagte dem „Focus“, diese „Posse“ sei ein weiterer Beweis für grenzenlose Regelungswut. „Es gibt in Europa wahrlich dringendere Probleme.“
Da muss ich der CSU zustimmen.

Und hinzufügen:
Wozu gibt's einen freien Markt, wenn dem Konsument solche Entscheidungen abgenommen werden?
Abgesehen davon, dass ich hier echt nicht sehe, wem das was nutzt.

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http://orf.at/stories/2225660/
Dass die Geschicke der Politik in Brüssel maßgeblich von Lobbyisten beeinflusst werden, ist bekannt. Eine Studie der NGO Corporate Europe Observatory im Auftrag von AK und ÖGB zeigt nun, aus welchem Bereich diese Lobbyisten großteils kommen: So unterhalten Banken bzw. der Finanzsektor in Brüssel weit mehr Lobbyisten als alle anderen Bereiche. Augenscheinlich wird die Dominanz mit dem Blick auf die finanziellen Mittel: Während NGOs, Gewerkschaften und Konsumentenschützer pro Jahr nur vier Mio. Euro für Lobbying ausgeben, gibt die Finanzindustrie das 30-Fache aus.
Im Zuge der Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) zählte die Organisation mit Sitz in Brüssel 1.700 Lobbyisten, die im Auftrag von Banken und Finanzmärkten aktiv sind. 450 dieser Lobbygruppen seien nicht im EU-Transparenzregister registriert, stellt die NGO, die sich gegen die Macht der Wirtschaftslobbys einsetzt, dar. Augenscheinlich wird die Dominanz des Finanzsektors beim Vergleich der finanziellen Mittel.

Die Finanzindustrie gibt den Angaben der Studie zufolge jährlich 123 Mio. Euro für Lobbying aus - das Budget von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Konsumentenvertretern zusammen beläuft sich mit vier Mio.
„Angesichts dieser Zahlen wundert es wenig, dass die längst fälligen Reformen der Finanzmärkte ständig verzögert und verwässert werden“, kritisierte Oberhauser. „Die Feuerkraft der Finanzlobby ist auch aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten um ein Vielfaches höher als der Einfluss, den Gewerkschaften und NGOs in Brüssel haben.“ Unter den Lobbyisten hat die Studie die meisten Organisationen aus Großbritannien (140) und Deutschland (80) identifiziert.

Für österreichische Finanzorganisationen setzen sich demnach 20 Gruppierungen ein. Auch die Arbeiterkammer selbst ist als Lobbyist sehr aktiv. Bei den Kontakten mit EU-Institutionen gehöre die AK zu den Top 50 in Brüssel, so Muhm. In drei Expertenkommissionen seien AK-Vertreter dabei. Die AK ist im Transparenzregister eingetragen und lässt sich das Büro in Brüssel 700.000 Euro jährlich kosten.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Heute einmal #TISA.

Für den Inhalt von Tisa verweise ich auf diesen Artikel aus Le Monde diplomatique (http://www.monde-diplomatique.de/pm/201 ... 055.idx,17):
Das bedeutet zum Beispiel: Wenn eine ausländische Privatschule oder Privatuniversität in Frankreich eine Niederlassung gründet, muss der Staat diese in der gleichen Höhe finanzieren wie seine eigenen öffentlichen Bildungseinrichtungen. Da dies mittelfristig den Haushalt sprengen dürfte, hätte der Staat keine andere Wahl, als auch auf die Finanzierung der französischen Schulen und Universitäten zu verzichten.

Ist ein Staat den Forderungen nach Marktöffnung erst einmal nachgekommen, verbietet Artikel XVI des Tisa ohnehin den Fortbestand öffentlicher Monopole, etwa des staatliche Bildungssystems, ebenso wie eine Monopolstellung für Dienstleistungserbringer selbst auf regionaler oder lokaler Ebene, wie etwa kommunale Wasserwerke.
Zwei weitere vom Gats übernommene Klauseln sollen verhindern, dass ein einmal privatisiertes Dienstleistungsunternehmen später wieder an die öffentliche Hand zurückgeht: Die Stillhalteklausel macht das erreichte Niveau der Liberalisierung für alle Sektoren verbindlich und damit die Rückkehr zu öffentlichen Dienstleistungen unmöglich. Damit wäre zum Beispiel eine Rekommunalisierung der Wasserversorgung blockiert.

Eine Ratchet-Klausel (Einrastklausel) schreibt überdies fest, dass alle Änderungen des legislativen Rahmens "zu mehr, jedoch keinesfalls zu weniger Vertragskonformität führen müssen".(7) Das soll verhindern, dass neue öffentliche Dienstleistungen, etwa im Bereich der Energieversorgung, entstehen können.

In einigen Bereichen begnügt sich das Tisa jedoch nicht damit, das Gats zu kopieren, sondern verfolgt ehrgeizigere Ziele. Nach den Gats-Regeln war es noch möglich, etwa den Bildungssektor, die Gesamtheit oder Teile des Gesundheitssystems oder der kulturellen Einrichtungen grundsätzlich vom Prinzip der Inländerbehandlung auszunehmen. Im Tisa hingegen soll das Prinzip automatisch auf alle Dienstleistungssektoren angewandt werden. Ausnahmen von dieser Regel können von den Regierungen zwar auf einer Negativliste vermerkt werden, doch diese soll regelmäßig überarbeitet werden.

Ein vertrauliches Dokument vom 14. April dieses Jahres, das im Juni auf Wikileaks publik gemacht wurde, gewährt einen interessanten Einblick in die Verhandlungen über die Finanzdienstleistungen, inklusive der von Post und Versicherungen angebotenen Leistungen. Bei seiner Lektüre drängt sich eine Erkenntnis auf: Auch nach der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise ist der Willen zur weiteren Deregulierung des gesamten Sektors ungebrochen. Zu den Restriktionen, die zusätzlich beseitigt oder von vornherein verhindert werden sollen, gehören Größenbegrenzungen für Finanzinstitute, Einschränkungen der Geschäfte, die Banken ausüben dürfen, Beschränkungen beim Geldtransfer, staatliche Monopole, Offenlegungspflichten bei Geschäften in Steueroasen oder Kapitalverkehrskontrollen zur Begrenzung des Zuflusses von Spekulationskapital.
Wegen #TTIP (und #TISA) haben sich ja diverse NGOs zusammengetan, um auf Eu-Ebene etwas dagegen zu machen. Bis jetzt ohne durchschlagenden Erfolg, dafür mit Rückschlag:
http://derstandard.at/2000005474424/EU- ... -Gegner-ab
Um TTIP zu verhindern, hatte sich "Stop TTIP" gegründet, dem unter anderen die Organisationen "Brot für die Welt" und Attac Deutschland angehören. In Österreich haben sich rund 30 Unterstützer-Organisationen im Bündnis "TTIP Stoppen" zusammengefunden. Das Bündnis beantragte Mitte Juli in Brüssel die Registrierung als Europäische Bürgerinitiative.
Die EU-Kommission hat den Vorstoß eines Aktionsbündnisses gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA zurückgewiesen. Das Bündnis "Stop TTIP" erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Europäische Bürgerinitiative (EBI)
Eine Bürgerinitiative könne zwar gegen EU-Gesetze vorgehen, nicht aber "das Tun der Kommission stoppen", sagte der Sprecher. Er bezog sich darauf, dass die Kommission im Auftrag der EU-Staaten das TTIP-Abkommen mit den USA verhandelt.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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US-Mitspracherecht bei neuen EU-Gesetzen - #TTIP

