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Hannes Eder, Universal Music Austria- Chef und IFPI Präsident gibt der Fuzo ein Interview.
ORF.at: Die Wirtschaftskrise macht sich nicht bemerkbar?
Eder: Die Krise macht sich nicht zusätzlich bemerkbar. Wir spüren den normalen Paradigmenwechsel, der mit dem Prozess der Digitalisierung zusammenhängt. Damit setzen wir uns aber seit Jahren auseinander. Es gibt aber keine Panik, wir haben auch im ersten Quartal 2009 keine Absonderlichkeiten bemerkt.
Und wir wissen ja auch alle,
wie sie sich damit auseinandersetzen: Mit Klagen gegen Kunden und mit Lobbying, um die Rechtslage so zu ändern, damit sie den bisherigen Behauptungen entspricht.
ORF.at: Im vergangenen Jahr gab es erstmals auch nennenswerte Einnahmen aus Lizenzierungen etwa an YouTube und last.fm. In welchem Bereich bewegt sich das für einen regionalen Major wie Universal Music Austria?
Eder: YouTube ist nach seinem US-Deal mit den Labels sehr offensiv in die Welt hinausgegangen. In vielen Ländern, darunter auch Österreich, wurden Verträge abgeschlossen. Uns hat das 2008 einen sechsstelligen Betrag gebracht. YouTube hat aber nach vier Monaten die Reißleine gezogen, weil ihnen die Kosten zu hoch waren. Österreich war unter den Ländern, die als verzichtbar galten. Wir mussten deshalb unsere Inhalte sperren lassen.
Momentan befinden wir uns in Nachverhandlungen, um unseren Content wieder freischalten zu können. Wenn das größte österreichische Label in vier Monaten einen sechsstelligen Betrag mit YouTube verdient, kann man sich ausrechnen, was das über den ganzen Markt ausmacht. Nur von YouTube.
ORF.at: Viele dieser Dienste klagen darüber, dass die Abgaben an Labels und Verwertungsgesellschaften zu hoch sind und sich für sie nicht rechnen. Einige haben wieder dichtgemacht, andere ihr Angebot regional beschränkt. Wie stellt sich das aus der Sicht der Labels dar?
Eder: Die Zahlungen an die Musik-Companys killen keinen Dienst. Ich weiß von Verwertungsgesellschaften, dass sie unbeweglicher sind als die Labels. Ich finde es schade, wenn neue Dienste durch stures Festhalten an bisher Gelebtes verunmöglicht werden. Aus unserer Sicht ist es besser, die Tür zu einem Geschäftsmodell aufzumachen. Auch wenn wir im ersten Jahr nicht das Maximum herausholen, erreichen wir dafür mittel- und langfristig etwas.
ORF.at: Seitens der Dienste ist immer wieder von hohen Vorauszahlungen zu hören. Wie sehen solche Verträge konkret aus?
Eder: Es gibt unterschiedliche Modelle. Upfront Payments kommunizieren aber immer mit anderen Parametern aus den Verträgen. Es ist nicht so, dass wird da Handgeld erhalten. Diese Zahlungen sind eine Minimumgarantie, die mit den Erlösen am Ende des Jahres abgerechnet werden. Solche Zahlungen betragen in Österreich üblicherweise nicht mehr als eine sechsstellige Summe. Wenn mein Geschäftspartner aber nicht daran glaubt, dass er eine solche Summe im Jahr hereinspielt, aber von mir die Grundlage für sein Geschäft haben will, dann funktioniert das natürlich nicht.
Auf die Frage, was aus den angekündigten Flatfee- Modellen wurde, wo Musiknutzung in der monatlichen Internetgebühr enthalten ist:
Eder: Weil man einen Partner auf der Telekomseite braucht, der das auch so sieht. Das steht derzeit in Österreich wohl nicht im Fokus. Abgeschrieben ist das Thema aber noch nicht.
ORF.at: Beobachter meinen, dass solche Modelle erst dann funktionieren, wenn die Files auch tatsächlich ohne Einschränkungen genutzt werden können.
