Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Alte Threads aus allen Bereichen die nicht mehr aktuell sind, zum Nachlesen, in Melancholie schwelgen und zum Reminiszieren. Frei nach dem Motto, die Vergangenheit wird länger, die Zukunft kürzer.

:usuk old topics end up here, if they become obsolete
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dejost
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Wahl zum Europäischen Parlament 2014

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Sehr geehrter Leserinnen und Leser!

Ich erkläre den EU-Wahlkampf 2014 für eröffnet.

Die ÖVP verschafft Karas spät aber doch Genugtuung und sendet ihn als Spitzenkandidat ins Rennen, gemeinsam mit Trixi Karl, die es auf der Uni nicht aushält (oder andersrum).
Die Grünen schicken Lunacek und M. Reimon, die FPÖ schiebt Vilimsky ab und Mölzer soll auch in Europa bleiben. Für die NEOS versucht es Ex-Liflerin Mlinar, die aber auch wenn's nix wird nicht verhungern muss: Sie sitzt im NR.
Piraten, KPÖ, Wandel und ev ähnliche Riesenparteien wollen eine Wahlplattform bilden.
Bezüglich BZÖ, HPM und Team Stronach weiß ich jetzt nichts.

Die SPÖ hingegen hat aus dem durchschlagenden Erfolg mit HPM gelernt, nehmen sich die Kritik an Faymann zu herzen und schicken ORF-Pensionist Freund Eugen ins Rennen.

Der Coup ist zumindest dahingehend geglückt, als die Medien seit Tagen wenn nicht Wochen vor allem darüber berichten.

Da war es nur eine Frage der Zeit, bis er das erste Mal - in bester Fuhrmannscher Tradition - ins Straucheln gerät:
http://derstandard.at/1389857525313/Eug ... uro-brutto
Angesprochen darauf, wieviel denn ein Arbeiter in Österreich durchschnittlich verdiene, sagt Freund: "Ich weiß es nicht - ungefähr 3000 Euro brutto?" Tatsächlich liege das Durchschnittsgehalt bei 2000 Euro brutto, korrigiert ihn die Interviewerin. "Das ist sehr wenig. Aber ich glaube nicht, dass ich etwas dafür kann", lautet Freunds Antwort.
Als ob Arbeiter noch eine Kernklientel der SPÖ wären.
profil wrote:profil: Um ein Drittel weniger, 2000 Euro pro Monat.
Freund: Netto?
Laut Statistik Austria liegt das arithmetische Mittel der Nettomonatseinkommen von Arbeitern bei exakt 1616 Euro.

Freund selbst hatte in einem Interview mit "TV-Media" vor seinem Ende beim ORF noch beklagt, dass er von seiner ASVG-Höchstpension nicht leben werden könne. Er glaubt trotzdem, dass er die Klientel der SPÖ-Wähler bedienen kann: "Ich kann mich insofern hineinfühlen in Arbeiter, indem ich immer wieder versucht habe, Leuten zu helfen. Wenn jemand mir erzählt hat, dass er arbeitslos ist, habe ich ein paar Leute angerufen, die ich kenne, und versucht, einen Job für ihn zu finden."

Vom ORF, seinem ehemaligen Arbeitgeber, fühlte sich Freund nach seiner Rückkehr aus den USA schlecht behandelt, hätte er doch nicht einmal einen Schreibtisch gehabt: "In Amerika werden mit Gesichtern wie meinem Autobusse plakatiert, um für den Fernsehsender zu werben. Sage ich in aller Bescheidenheit."

Zur Debatte über Sozialtourismus in der EU wollte sich Freund im "Profil"-Interview nicht äußern, ebensowenig zu Faymanns legendärem Brief an die "Kronen Zeitung". Vorschläge für das neue Parteiprogramm der SPÖ habe er nicht: "Ich kenne nicht einmal das alte Parteiprogramm. Da ist es ein bisschen viel verlangt von mir, jetzt für das neue Programm Änderungen vorzuschlagen." Die SPÖ hätte ihn aber nicht nur wegen seinem bekannten Gesicht geholt. "Wenn die nur ein prominentes Fernsehegesicht wollen würden, hätten sie auch die - wie heißt die Burgenländerin, die diese Diskussionen am Nachmittag macht? - nehmen können."
Er redet relativ viel über sich selbst und relativ wenig darüber, was er genau machen will.

http://www.profil.at/articles/1403/980/ ... ll-clinton

Manche Standard-Poster vergleichen ihn schon puncto Selbsteinschätzung und -demontage mit Stronach, aber er sagt auch kluge Dinge:
Ich glaube nicht, dass die SPÖ noch hinter einer klassenlosen Gesellschaft steht. [nach Hinweis, dass es im Parteiprogramm steht] Wahrscheinlich steht im Parteiprogramm noch viel mehr, das mit der heutigen Realität wenig zu tun hat.
(Obwohl er sich so sicherlich bei Funktionären und zukünftigen Kollegen nicht empfiehlt).
Wenn die NSA sogar in Computern Funkchips einbaut, um sie auszuspionieren, regt mich das auf. Diese Art der Überwachung durch Amerika werde ich ganz rasch zu einem Thema machen. Auch das Freihandelsabkommen ist ein Thema und die Außenpolitik insgesamt.
und natürlich noch weitere weniger kluge Dinge:
Da kann ich nur sagen: Alle Achtung! Werner Faymann weiß, dass ich kein Hohlkopf bin.
Im Standardforum machen schon Wortspiele wie Eugentor und Eugensinnig die Runde.

Fuhrmann übrigens, die en groß Wurstsemmelkäuferin, hat geheiratet und einen anderen Namen und arbeitet jetzt als Politberaterin.
Last edited by dejost on 31 Jan 2014, 10:25, edited 1 time in total.