Die reißerische Überschrift verspricht nur auf den ersten Blick mehr, als sie halten kann.
Es geht wieder einmal um das transatlantische Freihandelsabkommen, welches trotz zahlreicher Proteste und Kritik immer noch hinter geschlossenen Türen verhandelt wird.
http://orf.at/stories/2262792/

Nun ist wieder mal ein Teil bekannt geworden.
Die EU, die Mitgliedstaaten und einzelne Regionen sollen wichtige Gesetze und Standards im Voraus mit den USA abstimmen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) unter Berufung auf ein internes Verhandlungspapier der EU-Kommission.

Mindestens einmal im Jahr sollten beide Seiten eine Liste der - auf zentraler und nicht-zentraler Ebene - geplanten Gesetzesvorhaben offenlegen. Dieses „Frühwarnsystem“ soll den Angaben zufolge Zuschnitt und Ziele der geplanten Gesetze nennen sowie einen Zeitplan. Außerdem sollten die erwarteten Folgen für den transatlantischen Handel und Investitionen enthalten sein.

Auf dieser Basis sollen laut „FAZ“ die Handelspartner ihrer Ansicht nach bedenkliche Gesetzesvorhaben oder geplante Standards identifizieren und bei der vorgesehenen zentralen Anlaufstelle der Gegenseite Beratungen darüber beantragen können.
Der Gesetzgebungsspielraum der Staaten solle durch die Beratungen weder inhaltlich noch zeitlich eingeschränkt werden, heißt es in dem der Zeitung vorliegenden Text weiter. Wenn ein Partner sich am Ende der Beratungen entschließe, die Bedenken des anderen nicht zu berücksichtigen und das Gesetz oder den Standard dennoch zu verabschieden, solle er das ohne Einschränkungen tun können.
Wie schon eingangs erwähnt, der letzte Absatz verlockt einen dazu, die Überschrift als übertrieben zu übersehen. Stimmt nur halb, denn in Europa sind die Gesetzgebungsprozesse - von internationalen Abkommen abgesehen - relativ offen. Da gibt es Entwürfe, Auflagen, Plenumsdiskussionen, (fast) jeder kann sich äußern, der Zeitplan ist klar usw. Ob ein Vorhaben Einfluss auf den transatlantischen Handel hat, kann beurteilen, wer sich damit auskennt, soll heißen, diese Folgenabschätzung ist jetzt kein spezifischer Mehrwert (außerdem wird in den ö Gesetzen ja eh nur stehen "kein Einfluss zu erwarten"). Damit bleibt nur das Beantragen von Beratungen, und wie Beratung im Gesetzgebungsprozess aussieht, wissen wir schon: Entweder a la Strasser oder a la Rute ins Fenster.

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TTIP-Investorenschutz verfassungswidrig?
http://fm4.orf.at/stories/1752646/
Eine am Freitag erschienene ausführliche Rechtsmeinung des deutschen Verfassungsrechtlers Siegfried Broß zum Investorenschutz (ISDS) im TTIP kommt zum Schluss, dass "die Einrichtung privater Schiedsgerichte verfassungswidrig" sei, weil dadurch "eine autonome Rechtsordnung" entstünde, "die allein von den privaten Schiedsgerichten definiert würde". Auch der Wiener Völkerrechtsprofessor Erich Schweighofer hält die derzeitige Praxis im Umgang mit Investorenschutz für verfassungswidrig. Knackpunkt dabei ist die massive Abtretung von staatlichen Souveränitätsrechten an private Schiedsgerichte.
Wenn es sich um ein für den Staat insgesamt relativ unbedeutendes Abkommen handle, das einige wenige Rechtsentscheidungen an ein nichtstaatliches Gremium wie ein Schiedsgericht abtrete, sei auch nichts gegen solche Klauseln einzuwenden. "Ein so umfassendes Abkommen wie TTIP, das in fast alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens eingreift, ist meiner Auffassung nach jenseits dieser Grenze", so der Wiener Völkerrechtsprofessor zu ORF.at.
Im Artikel wird das Thema eher oberflächlich behandelt und der genaue Vertragsinhalt ist ja geheim, drum kann ich inhaltlich nicht viel dazu sagen. Grundsätzlich wäre eine Privatisierung der Gerichtsbarkeit unzulässig, aber wieweit das wirklich vorgesehen ist, weiß ich nicht.

Aber wer weiß, vielleicht braucht niemand die Frage beantworten:
Wegen der anhaltenden Proteste wurde der Investorenschutz 2014 bekanntlich ausgeklammert und soll erst nach einer Einigung auf das Vertragswerk selbst nachverhandelt werden. Seitdem rücken sowohl die Kommission, vor allem aber die Parlamentarier von den ursprünglich vorgesehenen ISDS-Klauseln ab.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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#TTIP
6UsHHOCH4q8
In diesem Video von Last Week Tonight geht es um Tabakkonzerne. Ab ca Minute 6 kommen zahlreiche Beispiel wie Tabakkonzerne (kleine) Staaten drangsalieren und tw dort die Gesetzgebung beeinflussen.
Schon klar, wir wissen gar nicht, was in TTIP drinnen stehen soll, und es sind auch keine EU-Staaten, aber das ist - wenn man den derzeitigen Medienberichten glauben kann - ganz klar die Richtung, in die es geht.

Dann nochmal etwas, was ich schon hier und hiergepostet habe:
Rainer Nowak hat in der Pressestunde die Sonderklagsrechte von Konzernen verteidigt.
Was ist, wenn der Nationalrat mit den Stimmen der Grünen, was beschließt, und dann ist irgendeine Investition eines Konzerns entwertet?
Deswegen braucht der Konzern seine Sonderklagsrechte. Von mir übersetzt heißt das also, es braucht TTIP udgl, damit sich Konzerne nicht vor Demokratie fürchten müssen (bzw damit deren Gewinne nicht durch demokratische Prozesse abnehmen können.)
"marktkonforme Demokratie" ist da schon ein Euphemismus.