Eder: Es wird darüber geredet, eine gewisse Anzahl an Stücken zum Abo auch als MP3 ohne Kopierschutzbeschränkungen anzubieten. Wenn das Modell passt, wäre sogar alles als MP3 möglich. Das muss aber logischerweise eine Preisfrage sein. Man kann sich ohne Mathematikmatura ausrechnen, dass man wahrscheinlich nicht zwingend mehr verkauft, wenn alles im ungeschützten MP3-Format unterwegs ist.
Für mich ist es auch eine Frage des Vertrauens. Zwischen Label und Nutzer muss es eine Vertrauensbasis geben. Darum halte ich von extremen Einschränkungen ganz wenig. Wie bei vielen anderen Modellen auch, wird es hier wohl einen Trial-und-Error-Prozess geben.
Das hat er schön gesagt:
1. Ohne DRM ist das Produkt einfach besser, weil es den Kunden nicht für den Kauf bestraft. Der wird es dann auch eher kaufen wollen.
2. Eine Vertrauensbasis kann man auch herstellen, in dem man Kunden nicht beschimpft und sie nicht verklagt (und in dem man sie nicht mit Raubkopierwarnungen quält, aber das tut die Musikindustrie eh nicht).
3. Ob jetzt die Leute, die DRM- freie Musik schon kaufen würden (ich zB) die Leute aufwiegen, denen die Musik dann weitergegeben wird, weiß ich nicht. Allein die Imageverbesserung sollte einem das aber wert sein.
ORF.at: Sie lizenzieren zwar im Business-to-Business-Bereich - etwa an Nokia. Die IFPI stemmt sich aber vehement gegen eine "Kultur-Flatrate", mit der der Tausch von Inhalten im Netz abgegolten wäre. Was stört Sie daran?
Eder: Ich halte es für ein undemokratisches, kommunistisches Prinzip
ORF.at: Inwiefern?
Eder: Zum einen gibt es Leute, die konsumieren überhaupt keine Musik, denen würde diese Gebühr auch abgeknöpft werden.
Leuten Gebühren abknöpfen macht ihm aber sonst kein schlechtes Gewissen. Darüber hinaus, zahlen auch alle TV- Gebühr, auch wenn sie nie fernschauen, Krankenkassenbeiträge, auch wenn sie nie krank sind und - Musikindustrie spezifisch - man zahlt sich auch blöd mit der Urheberrechtsabgabe auf diverse Datenträger, selbst wenn man nur eigene Werke drauf tut!
Zum anderen nimmt das alle Regeln des Wettbewerbs raus. Das wäre die Kapitulation der freien Marktwirtschaft in der Musikwirtschaft. Eine "Kultur-Flatrate" würde letztlich nur über eine gesetzliche Regelung zustandekommen. Da hat dann der Staat die Tarifhoheit. Für mich ist das gleichgesetzt mit Staatskunst, und dann heißt es, bist du ein "guter" Künstler, dann lassen wir den Tarif, wo er ist, bist du "böse", setzen wir ihn um die Hälfte runter. Dem möchte ich mich als Künstler nicht ausgesetzt sehen, und als jemand der ein Business daraus macht, will ich mich dem schon gar nicht ausgesetzt sehen.
Was für ein Quatsch. Erstens eine staatliche Regelung ist nur notwendig, wenn es die IFPI nicht selber aktiv betreibt. Dh sie wäre schon mal sebst dran schuld. Selbst dann, wieso sollte der Staat dann die Tarifhoheit haben? Schon mal was von Grundrechen, Verfahrensbeteiligung der Betroffenen gehört? Und das mit den bösen Künstlern ist so an den Haaren herbeigezogen, ich weiß gar nicht, wie ich das entkräften könnte.
Das mit der Urheberrechtsabgabe sieht die FuZo auch ein, Eder aber nicht:
ORF.at: Die Leerkassettenvergütung funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip.
Eder: Das ist ein anderes System und mit der "Kultur-Flatrate" nicht zu vergleichen. Man kann mit gutem Recht davon ausgehen, dass jemand, der sich eine Leer-CD kauft, auch was draufspielt - Musik, Software oder was auch immer. Die Werke werden privat kopiert, die Künstler fallen um ihr Urheberrecht um. Das muss über den Umweg der Leerkassettenabgabe abgegolten werden. Es steht mir darüber hinaus frei, eine Leer-CD zu kaufen.