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Gleich nachdem der Shitstorm ruchbar wurde, ritten Kanzler & Co aus, um Freund Eugen in Schutz zu nehmen (wobei sich die Gewerkschafter noch am meisten gewunden haben). Dass das überhaupt nötig ist, zeigt eh schon, wieviel es geschlagen hat.

Die Rettungsmaßnahmen gehen heute weiter:
http://derstandard.at/1389857575861/Fay ... enkandidat
Der diesbezüglich von allen Journalisten gelöcherte Bundeskanzler meinte bloß: "Nix Schlimmeres soll passieren, als dass einer sich bei der Statistik irrt." Selbst Bruno Kreisky, erinnerte Werner Faymann, "hatte einst Millionen mit Milliarden verwechselt. Mit Eugen Freund kommt einer, der dazupasst."
Jedenfalls einer, so ein eher zurückhaltenderer Sozialminister [und Ex-Gewerkschafter] Rudolf Hundstorfer, der "lernfähig" sei.

Zu dieser Fähigkeit bekannte sich denn auch der einstige ZiB-Anchorman besonders. "Ich habe Sie", sprach er die neuen Kollegen an, "noch nie so sehr bewundert für Ihren Mut, in die Politik gegangen zu sein, wie in den vergangenen Tagen."

Den traditionellen, von ihm allerdings nicht verwendeten Parteigruß abwandelnd, gelobte er Teamgeist. "Freund-Schaft allein ist zu wenig, aber gemeinsam werden wir es schaffen."

An der Außenwirkung des Neuen wird gefeilt. Raphael Sternfeld ist neuerdings für dessen Kommunikation zuständig, und er sagt, dass die umstrittenen Aussagen kein Thema mehr seien. Es gehe um die politischen Inhalte, um Jugendarbeitslosigkeit und die Finanztransaktionssteuer, darum, wie sich die SPÖ zwischen einer nationalistischen Allianz und den konservativen, neoliberalen Kräften aufstelle - und nicht um ein einzelnes Interview.
Kroneedelschleimer Jeanné hat Freund Eugen zunächst einen lobhudelnden Artikel gewidmet, nunmehr aber zugegeben, dass er (J.) sich in ihm (Freund Eugen) geirrt hat. Also dafür, dass er Jeanné zu einer derartig schnellen 180°-Wende veranlasst hat, ist er mir schon wieder sympathisch.

Im Standardforum wird immer wieder drauf hingewiesen, dass Freund Eugen in der Tat dazu passt - eben als abgehobener Politbonze ohne Ahnung von der Welt der Wählenden und so die SPÖ wunderbar repräsentiert.
Unterstellt wird auch, dass die SPÖ deswegen so auf die - sagen wir mal - Unexaktestimation hinweist, weil in dem Interview (siehe voriges Posting) noch mehr Selbstentlarvendes drinnen steht, und Zahlen interessieren eh niemanden so wirklich.

Von den anderen Parteien gibt es auch heute nix.

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Die EU-Austritts-Parteien (genaue Namen entfallen, FPÖ ist aber nicht dabei) haben sich ebenso zu einem Bündnis zusammengeschlossen und sind guter Dinge, die 2600 Unterstützungsunterschriften zu akquirieren.

Die NEOS, da habe ich weiter oben unexakt berichtet, betreiben noch Vorwahlen, ob Mlinar wirklich Listenerste wird.

http://derstandard.at/1389858728451/Tau ... n-Russland
Das bereits bei der Nationalratswahl genutzte Vorwahlsystem kommt auch jetzt wieder zur Anwendung. Dabei werden alle Nominierten bis zu drei Wochen lang im Internet vorgestellt. Alle aktiv Wahlberechtigten können dann gegen einen Unkostenbeitrag von zehn Euro ihre Favoriten wählen. Auch die Mitglieder des Vorstands und die Parteimitglieder vergeben Punkte an ihre bevorzugten Kandidaten. Die Punkte aus Bürgervorschlag, Vorstandsvorschlag und Mitgliedervorschlag werden dann am 15. Februar zusammengezählt, daraus soll sich der endgültige Wahlvorschlag ergeben.
1400 haben schon mitgemacht, 5000 erwarten sie.

Inhaltliches gibt es auch:
Man liebe Europa, es sei aber keine einfache Liebe, erklärte Strolz. Man müsse sich jedoch die Frage stellen, ob man in Zukunft das geriatrische Zentrum der Welt werden oder eine Rolle auf dem Planeten spielen wolle.
Man müsse versuchen, Russland wieder stärker einzubinden, denn historisch gesehen würde es zu Europa gehören. "Die Revolution 1917 war ein Betriebsunfall", sagt Strolz und sagt weiter: "Tausche England gegen Russland." Wenn Großbritannien austreten sollte, wäre das zwar schade, aber "jeder ist seines Glückes Schmied". Den Rechtspopulisten müsse man Emotionen entgegenhalten, meint Strolz. Die Krise der Europäischen Union vergleicht er mit einer "pubertären Phase", aus der man mit einer gestärkten Identität hervorgehen werde.
Für ihn ist Europa eine Erfolgsgeschichte der Demokratie, weshalb man versuchen müsse, Europa eine Identität zu geben. Denn "wer sich nicht definiert, der wird definiert". In Anlehnung an Henry Kissinger fordert er eine Telefonnummer für Europa. Im Moment würde es 28 Nummern geben, so manche davon sei besetzt.