Erklären, dass es bei uns Grundrechte gibt, den Vertrauensgrundsatz, dass es Einschleifregelungen braucht uvm, also kurz dass sich Konzerne gar nicht vor dem demokratischen Rechtsstaat fürchten muss, möchte ich an dieser Stelle nicht.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Steuervorteile in EU illegal - die ersten müssen nachzahlen.

http://derstandard.at/2000024248422/EU- ... at-illegal
Anfang November 2014, als die neue EU-Kommission gerade angetreten war, sorgte eine Enthüllung zur Steuerpraxis in Luxemburg für Aufregung. Mittels sogenannter Tax-Rulings, vorab vereinbarter Steuerbescheide, konnten sich Konzerne im Großherzogtum jahrelang Millionen an Steuern sparen, wie das mediale Netzwerk "Luxleaks" aufdeckte.

Dafür verantwortlich gemacht wurde der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der dort 19 Jahre lang Premierminister war. Dieser wies alle Vorwürfe gegen ihn unter Verweis auf die alleinige Kompetenz der Steuerbeamten zurück. Das Europaparlament startete eine Untersuchung.

Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wurde damit beauftragt, diesen und ähnliche Fälle zu untersuchen. Verfahren hatte bereits ihr Vorgänger Joaquín Almunia eingeleitet. Eine politisch hochsensible Sache also. Seither stellte sich heraus, dass Tax-Rulings in mehr als einem Dutzend Mitgliedstaaten gang und gäbe waren.
"alleinige kompetenz der steuerbeamten" sagt Juncker.
aha, die sind also in luxemburg weisungsfrei, brauchen sich nicht an gesetze halten, werden von niemanden kontrolliert und sind völlig von der politik entkoppelt.

wozu gibt's dann dort wahlen, wenn die beamten machen was sie wollen?
Die an Starbucks und Fiat Finance gewährten Vorteile kämen einer illegalen Behilfe gleich.
Nonaned. Wer ein bisschen Ahnung von der Materie hat, ist von dieser Erkenntnis nicht überrascht.
Vestagers Experten wiesen auch explizit darauf hin, dass man bei anderen derzeit untersuchten Fällen – Apple in Irland oder Amazon in Luxemburg – darauf achten werde, ob die konzerninterne Verrechnungspraxis plausibel und marktgerecht ist. Fiat, das "mit Finanzdienstleistungen wie eine Bank agierte", hätte rund zwanzigmal so hohe Steuern zahlen müssen, als es das in Luxemburg tat.
In Standardartikel steht auch genau, mit was für einer Konstruktion sie da die Gewinnen in der EU in die Niedrigsteuerländer verschoben haben.
Die Italiener müssen 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen, die sie sich seit 2012 erspart haben, ganz fest steht der Betrag noch nicht. Gleiches gilt für Starbucks in den Niederlanden. Beide Staaten wurden aufgefordert, die Praxis der Steuerprivilegien für die Konzerne zu beenden. Sowohl die Regierung in Den Haag wie jene in Luxemburg widersprachen dem Spruch der Kommission. Sie prüfen rechtliche Schritte.

Auf Steuerfragen spezialisierte NGOs wie das Tax Justice Network (TJN) haben die EU-Kommission für ihren Entscheid gelobt. Brüssel demonstriere, dass man nicht länger gewillt ist, den schädlichen Steuerwettbewerb in Europa tatenlos hinzunehmen. Da es europaweit zigtausende potenziell schädliche Tax-Rulings gibt, könne die Strafe für Starbucks und Fiat aber nur der erste Schritt sein. Das TJN fordert mehr Transparenz, so sollen die Tax-Rulings veröffentlicht werden. Eine weitere Forderung: Jedes Unternehmen soll verpflichtet werden, in jedem EU-Land zu veröffentlichen, wie viel Steuern man dort gezahlt hat.
20-30 Millionen sind jetzt für so einen Konzern wohl nur ein Griff ins "Swear Jar" und entschieden ist sowieso noch nichts, aber immer noch besser as nix. Und für die Zukunft bringt es vielleicht eine Besserung.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Die EU hat auf die Flüchtlingsthematik so schlecht wie möglich reagiert und auch das viel zu spät. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Das ist natürlich besonders schlimm für die Flüchtlinge, auch weil sie abhängig davon wann sie gekommen sind und wo sie eingereist sind, völlig unterschiedlich behandelt wurden.

Die Folgen für die EU selbst könnten jedoch auch gravierend sein.
http://orf.at/stories/2324576/2324580/
Der heftige europäische Konflikt in dieser Frage könnte aber angesichts mangelnder Solidarität der EU-Staaten auch zu einem ungewollten politischen Dominoeffekt führen - etwa auf dem Donnerstagnachmittag beginnenden EU-Gipfel. Denn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel versucht seit Monaten vergeblich - mit Reden und Verhandlungen vor und hinter den Kulissen -, die osteuropäischen EU-Mitglieder dazu zu bringen, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch diese zeigen sich weiter entschlossen, keine Flüchtlinge aufzunehmen, und verschärften im Rahmen des Visegrad-Treffens ihre ablehnende Position.
Hier zeigt sich das Problem eh schon - es gibt eine Genfer Flüchtlingskonvention und diverse EU-Vorschriften. Einige der Staaten ignorieren das aber völlig, sind innenpolitisch damit (zumindest vorübergehend) sehr erfolgreich und werden für deren Fehlverhalten in keinester Weise belangt.
Für die Leiterin des Salzburg Centre of European Studies (SCEUS), Sonja Puntscher Riekmann, ist es „erstaunlich und erschreckend“, wie einander „EU-Staaten zutiefst misstrauen und reflexhaft nationale Antworten suchen“. Bei der Finanzkrise habe man ganz anders agiert, sagte Puntscher-Riekmann im Gespräch mit ORF.at, da sei „viel mehr Hektik entwickelt“ worden. Wenn es „um real existierende Menschen“ gehe, sei dann plötzlich alles anders.
Das bringt ziemlich gut auf den Punkt, wie fürchterlich das alles eigentlich ist.
Wiederholt wurde in den letzten Wochen in den Raum gestellt, dass mittelfristig das Schengen-Abkommen fallen könnte - oder alternativ der Schengen-Raum mit freiem Waren- und Personenverkehr stark eingeschränkt werden könnte. Das wäre für die osteuropäischen EU-Länder eine Gefährdung ihrer Wirtschaft. Auch über Einschränkungen der EU-Fördergelder, von denen die Osteuropäer besonders profitieren, wurde wiederholt laut nachgedacht.
Von Schengen, vermute ich, werden wir uns alle für einige Zeit verabschieden müssen. Dass der Warenverkehr tatsächlich nennenswert eingeschränkt wird, erscheint mir doch eher sehr unwahrscheinlich. Und vom laut Nachdenken über Konsequenzen für diejenigen, die einfach so die Regeln brechen, ist selten etwas besser geworden.