Was für ein Unfug. Erstens ist es eben überhaupt nicht anders, zweitens kann man zwar mit gutem Recht davon ausgehen, dass CDs bespielt werden, aber nicht zwangsläufig mit Inhalten, für die die Abgabe zu entrichten ist (zB Backups von eigenen Daten. Ich zB habe hunderte GB nur Backup von meinen gedrehten Kurzfilmen, dafür musste ich auch Abgabe zahlen, habe aber nix zurückbekommen). Das Argument "werden privat kopiert, Künstler fallen um" funktioniert 1:1 eben gerade auch für die Flatrate. Und no na steht es mir frei, eine leere CD zu kaufen. Es steht mir genauso frei, kein Internet zu haben, dann muss ich auch keine Flatrate zahlen.
Zur Three Strikes out sagt er dass er Leute eigentlich nicht verklagen möchte, und dass eh alle "freiwillig" zahlen. Die IFPI verklagt ihre Kunden nicht mehr, und weil es in Frankreich schon beinahe eingeführt ist, kann man es überlegen. Three Strikes out ist jedenfalls nicht verwerflich für ihn, der Weisheit letzter Sch(l)uss ist es nicht. Es geht ihm halt im Endeffekt darum, dass der Urheberrechtsschutz (so wie er ihn versteht) auch mit Sanktionen durchgesetzt werden kann.
Sehr geil finde ich seine Antwort beim Hinweis, dass das französische Modell mehr oder minder ohne jeden Rechtsschutz für die Betroffenen auskommt:
Eder: Ich bin mir ziemlich sicher, dass jemand, der zu Unrecht gesperrt wurde, auch einen Prozess anstreben wird. Dann wird man spätestens beim Entscheid des Europäischen Gerichtshofes wissen, wer recht hat.
Ist das spitze oder was? Nur weil jemand wie Hr Eder 3mal glaubt, ich habe das Urheberrecht verletzt (erinnert ihr euch noch an die Studie, wo Netzwerkdrucker verwarnt worden waren, weil sie angeblich Iron Man runtergeladen haben?), kann ich mir ja in 3 - 8 Jahren vom EuGH (oder meint er den EGMR? Er weiß es wahrscheinlich selber nicht) bestätigen lassen, dass ich eigentlich eh hätte surfen dürfen. Und klar, so ein jahrelanger Prozess kann sich jemand vom Einkommen eines Hr. Eder locker leisten, für die normalen Leute da draußen ist allein das Prozesskostenrisiko Abschreckung genug. Damit rechnet er wahrscheinlich auch.
Mit solchen Kinkerlitzchen hält er sich aber gar nicht auf und geht in die Offensive:
Ich weiß aber auch, mit wem ich spreche, und ich kenn auch die Haltung der Futurezone-Redaktion zu diesen Themen - die wird halt nicht wahrer, weil man länger drauf herumreitet.
Der letzte Satzteil sei auch ihm ins Stammbuch geschrieben. Mit RIESIGEN Lettern. Und Zierzeile.
(Die FuZo repliziert, dass sie als öffentlich- rechtliches Medium eine möglichst breite Berichterstattung anstrebt. Das ist zwar keine Replik auf den Vorwurf, aber trotzdem richtig.)
Ein paar interessante Dinge, die er erwähnt, seien hier noch kurz zusammengefasst: In Aut sind 2/3 mobile Downloads und nur 1/3 "klassischer" Online- Download. Das ist in den meisten Ländern genau andersrum. Das passt imho gut ins Bild, dass es in Aut im Vergleich zur Bevölkerung auch mehr Handyprovider gibt als anderswo.
Außerdem sagt er, dass die CD noch lange überleben wird. Jedoch nicht wegen der peinlichen Werbung für die CD, sondern weil es viele ältere Konsumenten gibt, die nicht umsteigen wollen und weil in Aut sehr viel Volksmusik, Schlager und Klassik verkauft wird. Die letzte CD die ich mir gekauft habe, war auch eine Klassik- CD. Als erstes habe ich sie digitalisiert.