Dass Europa nicht mit einer Stimme sprechen könne, sei ein Jammer, so Strolz. Vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik müsse man gemeinsam agieren. "Wer glaubt, wir nehmen 125 syrische Flüchtlinge auf, und das Problem ist gelöst, der hat nichts verstanden."
Im Forum ereifern sich insbesondere viele über die neoliberalen Tendenzen der NEOS (über deren Ausmaß und Existenz man wohl noch diskutieren kann) und dass sie echt Geld für Mitbestimmung verlangen, was einerseits undemokratisch ist und da sie jetzt Parteienförderung beziehen, unnötig. Unklar ist, ob Parteimitglieder (Jahresbeitrag laut Postern 90 Euro, höher als bei anderen Parteien) das auch noch zahlen müssen.

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http://derstandard.at/1392686826434/Mar ... -anders-an
Der fraktionsfreie EU-Mandatar Martin Ehrenhauser wird für die Wahlplattform "Europa anders" in den Wahlkampf für das Europäische Parlament ziehen. Ehrenhauser wurde am Samstagabend beim Gründungskonvent von den drei Bündnispartnern KPÖ, Piratenpartei und "Wandel" mit 79 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt.

"Die primäre Aufgabe der Politik ist, dass Informationen, Chancen, Vermögen und Ressourcen gerecht verteilt werden. Mit diesem Anspruch gehen wir in die Wahl", erklärte Ehrenhauser (35) in seiner Antrittsrede laut einer Aussendung. Listenzweite hinter Ehrenhauser ist Ulli Fuchs (48).

Ehrenhauser war 2009 für die Liste Hans-Peter Martin ins EU-Parlament eingezogen, hatte sich mit Martin aber später überworfen.
Obwohl sie dank Ehrenhauer keine Unterschriften sammeln müssen, wollen sie es trotzdem tun.

http://derstandard.at/1392686866213/Ach ... ehen-parat

Image
Das 2013 bei der Nationalratswahl aus dem Parlament geflogene BZÖ muss auf die Zugkraft von Bündnisgründertochter Ulrike Haider-Quercia hoffen und noch 2600 Unterstützer finden, um auf dem Wahlzettel zu stehen. 1995 konnte die Juristin als Praktikantin bei der damaligen FPÖ-Abgeordneten Susanne Riess-Passer bereits EU-Luft schnuppern.

Ebenfalls noch auf Unterschriftenfang gehen muss "EU-Stop", zu dem sich die christlich orientierte Partei NFÖ (Neutrale Freie Österreich) des ehemaligen HTL-Lehrers Rudolf Pomaroli und die "EU-Austrittspartei" von Robert Marschall, dem Herausgeber des Stadtmagazins Wien-konkret, zusammengeschlossen haben.

Hans-Peter Martin und das Team Stronach haben noch nicht bekanntgegeben, ob sie am 25. Mai antreten.
Mehr zur Retro-BZÖ-Spitzenkandidatin.

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http://derstandard.at/1392687594230/Sta ... S-gewaehlt
Stadler will mit seinen "Reformkonservativen" den Einzug ins EU-Parlament schaffen. Sein Stellvertreter ist Rudolf Gehring, gleichzeitig Chef der Christenpartei CPÖ.
Die Gastrede beim Parteitag hielt der ehemalige Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Werner Münch von der CDU. Ziel der REKOS ist es, jenes Mandat, das Stadler über das BZÖ erreicht hat, zu verteidigen. Programmatisch hat man sich vorgenommen, für die Abschaffung des EU-Parlaments einzutreten.

http://derstandard.at/plink/1392687594230/36354903
ich sag'r grad raus wrote:Ich bin hin- und hergerissen.

Soll ich Ewald Stadler wählen?

Nein: Er ist überhaupt nicht auf meiner Linie, ja diametral entgegengesetzt. So jemand kann ich nicht unterstützen.

JA: Andererseits, es gibt doch eine Menge Gründe: 1) Er ist Garant für absurde Politrealsatire vom Feinsten. Das zeigt sich an 2) in hier bereits verlinkten Interviews über Ski-Unfälle und göttliche Fügung, sowie zB an der 3) Forderung, das EU-Parlament – in welches er ja erst gewählt werden will – abschaffen zu wollen. Dieser Widerspruch in sich bringt auch den Wähler in eine Zwickmühle: 4) Wenn man Stadler also nicht schätzt, müsste man ihn dann nicht erst recht in das von ihm verhasste EU-Parlament wählen – quasi zu Fleiß? (Und umgekehrt, als sein Befürworter eben nicht?)

Fazit: schwierig!

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dejost
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Lustiges Kandidatenkegeln:

Mölzer muss ganz zurückziehen.
Nicht dass ich das nicht gut finde, aber es waren ja nicht seine ersten rassistischen Rülpser - wird wohl daran liegen, dass er einen erfolgreichen österreichischen Fußballer beleidigt hat, wenigstens auf das scheint die FPÖ-Klientel schlecht zu reagieren.

Team Stronach tritt nicht an, was zu erwarten war.