Das Vereinigte Königreich hat ja mal wieder mit dem Austritt gedroht und ein paar ungerechtfertigte Privilegien herausgeschunden. Ich finde, man sollte so etwas nicht gewähren, sollen sie doch die EU verlassen und dem NAFTA beitreten. Sonst wird ja früher oder später jedes Land irgendwelche Adaptionen zum eigenen Vorteil fordern, und dann kann man es gleich lassen. Die EU ist eh schon verkorkst genug, wenn sollte man das verbessern und nicht noch schlimmer machen.

UK soll unter anderem das Recht bekommen, Sozialleistungen für zuziehende EU-Bürger für vier Jahre auszusetzen. Das fordert Kurz, der österreichische Außenminister jetzt auch für Österreich, als Ausgleich für die Mehrkosten, die Österreich hat, weil es als eines der wenigen Ländern den Großteil des Aufwands für die Flüchtlinge trägt. Das wiederum würde die sogenannten Ost-Länder (bzw derzeit Visegrad-Staaten genannt) besonders treffen, die wie erwähnt überhaupt keine Flüchtlinige aufnehmen wollen (obwohl gerade Ungarn, die CSSR und Yugoslawien letztes Jahrhundert selbst Ausgangsort großer Flüchtlingsströme waren, die damals soweit ich weiß ohne größerem Aufhebens und ohne Erststarken von Rechtspopulisten Aufnahme fanden). Deswegen sind die dagegen, weil die der UK-Deal nur unter der Voraussetzung zugestimmt haben, dass niemand anderer (also auch nicht sie selbst) das gleiche Privileg bekommen. Wenn das den UK-Deal verhindert, gibt's wenigstens eine positive Auswirkung dieses ganzen Desasters.
Die EU-Expertin konstatierte einen „massiven Einbruch in Sachen Solidarität“ - auch Merkels Alleingang im Sommer sei letztlich „keine europäische Politik“ gewesen. Es gebe mittlerweile eine starke Renationalisieriung in allen EU-Staaten. Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen, dass sich jener Prozess, der der EU bisher prinzipiell zugrunde liegt - das gemeinsame solidarische Handeln -, zusehends umkehrt und eine Entsolidarisierung droht. Denn de facto kündigten nicht nur die Osteuropäer, sondern auch EU-Kernmitglieder wie Italien und Frankreich Deutschland in der Flüchtlingsfrage weitgehend die Solidarität auf. Italiens Premier Matteo Renzi wettert und stichelt seit Wochen in Richtung Berlin. Detto sein sozialdemokratischer Partei- und Amtskollege in Paris: Der französische Premier Manuel Valls, der innenpolitisch von Marine Le Pens Front National bedrängt wird, machte klar, dass Paris keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen werde. Valls sagte das ganz öffentlich - in Deutschland.
Historisch interessante Zeiten jedenfalls.

harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Historisch - aber nur so - ist das Vorgehen der Oststaaten verständlich. Sie haben erfolgreich Minderheiten unterdrückt und sie "motiviert" außer Landes zu ziehen und wollen jetzt natürlich ihre "Bemühungen" nicht selbst unterlaufen.
--Harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Direkte Demokratie auf EU-Ebene - eine Totgeburt?
„Wie glaubwürdig ist eine EU, die ein Instrument für mehr direkte Demokratie einführt und sich dann nicht darum kümmert, ob es funktioniert oder nicht?“
http://orf.at/stories/2336190/2336184/
Die 2007 im Vertrag von Lissabon beschlossene und 2012 in Kraft getretene EBI soll es EU-Bürgern ermöglichen, Vorschläge für Rechtsakte zu machen und an Entscheidungsprozessen teilzunehmen, indem sie sich unmittelbar an die Institutionen der Europäischen Union wenden. Was in der Theorie recht einfach klingt, ist ein sehr komplizierter Prozess: Eine Mio. Unterschriften in mindestens sieben EU-Ländern müssen innerhalb von zwölf Monaten gesammelt werden, bevor sich die Kommission mit einer Initiative befassen muss.

Von den 56 bis heute vorgelegten europäischen Bürgerinitiativen entsprachen 36 den formalen und inhaltlichen Anforderungen zur Zulassung - nur drei davon gelang es, mindestens eine Million Unterstützer zu finden.
Mittlerweile ist die Kommission mit dem Tool der EU-Bürgerinitiative auch alles andere als zufrieden. Es würden Themen vorgebracht, die oft äußerst kontroversiell oder emotional aufgeladen nur für eine kleine Minderheit von EU-Bürgern interessant seien. Dadurch werde die EU-Skepsis nur noch steigen, hieß es im Dezember in einer Kommissionssitzung. Angekündigte Änderungsvorschläge wurden bisher aber immer wieder verschoben.
„Die EU-Skepsis wird zweifellos auch dadurch befeuert, dass diejenigen, die sich in gutem Glauben mit einer Bürgerinitiative einbringen wollen, nie ein relevantes Ergebnis sehen,“ sagt nun EU-Ombudsfrau Emiliy O’Reilly. „Man könnte es die Existenzkrise der EBI nennen.“

Dass das Verfahren für die Bürgerinitiativen vereinfacht beziehungsweise überarbeitet werden muss, fordert jedoch nicht nur die Ombudsfrau, die schon vor einem Jahr ihre Vorschläge dafür an die Kommission übermittelte.
Nicht durch die Bank glücklich ist man auch im Europäischen Parlament (EP) über die derzeitige Form der EBI. Eine im Vorjahr verabschiedete Resolution an die Kommission schlägt vor, dass die Organisatoren solcher Petitionen künftig Anspruch auf rechtliche und technische Hilfe für ihre Initiative haben und finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt beantragen können.
Die Debatte über die EU-Bürgerinitiative beschäftigt mittlerweile eine Vielzahl an EU-Institutionen - selbst den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dort wird darüber entschieden werden, ob die EU-Kommission die Bürgerinitiative „Stop TTIP“ 2014 zu Recht für unzulässig erklärt hat. Als Begründung gab die Kommission damals an, dass eine EBI nicht negativ formuliert und nicht auf laufende Vertragsverhandlungen gerichtet sein dürfe.
Dazu ist die Ironie, dass diese EBI mit 3,6 Mio UnterstützerInnen die erfolgreichste jemals wäre.