Tochter Haider macht es dem verstorbenen Herrn Papa gleich: Kaum da ist sie schon wieder weg.
Den Rückzug begründet Haider-Quercia in einem E-Mail an die APA aber auch mit Querelen innerhalb des BZÖ: "Es gab ständig Kritik aus den eigenen Reihen, wenn ich meine unabhängige politische Richtung kundgetan habe. Insbesondere wurde Kritik geübt an meinen pro-europäischen Positionen und zur Sicherheitspolitik in Europa." Ehemann Paolo Quercia erklärte, dass das nicht nur ein Rückzug von der Spitzenkandidatur sei, sondern komplett von der BZÖ-Liste. Den Grund für den Ausschluss von Werthmann sieht die Juristin und Politologin auch in der Haltung des BZÖ: "Der Ausschluss ist unter anderem auch deshalb passiert, da das BZÖ nicht bereit war, den Weg, den ich vorgegeben habe, zu gehen."
Btw, Freund Eugen hat wieder ein Interview gegeben.
Dass er beim ersten Mal in ein Fettnäpfchen tappt, meinetwegen, aber jetzt, Wochen später, wundert mich die Qualität der Antworten umso mehr.
http://derstandard.at/1395363636317/Oes ... -aufnehmen
Ich empfehlen das Interview zu lesen, es sind relativ ahnungslose Antworten zu Asyl drinnen, Verteidigung von Vitamin B und tappt gleich in ein Straßburg-Fettnäpfchen.

harald
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@Freund und Standard: Mal wieder eine Kabarettkarte gespart. :twisted:
--Harald
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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Martin Ehrenhauser hat in der Pressestunde (es war mehr so eine Art Europawahldiskussionrsunde am Sendeplatz der Pressestunde, aber ich nenne es jetzt trotzdem so) eine etwas trotzige Wutrede gehalten und ist dann - um ein Zeichen zu setzen - aufgestanden und gegangen, hat dann ein paar Tage lang am Ballhausplatz aus Protest gegen die Hypo campiert und macht seit dem Wahlkampf wie geplant.
Ich musste den Ton bei seiner Wutrede abdrehen, so sehr zum Fremdschämen war es. Vorher hat er noch tief durchgeatmet, das ganze war also geplant (hat er auch nie abgestritten).
Wie schon erwähnt, derartigen Aktionismus find ich eher peinlich, aber vermutlich ist er in Wahrheit dazu gezwungen: Europa Anders besteht aus Piraten, Wandel und KPÖ, also 3 Fraktionen über die sonst nie irgendwer irgendwas schreibt und wenn doch nichts Positives. Durch diese Aktion war er in allen Medien, und er hat zumindest immer ein paar seiner Punkte mitkommunzieren können.

Im Vergleich dazu, die Werthmann - das ist die neue Spitzenkandidatin des BZÖ - geht völlig unter (was natürlich auch daran liegt, dass das BZÖ kaum Programmpunkte vertritt, die nicht ÖVP oder FPÖ - oder eh alle - schon vorher vertreten haben). Vor diesem Hintergrund muss man seine Aktion zumindest als zweckmäßig betrachten.

Ich muss den ORF loben, er hat Marschall, den Spitzenkandidaten von EU-Stop (so heißt die Eu-Austrittsliste, weiter oben konnte ihc mich nicht erinnern) schon in der ZIB2 eingeladen und in der Pressestunde. Bei der NR-Wahl hat er seine Fraktion noch völlig geschnitten.
Man hat ihn auch diesmal gefragt, wieso er auf der von ihm betriebenen HP etwas über den Ausländeranteil in den Wiener Bädern (die Bäderbewertung scheint sein Unique Selling Point zu sein) schreibt - er hat immer so rumlaviert, aber er hätte doch einfach sagen sollen: "Das ist etwas, was die Leserinnen und Leser meiner Seite interessiert, und deswegen stelle ich diese Information zur Verfügung, ich sehe nichts Verwerfliches daran serviceorientiert zu sein, als Politiker versuche ich genauso im Interesse meiner Wähler zu handeln."
Obwohl es nicht rauskommt, scheint er schon ungefähr so weit rechts wie die FPÖ zu stehen.

Stadler möchte, dass die Leute, die den Christen-BPRäs-Kandidaten gewählt haben auch für die EU-Wahl ansprechen, dann ist seine Liste jedenfalls drinnen.
Im Standard gibt es Chats mit

http://derstandard.at/1397522601444/Sch ... ikattacken

Grüne und ÖVP fürchten sich vor den NEOS und greifen deswegen zu Dirty Campainging.
(Im Vergleich dazu, was in den USA üblich ist, ist es immer noch supersauber, aber wehret den Anfängen)

Image Steht zwar nicht dabei, ist aber von der ÖVP (laut derstandard.at)
Image sehr verkürzend, aber vermutlich noch grade nicht gelogen.

Die Neos hingegen spielen derzeit fair:
Image
Große Gegenattacken seien aus Sicht der Neos jetzt auch gar nicht nötig, sagt auch Politikwissenschafter Peter Filzmaier im STANDARD-Gespräch: "Kurzfristig sind die Neos in ihrem Image so verfestigt, dass ihnen die Angriffe für die EU-Wahl nicht schaden können", glaubt er. Der Politologe sieht die EU-Wahl vielmehr als erste "Spielwiese", auf der ÖVP und Grüne ausprobieren können, wie sie mit der pinken Konkurrenz umgehen und ihr abgewanderte Wähler abspenstig machen könnten. Und das ist eine ganze Menge, denn ÖVP und Grüne haben bei der Nationalratswahl 2013 beide jeweils rund 50.000 bis 60.000 Stimmen an die damals erstmals kandidierende neue Partei rund um Matthias Strolz verloren, für die Grünen war der Anteil bezogen auf ihre Wählerschaft ein entsprechend größerer. "Von den Wählerströmen her ist es also vollkommen logisch, dass die Neos angegriffen werden", sagt Filzmaier. Die Frage sei allerdings, "warum so spät, ob nicht zu spät und ob es die richtige Wahl der Mittel ist", sagt Filzmaier, aber immerhin: "Beide, ÖVP und Grüne, machen nicht mehr den Fehler, die Neos zu unterschätzen."
Gerade bei der EU-Wahl sei Othmar Karas als ein Kandidat positioniert, der mit Kompetenz und Fachwissen punkten will. Im Vergleich mit Neos-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar stünde Karas als der "professionellere und kompetentere" Kommunikator da. Karas sei "durchaus ein Gegengift der ÖVP gegen die Neos". "Brachiale Aktionen" wie die pinkfarbenen Luftballons könnten jedoch kontraproduktiv wirken.
Aus grüner Perspektive gehe es jetzt darum, die Neos "vom Eck neu und innovativ ins Eck neu und ein bissl kurios" zu holen, sagt Filzmaier unter Verweis auf Neos-Chef Matthias Strolz und dessen Hang zu blumigen Metaphern und Bildern in seinen Reden.
Ein Standardposter weist daraufhin, dass das Grüne vs NEOS Sujet der Grünen noch das Plakat mit dem meisten Inhalt im gesamten (bisherigen) Wahlkampf darstellt.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

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TV-Duell der beiden EU-Spitzenkandidaten Juncker und Schulz in ZDF und ORF

Ich hab's mir angeschaut, und finde grundsätzlich ist das eine sehr gute Sache, dass es das gibt. Das bringt den Europawahlkampf wirklich in die Wohnzimmer, da sieht man den zukünfitgen Kommissionpräsidenten und nicht nur inländische Politiker, die von inländischen Journalisten zu tagespolitischen, inländischen Themen befragt werden.

Inhaltlich waren die beiden doch bei sehr vielen Punkten der selben oder zumindest einer ähnlichen Meinung. "Es spricht ja für ihn, dass er meiner Meinung ist" "Wieso sollten wir so tun, als ob wir nicht einer Meinung sind? Wahlkampf ist nicht das Organisieren von Massenschlägerein ohne Grund"
Es liegt wohl auch daran, dass vor allem Juncker im Vergleich zu mancher Mitgliedspartei der EVP sehr nah an der Mitte ist.

Schulz hat mehr auf den Putz gehaut, und mehr Show abgezogen, was wohl auch daran liegt, dass deutsch seine Muttersprache ist, Junckers aber nicht.
Auch hat Schulz stellenweise richtig sozialdemokratische Positionen bezogen, dass sind wir in Österreich gar nicht gewohnt.

Interessant war auch, dass sie teilweise Dinge gefordert haben, die der bisherigen Politik nicht so entsprechen und dann aber doch oft eingeräumt haben, dass es einfach nur an den Mitgliedsstaaten liegt bzw scheitert, was zwar sicher richtig ist, die Bedeutsamkeit der Wahl unterstreicht es aber nicht.

An der Show haben sie teilweise - wie spontan sein dahingestellt - Twitter und FB-Postings aufgegriffen, das fand ich recht gut. Dass aber beide Claqueure mithatten, fand ich unnötig.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

http://orf.at/stories/2229816/2229818/

"Wenn Satire nicht mehr auffallen kann" titelt der ORF, das lässt Übles für Europa ahnen.
Komplimente für die Intelligenz der Wähler sehen anders aus: Werber quer durch Europa gehen offenbar davon aus, dass Inhalte Stimmen kosten, und gehen beherzt genau in die Gegenrichtung. Wie nie zuvor fallen im laufenden EU-Wahlkampf betont inhaltsfreie Sujets vom Plakat bis zum TV-Spot auf, die nicht den Hauch irgendeiner europapolitischen Aussage haben - dafür aber umso mehr Sex & Crime. Oder Unfug.

Der Spitzenplatz dabei kommt wohl „Voteman“ zu, der immerhin vom dänischen Parlament ins Rennen geschickt wurde. Wenn der Zeichentricksuperheld nicht gerade in Orgien mit einer Handvoll Frauen verstrickt ist, reißt er Nichtwählern aller Couleurs den Kopf ab oder schlägt ihnen zumindest die Zähne ein. Bei der Produktion des Films sei real existierenden „Hipstern keine Gewalt angetan“ worden, beruhigt der Nachspann. Irgendetwas daran muss aber sogar den Dänen zu viel gewesen sein.[...]Ob es nun die Delfine im SM-Outfit waren oder das viele Blut - das dänische Parlament zog den Spot nach wenigen Tagen wieder zurück [...]Betont werden muss allerdings, dass rotzig-satirische Wahlaufrufe in Dänemark Tradition haben, wie schon ein Wahlaufruf für die Parlamentswahl im letzten Jahr beweist. Und abgesehen davon ist die Satire zumindest beabsichtigt - im Unterschied zu anderen Ländern.
In Italien etwa überboten einander vor allem die Kandidaten der Rechten mit sinnfreien Wahlbotschaften. Da zeigt sich Alleanza-Nazionale-Kandidat Fabrizio Bracconeri vom eigenen Diäterfolg begeistert: „Ich habe abgenommen. Jetzt liegt es an Europa.“ Seine Parteikollegin Chiara La Porta wortspielt sich unterdessen selbst ins Out und fordert, man solle La Porta (die Tür) „in Richtung Zukunft öffnen“.
Finde ich jetzt nicht so arg.
In einem Wahlwerbespot geben sie ihrer Wählerschaft unter dem Titel „Sex in der Arbeit“ (mit Klischee-Büro-Blondine) folgende Kausalkette vor: „Jeder hat in der Pause auf etwas anderes Lust. Und Sex in der Arbeit ist toll. Nur schade, dass in Tschechien fast eine halbe Million Leute keine Arbeit haben. Wählt sozialdemokratisch.“
Sex sells, auch bei Wahlen?
Für die antieuropäische Alternative für Deutschland (AfD) ist die EU etwa genau so demokratisch wie das „dicke koreanische Kind“. Gemeint ist Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Außerdem im Angebot: Frauen in Latex mit Handschellen (wahlweise in Leder mit Faustfeuerwaffen), die „Kriminalität härter angehen“; Frauen in Stringtangas, die „p(r)o Vielfalt“ werben; und noch mehr Stringtangas, die „gegen political correctness“ Stellung beziehen.