Der ORF hat auch die aktuell laufenden rausgesucht:
„Vater, Mutter & Kind - Europäische Bürgerinitiative zum Schutz von Ehe und Familie“
„Wake up Europe! Jetzt handeln zur Wahrung der Demokratie in Europa“
„Stop plastic in the sea“
„Fairer Transport in Europa – Gleichbehandlung aller Verkehrsbeschäftigten“

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Greenpeace deckt aktuellen Stand der #TTIP-Verhandlungen auf - alles so schlimm wie befürchtet

"Realität der TTIP-Verhandlungen übertrifft die dunklen Ahnungen noch" lautet dementsprechend die Schlagzeile der SZ
Man kann die Bedeutung des geplanten Abkommens gar nicht überschätzen. Es geht um ein Abkommen zwischen den zwei größten Wirtschaftsmächten der Erde. Es geht um ein Abkommen, das vierzig Prozent des gesamten Welthandels betrifft. Es geht um ein Abkommen, das die gesamte transatlantische Wirtschaftsordnung neu regeln soll. TTIP, das Handels- und Wirtschaftsabkommen, ist ein Wirtschaftsgrundgesetz der Superlative; es ist eine Wirtschaftsverfassung, die für die USA und die EU gleichermaßen gelten soll und die tief eingreift in die Politik- und Sozialkulturen der beteiligten Staaten und Gesellschaften - also in die Verfassung der Menschen.
Das Wissen um dieses TTIP-Abkommen steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner Bedeutung; so gewaltig die Hoffnungen und so alarmierend die Befürchtungen sind, so alarmierend ist die Heimlichkeit, mit der es verhandelt wird; gewaltig ist offenbar auch das Nichtwissen von Spitzenpolitikern, die öffentlich über dieses Abkommen reden und es wortreich verteidigen. Entweder sie kennen den Verhandlungsstand nicht (wie er sich aus den veröffentlichten Papieren ergibt) oder sie lassen die Öffentlichkeit darüber bewusst im Unklaren.
Es geht bei TTIP nicht nur um Wirtschaft und um den Abbau von Handelshemmnissen. Es geht um Grundfragen von Rechtsstaat und Demokratie, um Weichenstellungen, die weit in die Zukunft wirken. Denn das Abkommen ist als "living agreement" geplant, als Abkommen, das von Expertenausschüssen fortentwickelt werden soll; solche Ausschüsse sollen auch verhindern, dass nationale Gesetze erlassen werden, die im Widerspruch zum Freihandelsabkommen stehen. Man nennt das regulatorische Kooperation. Man muss diese Pläne kennen, um diskutieren zu können, wie hier die Parlamente eingebunden werden können.
http://www.sueddeutsche.de/politik/ttip ... -1.2975119
US-Chefunterhändler Dan Mullaney äußert sich im Februar diplomatisch: "Wir verstehen die Bedenken, die hinter dem Vorschlag der EU stehen." Aber was denken die Amerikaner wirklich? In einer internen EU-Zusammenfassung der Verhandlungsrunde ist nachzulesen, wie stark die Meinungen in Wahrheit auseinanderklaffen: Die Amerikaner gehen auf die beiden Hauptwünsche Europas, nämlich öffentliche statt private Richter und eine Berufungschance für den Verlierer, gar nicht ein. "Andere Bestimmungen, wie das Tribunal erster Instanz und das Berufungsgericht wurden in dieser Runde nicht angeschnitten", heißt es in dem geheimen Dokument. Und das ein halbes Jahr, nachdem die EU-Ideen öffentlich wurden.

An dieser Stelle zeigt sich, wie sehr die EU die Öffentlichkeit im Unklaren lässt, worüber geredet wird.
Was die Öffentlichkeit bisher nicht wusste, aber durch die Enthüllung nun erfährt: Die USA haben einen Gegenvorschlag zum europäischen Modell gemacht. Er bewegt sich entlang der Linien des transpazifischen Abkommens TPP, das die USA mit elf Pazifikstaaten abschlossen: Transparentere Schiedsgerichte als bisher soll es geben, mit Verhandlungen live im Internet, an denen Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen dürfen. Aber eben: keine öffentlichen Richter, keine Berufung, wie die Brüsseler Behörde fordert. Sollten sich die USA nicht genug bewegen, erwägen EU-Staaten als Druckmittel einen Verzicht auf den Investorenschutz, also das "I" in TTIP.
Die USA sehen jedenfalls nach wie vor keinen Grund, vom Kern des bestehenden Systems abzurücken. Das Vertrauen der US-Seite in Schiedsgerichte ist auch deshalb so hoch, weil die Amerikaner noch nie einen Fall verloren haben.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/s ... -1.2974989

Die österreichischen Medien nehmen - soweit ich das überblicke - das Thema weniger ernst und beschränken sich auf ein paar Kurzfassungen der SZ:
Die US-Regierung setzt Europa bei den Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP deutlich stärker und weitreichender unter Druck als bisher bekannt. Das geht aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente hervor, die "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR vorliegen. Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten den Medien, dass es sich bei den Dokumenten um aktuelle Papiere handelt.
Laut Greenpeace handelt es sich um 13 Vertragskapitel, die rund die Hälfte des gesamten Abkommens darstellen. Sie zeigen demnach den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde. Mit der Veröffentlichung will Greenpeace den Bürgern einen ungefilterten Einblick in den Verhandlungsstand geben. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA bisher auf Geheimhaltung ihrer Positionen.
So wollten die USA Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, berichten "SZ", WDR und NDR. Die EU dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch und gentechnisch veränderte Lebensmittel häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind. Auch Klaus Müller vom deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen sagte der "SZ": "Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen." Aus den Verhandlungstexten lässt sich den Medien zufolge ablesen, wie verhärtet die Fronten sind.
derstandard.at/2000036100091/Geheime-TTIP-Papiere-USA-ueben-Druck-auf-EU-aus

Auch wenn es sprachlich zu martialisch ist, so ist das folgende Standard-Posting imho sehr wichtig:
Joerg A wrote:Man muss sehr aufpassen, dass TTIP nicht als Kampf EU gegen USA fehlinterpretiert wird. Das ist ein vollkommen falscher Fokus. Wäre das nämlich so, hätte die EU überhaupt keinen Grund, TTIP zu verhandeln.

Es handelt sich vielmehr um einen Krieg der Konzerne gegen die Bevölkerungen und verhandelt wird, ist, wie in diesem Krieg die Beute zwischen EU-Konzernen und US-Konzernen verteilt wird. Sicher ist, mit TTIP werden die Konzerne auf beiden Seiten gewinnen und die Bevölkerungen auf beide Seiten verlieren.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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#Brexit

Was kann kortz.at/forum dazu beitragen, was nicht in den letzten Tagen von vielen schon gesagt wurde? Ehrlicherweise sehr wenig.

Also mal ein Überblick zum Anfang:
Am Donnersag den 23. Juni 2016 hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs abgestimmt, ob dieses aus der EU austreten soll. Mit 51,9 % ist es relativ knapp für den Austritt ausgegangen, Beteiligung ca 72%.
Grob gesagt, waren Ältere und Personen in England (außer London) und Wales eher dafür, Jüngere und Personen aus den anderen Teilen des UKs eher dagegen. (Anm: England hat ca 4/5 der Bevölkerung, und Greater London ca 1/5 des UKs).

Cameron hat 2013 eine Abstimmung darüber bis 2017 versprochen. Hintergründe gibt es viele, unter anderem auch parteiinterne Streitereien der Torys.

Sowohl die Torys (Conservative and Unionist Party) als auch Labour waren intern gespalten, wobei die im Parlament sitzenden VertreterInnen und Premierminister Cameron für den Verbleib sind.