Bei den Piraten wiederum wird das Brüsseler Manneken Pis affichiert. Der Slogan „Wenn jemand zuschaut, kann ich nicht“ soll offenbar gegen die Abhörpraktiken der NSA gerichtet sein. Beim deutschen Niveau-Limbo ist allerdings zu bedenken, dass die Bundesregierung selbst die Latte ziemlich tief gelegt hat - mit einem offiziellen Wahlaufruf, der just das Klischee der gekrümmten Gurke bemüht, die inzwischen nur noch die verbohrtesten EU-Kritiker für Realität halten sollten. Der Slogan: „Wählerisch solltest du nur in deiner politischen Entscheidung sein.“
Angesichts der deutschen Slogan- und Plakatlandschaft nimmt es nicht wunder, dass der Humor des Spaßprojekts „Partei“ immer wütender wird. Das Team um den früheren „Titanic“-Chefredakteur Martin Sonneborn bemüht sich immer verzweifelter darum, trotz der Konkurrenz durch die „echte Politik“ noch als Satire erkennbar zu sein, zuletzt etwa durch die exakte Kopie einer Hitler-Rede aus dem Jahr 1935 als offiziellen Wahlkampfspot. Auch das half nichts: „Die Partei“ hat dem Vernehmen nach reelle Chancen auf einen EU-Parlamentssitz.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Gestern abend war die europweite Diskussion der Europäischen SpitzenkandidatInnen: Jean-Claude Juncker (EVP), Martin Schulz (SPE), Guy Verhofstadt (ALDE, das sind die Liberalen), Ska Keller (Grüne) und Alexis Tsipras (Linke).
Erstmalig in der Geschichte der EU.

Ich hab's mir via Webstream angeschaut, weil in ORF III war's mit Simultanübersetzung auf Deutsch, die meisten haben aber Englisch gesprochen. Der Stream hatte ab und an ein paar Aussetzer.

Guy, Ska und Schulz haben sehr gut Englisch gesprochen, Juncker französisch (manche Kommentatoren meinen aus wahltaktischen Gründen wegen Frankreich) und Tsipras griechisch.
Alle haben sich recht gut dargestellt, wobei die 3 erstgenannten die Plattform besser zur Selbstdarstellung nutzgen konnten, Juncker hat interessanterweise genauso gewirkt wie in der deutschsprachigen Diskussion mit Schulz.

Die Diskussion war sehr diszipliniert und fair, es gab beinahe gar keine Attacken und viele Übereinstimmungen.
Letzteres ist auch das, was die Medien aufgegriffen haben zB "Große Klüfte zwischen den Kandidaten taten sich dabei jedoch nicht auf." (orf.at)

Es lag teilweise auch daran, wie die Fragen gestellt bzw beantwortet wurden: Sie haben überwiegend davon gesprochen wo sie hinwollen - und das ist halt für alle dasselbe, ein friedliches, sicheres demokratisches Europa mit Arbeit und Wohlstand für alle. Der Weg dorthin wird sich sehr unterscheiden, aber auf das sind sie nur teilweise eingegangen - Ska hat öfter mal "green jobs" gesagt, Tsirpas wollte die Austeritätspolitik beenden, Guy fand die Bankenunion ausreichend, Schulz hat wieder sozialdemokratische Gemeinplätze besucht.

Wie man die geringe Wahlbeteiligung heben kann, hatte auch keineR ein Patentrezept, wobei mehrere drauf hingewiesen haben, dass die EU-Wahl von den Staaten halt jeweils als Denkzettelwahl, Zwischenwahl usw behandelt wird.

Wer von den 5 (oder realistischer: 2) Kommissionspräsident wird, im Rahmen der Diskussion hat sich keiner disqualifiziert, im Gegenteil.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

So, eine ausführliche Analyse des Ergebnis habe ich noch nicht gemacht, aber zumindest das Ergebnis für Österreich poste ich mal:

ÖVP
2014: 27,0 %
2009: 30,0 %
Differenz: -3,0 %

SPÖ
2014: 24,1 %
2009: 23,7 %
Differenz: +0,4 %

FPÖ
2014: 19,7 %
2009: 12,7 %
Differenz: +7,0 %

GRÜNE
2014: 14,5 %
2009: 9,9 %
Differenz: +4,6 %

BZÖ
2014: 0,5 %
2009: 4,6 %
Differenz: -4,1 %

NEOS
2014: 8,1 %
2009: nicht teilgenommen

REKOS
2014: 1,2 %
2009: nicht teilgenommen

ANDERS
2014: 2,1 %
2009: nicht teilgenommen

EUSTOP
2014: 2,8 %
2009: nicht teilgenommen

Strache, der am letzten Platz der F-Liste stand, hat die zweitmeisten Vorzugsstimmen.

Und Madeleine Petrovic hat ihren Vorzugsstimmenwahlkampf erfolgreich abgeschlossen, sie ist die Nr. 2 bei den Grünen, die drittgereihte Vana ist bei den Vorzugsstimmen nur Platz 6.

Für die europaweiten Ergebnisse verweise ich zB auf diese interaktive Karte http://www.sueddeutsche.de/politik/alle ... -1.1973782

Ich verweise noch auf diesen Kommentar im Standard:
http://derstandard.at/2000001590061/Von ... ur-EU-Wahl

Er ist sehr böse, aber trotzdem lesenswert.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Wenn die Kommission steht, werde ich diesen Thread archivieren.

Momentan aber konstituiert sich das neue EP:
http://derstandard.at/2000002497614/Sch ... aesidentin
An keinem Ort in Europa zeigt sich die kulturelle Weitläufigkeit und politische Vielfalt der Union so sehr wie am ersten Plenartag nach der EU-Wahl, wenn die Abgeordneten aus 28 Ländern mit ihren Mitarbeitern in der alten Europastadt im Elsass zusammenströmen. Aber es bildet sich auch die schiere Größe der Gemeinschaft ab. 751 Abgeordnete gibt es. Sie vertreten insgesamt 507 Millionen Bürger; gehören insgesamt 186 Listen und Parteien an.

Blättert man durch die jüngsten Statistiken des Parlaments, lassen sich einige Superlative finden: So ist der älteste Mandatar, der Grieche Emmanouil Glezos, 91 Jahre alt. Er hat für die Syriza kandidiert und wird auch Mitglied der Linksfraktion werden, einer von sieben Fraktionen insgesamt, die mit 52 Abgeordneten die Grünen (50) auf Platz sechs verdrängt hat.

Glezos ist in seiner Heimat ein Nationalheld, berühmt dafür, dass er nach der Befreiung von den Nazis 1994 [sic!, laut wiki ist es überhaupt ein blödsinn, und er hat 1941 als beginn des widerstandes gegen die besatzung das gemacht] die Hakenkreuzfahne vom Dach des Parlaments geholt hat
Man wird auch kaum ein Parlament auf der Welt finden, in dem neun ehemalige Premierminister sitzen, und noch mehr ehemalige Minister. Der Pole Jerzy Buzek, der Belgier Guy Verhofstadt oder die Finnin Anneli Jäätteenmäki sind Beispiele für Ex-Regierungschefs. Sie werden im Kuppelsaal auf sieben EU-Kommissare treffen, die nun ein Abgeordnetenmandat bekommen haben; darunter die für Justiz zuständige Viviane Reding aus Luxemburg oder Außenhandelskommissar Karel de Gucht.
Interessant ist auch, dass der Frauenanteil jetzt 37 Prozent betragen wird, seit zwanzig Jahren ständig steigend: Damit hat das Parlament beinahe jene Quote von 40 Prozent erreicht, die sie auch von der neuen EU-Kommission verlangt. Fast genau die Hälfte der EU-Abgeordneten sind neu in Straßburg. 50,6 Prozent beginnen eine weitere Legislaturperiode.

Für den Deutschen Elmar Brok (CDU) etwa, der 1979 bei der ersten Direktwahl in Straßburg einzog, ist es die achte Legislatur. Er wird als eines der politischen Schwergewichte den außenpolitischen Ausschuss leiten.
Es wird - nach dem Scheitern der Rechtsfraktion mit Front National und FPÖ - sieben Fraktionen geben. Zum alten und neuen Präsidenten wird heute, Dienstag, der SPD-Mann Martin Schulz gewählt werden, der Spitzenkandidat von Europas Sozialdemokraten. Die Amtszeit des Präsidenten wird aber "geteilt", Anfang 2017 kommt ein Nachfolger aus dem Lager der Christdemokraten. Karas - bisher Vizepräsident - rechnet sich Chancen aus.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Schulz ist jetzt wieder zum EU-Parlamentspräsident gewählt worden und hat sich zumindest im ZIB-Interview neulich sehr staatsmännisch (und als guter Verlierer) gegeben. Mal sehen, wann es eine Kommission gibt.

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Juncker hat nunmehr seine Kommission vorgestellt.
Es kann aber noch bis 9. Oktober dauern, bis feststeht, ob sie auch in der Form vom Europäischen Parlament bestätigt wird.

Jean-Claude Juncker (Luxemburg - 59 Jahre - EVP) - Präsident

Federica MOGHERINI (Italien - 41 - Sozialdemokratin) - Vizepräsidentin und EU-Außenbeauftragte

Frans TIMMERMANS (Niederlande - 53 - Sozialdemokrat) - Vizepräsident für Bessere Regulierung

Jyrki KATAINEN (Finnland - 42 - EVP) - Vizepräsident für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerb

Andrus ANSIP (Estland - 57 - Liberal) - Vizepräsident für Digitalen Binnenmarkt

Alenka BRATUSEK (Slowenien - 44 - Liberal) - Vizepräsidentin für Energieunion
[edit/Nachtrag:Die hat sich als Ministerpräsidentin selbst vorgeschlagen, was ua einer der Gründe war, wieso sie es dann nicht wurde]

Valdis DOMBROVSKIS (Lettland - 42 - EVP) - Vizepräsident für Euro und Sozialdialog

Kristalina GEORGIEVA (Bulgarien - 61 - EVP) - Vizepräsidentin für Budget und Humankapital

Johannes Hahn (Österreich - 56 - EVP) - Nachbarschaftspolitik und Erweiterung

Vytenis ANDRIUKAITIS (Litauen - 63 - Sozialdemokrat) - Gesundheit und Konsumentenschutz

Miguel ARIAS CANETE (Spanien - 64 - EVP) - Energie und Klima

Dimitris AVRAMOPOULOS (Griechenland - 61 - EVP) -Einwanderung/Inneres

Elzbieta BIENKOWSKA (Polen - 50 - EVP) - Binnenmarkt, Industrie und Unternehmen

Corina CREŢU (Rumänien - 47 - Sozialdemokratin) - Regionalpolitik

Jonathan HILL (Großbritannien - 53 - ECR) - Finanzstabilität, Finanzdienste und Bankenunion