Cameron hat sofort einen Rücktritt angekündigt - irgendwann im Herbst. Die Nachfolge bei den Torys ist schon umkämpft.
Die Briten bremsen jetzt aber beim Austrittsantrag, während die EU ihn lieber gestern als heute auf dem Tisch hätte.

Die unmittelbaren Konsequenzen dürfen einen nicht verwundern:
Die Märkte wurden ganz nervös und das Pfund fiel (auf den niedrigsten Stand seit über 30 Jahren).
Die Ratingagenturen stuften UK herab.
Banken und andere Unternehmen überlegen auszuwandern.

Eine Art Volksbegehren um Neudurchführung erhielt sehr rasch 3 Mio Unterstüztzer, wobei ein Kommentator (im Standard, glaube ich) anmerkte, wenn die stattdessen Leute überzeugt hätten, gegen den Austritt zu stimmen (#Bremain), hätte das mehr geholfen.
Es gibt auch andere Stimmen für eine neue Abstimmung, das hat ja beim Verfassungsvertrag auch geholfen.

Schottland will deswegen eine neue Abstimmung, Nordirland überlegt laut zu Irland zu wechseln (die EU sicherte ja auch mit Randzonenförderung den Frieden in Nordirland und hat zum Verschwinden der Grenze beigetragen) und es sollen viele Nordiren nunmehr irische Pässe beantragen (habe das nur oberflächlich recherchiert, aber die BBC hat irgendwo geschrieben, wer auf der irischen Insel (!) geboren ist, kann einen irischen Pass beantragen, was wohl auch auf viele Nordiren zutrifft).

RechtspopulistInnen und Rechtsextreme quer durch Europa

Auch die zahlreichen Versprechen die im Falle eines Brexit gemacht wurden, stellten sich teilweise binnen Stunden als unwahr heraus:
Es sollten 350 Mio Pfund ins marode Gesundheitssystem fließen, weil man so viel durch die EU spart. Abgesehen davon, dass die Zahl scheinbar gewürfelt ist, wird auch das nicht möglich sein, wie UKIP-Chef Farage sehr schnell eingestehen musste. Er hatte das, so sagte er, aber auch gar nie gesagt.
Auch das mit der Zero Immigration wird kaum so hinhauen.

Stichwort Einwanderung: Viele Umfragen usw zeigen, dass die Immigration ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium für sehr viele waren, ein Times-Kommentator gingen überhaupt so weit, dass Referendum als versteckte Einwandungerabstimmung zu bezeichnen.

Zum Schluss noch ein bisschen Meinung und Prognose:
Der #Brexit wird weder der EU noch dem UK sehr gut tun. So wie immer werden es manche besser und manche schlechter treffen.
Die EU könnte die Chance jetzt nutzen, einmal an sich zu arbeiten. Aber das hätte sie schon in der Vergangenheit machen können.

Ich bin ganz bei den EU-Spitzen: UK soll da jetzt nicht rumlavieren, raus, und das schnell. Britenrabatt ade. Wenn sie am freien Markt mitspielen wollen, so wie Norwegen und Schweiz, sollen sie auch wie diese ordentlich blechen dafür. Mitreden können sie dann nicht mehr, aber das wollten sie ja auch.
Zwar wurde von irgendwem irgendwo gesagt, es sei nicht möglich, dass sie nur am freien Waren- und Kapitalmarkt mitmischen, aber ohne Personen (und allenfalls Dienstleistungen), aber ich sehe nicht ein, wieso nicht ein noch auszuhandelndes Abkommen genau das vorsehen sollte.

Im Übrigen finde ich, dass man Artikel 50 dahingehend überarbeiten sollten, dass (spätestens) mit der Abgabe des Austrittsgesuch alle VertreterInnen in Rat und EP nur mehr beratend sind, aber nicht mehr mitbestimmen dürfen. (Dzt ist das nur für die Austrittsverhandlungen normiert). Es ist ja absurd, dass die bei Gesetzesvorhaben mitentscheiden, die irgendwann in Kraft treten, wenn sie gar nicht mehr dabei sind.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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#Roaming & EU - ein Schmierenstück sondergleichen

Vor einiger Zeit wurde groß in Schlagzeilen und Überschriften verkündet, Roaming wird abgeschafft. Das stimmte nur damals nicht, denn die damals beschlossene Roaming-VO sah nur eine Einschränkung vor ("fair use policy") und benötigt eine Durchführungs-VO, die näheres regelt. Bizzarerweise waren es ua das Europaparlement und seine Mitglieder, die behaupteten, Roaming sei abgeschafft worden, obwohl sie ja etwas anders beschlossen.

Diese Durchführungs-VO, deren Entwurf bekannt wurde, wurde jetzt medial durch Sonne und Mond geprügelt, und zwar teilweise auch von den Leuten, die die Roaming-VO beschlossen haben, also die Grundlage, dass diese Durchführungs-VO kaum weiter gehen kann, als sie jetzt tut.
Da sah sich Juncker daselbst gezwungen, eine Weisung auszuprechen, und zwar nicht dass Telekom-Konzerne in Luxembourg weniger Steuer zahlen, sondern es möge doch eine neue, bessere gemacht werden, was wie erwähnt nicht geht bzw die Durchführungs-VO mit einer Rechtswidrigkeit belasten würde, so dass sie der EuGH aufhebt (was vielleicht sogar der perfide Plan ist, dann können Juncker & EP, obwohl sie natürlich selber schuld sind, die Schuld auf den EuGh schieben).

All das gibt es detaillierter, mit weniger Tippfehlern und überhaupt einfach besser bei HP Lehofer nachzulesen:
http://blog.lehofer.at/2016/09/Roaming.html
http://blog.lehofer.at/2016/09/Roaming2.html

Wieso schreibe ich das alles dann überhaupt?
Vor allem deswegen:

1.
Lehofer zeigt sehr schön, wie da zahlreiche Europaabgeordnete an Gedächtnisschwund leiden, Dinge medienwirksam fordern für die sie selbst zuständig sind und sich auch sonst von Fakten die Polemik kaum verderben lassen. Außerdem listet er zahlreiche Medien auf, die deren Presseaussendungen befreit von Kritik und Recherche übernehmen. Obwohl, wie er selbst ja demonstriert, mit relativ wenig Aufwand zu überprüfen wäre, dass das alles populistscher PR-Schwachsinn ist, der eben nur "einegeht" weil die Qualitätsmedien genau das nicht sind (anders gesagt: ihre Arbeit einfach nicht mehr machen sondern nur Presseaussendungen abschreiben).

2.
Juncker hat hier daselbst eingegriffen. Ich kann nicht sicher sagen, dass war noch nie der Fall, aber es kommt zumindest selten vor. Und worum geht es hier bitte? Ob man ein bissl billiger telefonieren kann im Urlaub oder auf Dienstreise? Ich sage ja auch gar nicht, dass er das nicht hätte machen sollen, aber es gibt wohl zahlreiche, wesentlich problematischere Dinge, wo er sich stattdessen in nobler Zurückhaltung übt - ich will jetzt nicht (zu) polemisch werden, drum erspare ich mir Beispiele. Und eine vollständige Liste an den großen Problemen der EU der Gegenwart wäre eh viel zu lange.

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dejost
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Europa, quo vadis?

Post by dejost »

Derzeit ist der Titel "EU - wohin gehst Du?" wieder besonders treffend.

In Österreich wird von SPÖ und ÖVP an der Arbeitnehmerfreizügigkeit gesägt, Kern fordert "Österreicher zuerst" bei der Arbeitsplatzvergabe, Kurz will Familienförderungen an EU-Bürger kürzen (auf die Details erlaube ich mir zu verzichten, es ist alles natürlich etwas komplizierter).
Dank Angst vor Terror werden Grund- und Freiheitsrechte und die Personenfreizügigkeit zumindest mal nicht besser. Hier erlaube ich mir auszuholen - das Ziel von Terror ist (wie ja der Name schon sagt) jetzt nicht primär irgendein paar völlig unbekannte, harmlose Menschen, die einem nie etwas getan haben, umzubringen, sondern die Angst genau davor zu verbreiten. Und diese Aufgabe erfüllen die Medien mit großer Verve für die Terroristen. Terror ist aber auch und vor allem ein politischer Akt - man will das (politische bzw soziale) System ändern. Die Terroristen (oder besser, die Leute, die irgendwelchen leicht zu beeinflussenden Leuten einreden, es ist eine gute Sache, unbekannte, harmlose Menschen heimtückisch umzubringen) lehnen ja die - etwas Europatriotismus wird mir hoffentlich trotz den gegenwärtigen Zeiten verziehen - europäischen Grundwerte Freiheit, Grundrechte, Demokratie, friedliches oder sagen wir besser gewaltloses nebeneinander von verschiedenen Kulturen (wie zB Frankreich und Deutschland) ab. Und die werden eh weniger, dank dem Terror oder eher dank dem Umgang damit.
Diese Grundwerte lehnen aber nicht nur Terroristen ab - Orban, der jetzt gerade erst die "Vermischung des reinen ungarischen Blutes" befürchtet, die polnische Regierung, die ua den eigenen Verfassungsgerichtshof ausgehebelt hat und auch andere Staats- und Regierungschefs, die nicht nur verstohlen mit dem Autoritarismus flirten, halten davon genauso wenig, wie irgendein Spinner, der glaubt er tut was Gutes, wenn er einen Polizisten in Europa in seiner Wohnung mit einem Messer angreift.

Der unklare Verlauf des Brexit, die immer noch andauernde Griechenlandkrise (man liest allerdings nur mehr wenig davon), Trump und Putin tun ihr übriges. Und mit Wilders, Le Pen, AFD uvm scharren schon vielerorts alle möglichen eu-kritischen bis eu-feindlichen Fraktionen in den Startlöchern, die nach den jeweils nächsten Wahlen dazu beitragen werden, dass die EU noch weniger zu Rande bringt.
Und nicht zu vergessen, dass die EU die Flüchtlingskrise seit Jahren völlig verpennt hat und auch jetzt wenig zündende Ideen hat, dies endlich zu einem Besseren zu wenden, was vor allem den erwähnten Gruppierungen ordentlich Auftrieb verschafft.

Wieso machen die Regierungen das bzw wieso tun sie nichts dagegen? Oder, noch öfter wie am Anfang erwähnt, wieso spielen sie da mit?
Zum einen, weil sie natürlich keine besseren (oder zumindest anderen) Ideen haben. Vor allem aber werden sie von den erwähnten Rechtspopulisten (und schlimmeren Gruppierungen) und der Krawallpresse vor sich hergetrieben, und wie schon oft bemängelt, die Sozialdemokratie quer durch Europa hat eh schon lange aufgegeben, sozialdemokratische Antworten auf die Probleme der Gegenwart zu suchen. Da setzt man lieber Forderungen der Rechtspopulisten/Extremen/Alt-Right um, gegen die man vor 5 Jahren noch zu Demonstrationen aufgerufen hätte.

Was ist davon nicht betroffen?
Die Freiheit der Konzerne und die Kapitalsverkehrsfreiheit. Natürlich gibt es Regelungsinstrumente, die die Terrorismusfinanzierung verhindern sollen, aber würden die irgendwie die Kapitalsverkehrsfreiheit einschränken, bin ich sicher, würden wir das schon in ganzseitigen Inseraten in jeder zweiten Zeitung lesen.
Durch die stagnierenden Löhne, die hohe Arbeitslosigkeit und das schon relativ hohe Niveau des ArbeitnehmerInnenschutzes, das im Falle einer Änderung eher fällt als steigt, müssen die auch nicht fürchten, dass durch die drohenden Einschränkungen der Personen- bzw ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit es zu einem Arbeitskräftemangel kommt. (Und wenn doch, kann man ja immer noch auf die Flüchtlinge zurückgreifen).

Wohin geht Europa also?
Offensichtlich in Nationalstaaten, mit starker, automatisierter Überwachung der BürgerInnen, Einschränkung der Grundrechte, wo die öffentliche Sicherheit dies erheischt, mit starken Protektionismus, aber nur in manchen Bereichen. Es wird schwerer werden hineinzukommen. Die Gewöhnung an - oder besser angeeignete Anteilsnahmlosigkeit betreffend - den Terror, die sich in den letzten Jahren eingestellt hat, wird bleiben können.
Aber es wird ein Europa sein, in dem sich Konzerne frei entfalten können - nach Malta oder Luxembourg verschieben, Niederlassungen gründen, Forumshopping betreiben. Rechte, die auch dem Tischler oder Planer zukommen, der aber nicht die Organisation und Ortsungebundenheit hat, sie zu nutzen.
Ich frage jetzt nicht, ob wir das wollen, weil man wird uns wohl kaum fragen. Vielleicht sollte ich fragen, ob wir das noch beeinflussen können, aber auch hier vermute ich, die Antwort zu wissen.

PS: Ich hätte gerne unrecht.

harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

So, seit Mitte Juni 2017 haben wir nun freies Roaming, zwar nicht ganz frei, aber immerhin. Du betrachtest es nicht als besonders interessant, Dejost, für mich als regelmäßig ins EU Ausland Reisenden ist es aber ein Komfort, Telefonate aus Deutschland in die Heimat zu führen, ohne die Kosten zu bedenken, die Busapp über Datenroaming bezüglich Realankunftszeiten zu befragen oder gratis (mit Blick auf den Provider) ein Zugticket per SMS im Ausland zu bestellen (sofern eine 0800 Nummer dies anbietet). Das ist Lebensqualität, die man gewinnt. Ok, beim Datenroaming habe ich ein Limit, dass ich beachten muss, aber dies ist besser als davor Datenroaming gar nicht zu verwenden.

Ich sehe das daher als elementaren Pluspunkt der EU.

Themen, die hier noch zu ergänzen sind:

Die Kommission denkt ein einheitliches Mautsystem an. Ich halte das, wie Roaming, grundsätzlich für eine gute Idee, würde derzeit aber einem EU-weiten Vignettensystem den Vorzug geben.

Italien und seine Bankenabwicklung, hält sich nicht an EU Recht. Außerdem Italien und eine viellecht aufkeimende Wirtschaftskrise dort könnte man hier noch erörtern.
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Zwei Entscheidungen zum Thema "Kopftuchverbot" sind seitens des EuGH ergangen:

EuGH vom 14.03.2017, RS C-157-15, Achbita, und vom selben Tag, RS C-188/15, Bougnaoui.
Achbita wrote:Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergibt, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

Eine solche interne Regel eines privaten Unternehmens kann hingegen eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Bougnaoui wrote:Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass der Wille eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, die Leistungen dieses Arbeitgebers nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.
Es wird viel in diese Entscheidungen hinein interpretiert. Berücksichtigen sollte man jedenfalls aus welchen Ländern diese beiden Fälle kamen.
--Harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Gutachten des EuGH werden immer häufiger. Interessant ist folgendes Gutachten, aus dem man viel über die Zuständigkeitsverteilung in der EU lernen kann:

GUTACHTEN 3/15 DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) vom 14. Februar 2017
Der Abschluss des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union.
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IBAN Diskriminierung

Post by harald »

Ich packe das Thema IBAN Diskriminierung jetzt auch hier rein:

Eine Entscheidung des VwGH vom 07.04.2017, Ro 2016/02/0009 und 0010, bestätigt eine Entscheidung des BVwG und somit eine Strafe der FMA. Die T GmbH hatte Probleme nicht AT IBAN zu verwenden. Gesetzt hat es € 4.000.

Ich bin mir sicher, dass dies nicht nur die T GmbH betrifft und auch ein Problem ist, dass über Telekommunikationsdienstleister hinaus nicht gelöst ist.

Schade dass ich zu faul bin mir eine ausländische IBAN wie Bunq zuzulegen. :tw
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Tastsachenfeststellungsmängel passieren auch den besten Richtern: Siehe RZ 70 in der EuGH Entscheidung vom 11.05.2017, RS C-44/16P. Der EuGH musste die Sache an das EuG (oder wie kürzt man das jetzt ab?) zurückdelegieren. Die Firma Dyson freut sich.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Und nun mal was zum Lachen:

EuGH vom 04.05.2017. RS C-17/16
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Anmeldepflicht in der internationalen Transitzone eines Flughafens eines Mitgliedstaats besteht.
Wie das in die Praxis umgesetzt wird, hat sich keiner überlegt. Jetzt werden wahrscheinlich viel mehr Zollbeamte angestellt werden müssen, damit diese auch immer auf den Luftgastbrücken der ankommenden Flieger schon bereit stehen. :doh Oder man kontrolliert nicht und ermöglicht Zollvergehen! :twisted:
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Auch europäische Normen dürfen via Vorabentscheidungsverfahren vom EuGH ausgelegt werden:

EuGH vom 27.10.2016, RS C-613/14:
1. Art. 267 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig ist, eine harmonisierte Norm im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte in der durch die Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 geänderten Fassung, deren Fundstellen von der Europäischen Kommission in der Ausgabe C des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht wurden, im Wege der Vorabentscheidung auszulegen.

2. Die harmonisierte Norm EN 13242:2002 („Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für den Ingenieur- und Straßenbau“) ist dahin auszulegen, dass sie für den nationalen Richter, der mit einem Rechtsstreit über die Erfüllung eines privatrechtlichen Vertrags befasst ist, der eine Partei zur Lieferung eines Bauprodukts verpflichtet, das mit einer nationalen Norm in Einklang steht, die diese harmonisierte Norm umsetzt, weder hinsichtlich der Art und Weise der Feststellung der Konformität eines solchen Bauprodukts mit den vertraglichen Spezifikationen noch hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Konformität des Bauprodukts nachgewiesen sein muss, bindend ist.

3. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/106 in der durch die Richtlinie 93/68 geänderten Fassung ist im Licht des zwölften Erwägungsgrundes dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Vermutung der Brauchbarkeit eines im Einklang mit einer harmonisierten Norm hergestellten Produkts für den nationalen Richter bei der Feststellung der Handelsüblichkeit oder Brauchbarkeit dieses Produkts nicht bindend ist, wenn allgemeine nationale Rechtsvorschriften über den Verkauf von Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verlangen, dass ein Bauprodukt diese Merkmale aufweist.

4. Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der zuletzt durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass nationale Bestimmungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die – außer bei entgegenstehendem Willen der Parteien – implizite vertragliche Bedingungen betreffend die Handelsüblichkeit und die Brauchbarkeit oder die Qualität der verkauften Produkte enthalten, keine technischen Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung sind, deren Entwürfe Gegenstand einer vorherigen Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34 in der durch die Richtlinie 2006/96 geänderten Fassung sein müssen.
--Harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Ungarn wird schön langsam zur Lachnummer, auch beim EuGH. Es geht um das Flüchtlings-Relocation-Program. Zuerst wären von Ungarn 54.000 Asylwerber an die anderen Staaten verteilt worden. Das wollte Ungarn nicht. Daher wurde die Passage gestrichen und konsequenterweise wurden dann natürlich auch Asylwerberquoten zur Aufnahme den Ungarn vorgeschrieben. Dagegen haben Ungarn und die Slowakei geklagt, mit keinem Erfolg:

EuGH vom 06.09.2017, RS C-643/15-C-647/15 (derzeit nur in Englisch verfügbar)
In particular, Hungary stated at those meetings that it rejected the notion of being classified as a ‘frontline Member State’ and that it did not wish to be among the Member States benefiting from relocation as were Italy and Greece. Accordingly, in the final version of the proposal, all reference to Hungary as a beneficiary Member State, including in the title of the proposal, was deleted. Likewise, Annex III to the Commission’s initial proposal, concerning the distribution of 54 000 applicants for international protection whom it had initially been planned to relocate from Hungary was deleted. On the other hand, Hungary was included in Annexes I and II as a Member State of relocation of applicants for international protection from Italy and Greece respectively and allocations were therefore attributed to it in those annexes.
1. Dismisses the appeals;

2. Orders the Slovak Republic and Hungary to bear their own costs and to pay those of the Council of the European Union;

3. Orders the Kingdom of Belgium, the Federal Republic of Germany, the Hellenic Republic, the French Republic, the Italian Republic, the Grand Duchy of Luxembourg, the Republic of Poland, the Kingdom of Sweden and the European Commission to bear their own costs.
--Harald
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