Phil HOGAN (Irland - 54 - EVP) - Landwirtschaft

Vera JOUROVA (Tschechische Republik - 49 - Liberal) - Justiz

Cecilia MALMSTRÖM (Schweden - 46 - Liberal) - Handel

Neven MIMICA (Kroatien - 60 - Sozialdemokrat) - Entwicklungszusammenarbeit und europäische Hilfe

Carlos MOEDAS (Portugal - 43 - EVP) - Wissenschaft und Innovation

Pierre MOSCOVICI (Frankreich - 56 - Sozialdemokrat) - Wirtschaft, Finanzen und Steuern und Zollunion

Tibor NAVRACSICS (Ungarn - 48 - EVP) - Bildung und Kultur

Günther OETTINGER (Deutschland - 60 - EVP) - Digitale Agenda/Telekom

Maros SEFCOVIC (Slowakei - 48 - Sozialdemokrat) - Verkehr und Transport

Christos STYLIANIDES (Zypern - 56 - EVP) - Humanitäre Hilfe und Zivilschutz

Marianne THYSSEN (Belgien - 58 - EVP) - Soziales, Beschäftigung und Eurostat

Karmenu VELLA (Malta - 64 - Sozialdemokrat) - Umwelt und Fischerei

Margrethe VESTAGER (Dänemark - 46 - Liberal) - Wettbewerb

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Oettinger is noch nicht Kommissar, aber gleich ein ordentliches Fettnäpfchen:
„Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann doch nicht von uns erwarten, dass wir ihn schützen. Vor Dummheit kann man die Menschen nur eingeschränkt bewahren.“ Das sagte der designierte EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, bei seiner Anhörung vor dem EU-Parlament zu der Frage, wie Bürger im Internet geschützt werden können.
Auch dass Datenschutz und IT-Security Neuland seien, sagte Oettinger, der sehr selbstbewusst auftrat, während des Hearings. Auf viele Fragen, die zu Beginn gestellt wurde, antwortete Oettinger jedoch mit: "Das beantworte ich später".
Er sagt ein paar schlaue Dinge auch, aber für mich hat er sich mit solchen undifferenzierten Äußerungen für's Erste mal disqualifiziert.
Und zum Thema Netzneutralität:
Bei genauerer Nachfrage ergab die Befragung allerdings, dass er den alten Kommissionsvorschlag unterstützt, wonach ein "Zwei-Klassen-Internet" durch zahlreiche Ausnahmen durchaus möglich erscheint.
http://futurezone.at/netzpolitik/oettin ... os-im-netz

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Re: Wahl zum Europäischen Parlament 2014

Post by dejost »

Vor kurzem wurde die - aufgrund von Protesten etwas adaptierte - Kommission angelobt und soll angeblich schon arbeiten.

Präsident Jean-Claude Juncker Luxemburg EVP

Bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtstaatlichkeit und Grundrechtecharta
Erster Vizepräsident und Stellvertreter von Juncker Frans Timmermans Niederlande SPE

Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik
Vizepräsidentin Federica Mogherini Italien SPE

Haushalt und Personal
Vizepräsidentin Kristalina Georgiewa Bulgarien EVP
[Kristalinia ist ein cooler Vorname]

Digitaler Binnenmarkt
Vizepräsident Andrus Ansip Estland ALDE

Energieunion
Vizepräsident Maroš Šefčovič Slowakei SPE

Euro und sozialer Dialog
Vizepräsident Valdis Dombrovskis Lettland EVP
[Euro und sozialder Dialog ist eine sehr eigentartige Kombination]

Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit
Vizepräsident Jyrki Katainen Finnland EVP
[Wettbewerb und Arbeitsplätze ist auch so eine Kombination wie "Umwelt & Landwirtschaft" oder "Wirtschaft & Arbeit"]

Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Phil Hogan Irland EVP

Klimaschutz und Energie Miguel Arias Cañete Spanien EVP

Wettbewerb Margrethe Vestager Dänemark ALDE

Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger Deutschland EVP
[hoffentlich sind seine bisherigen Fettnäpfchen nur das gewesen und nicht mehr]

Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zollunion Pierre Moscovici Frankreich SPE

Bildung, Kultur, Jugend und Sport Tibor Navracsics Ungarn EVP

Beschäftigung, soziale Angelegenheiten, Qualifikationen und Mobilität der Arbeitnehmer Marianne Thyssen Belgien EVP

Umwelt, Maritime Angelegenheiten und Fischerei Karmenu Vella Malta SPE

Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen Johannes Hahn Österreich EVP

Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion[Anm. 1] Jonathan Hill Vereinigtes Königreich AECR

Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis Litauen SPE

Humanitäre Hilfe und Krisenschutz Christos Stylianides Zypern EVP

Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU Elżbieta Bieńkowska Polen EVP

Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung Neven Mimica Kroatien SPE

Justiz, Verbraucher und Gleichstellungsfragen Věra Jourová Tschechien ALDE

Migration, Inneres und Bürgerschaft Dimitris Avramopoulos Griechenland EVP

Regionalpolitik Corina Crețu Rumänien Rumänien SPE

Forschung, Wissenschaft und Innovation Carlos Moedas Portugal EVP

Handel Cecilia Malmström Schweden ALDE

Verkehr und Weltraum Violeta Bulc Slowenien ALDE

Wenn ich mal Kommissar werde, möchte ich bitte auch Weltraum als Ressort haben.
Davon abgesehen, es sind schon sehr viele in sich widersprüchliche Ressorts, ich habe nur dann nach einiger Zeit aufgegeben, es jedes Mal dazu zu schreiben. Bei der schieren Menge an KommissarInnen kann ich nicht nachvollziehen, wieso das nötig ist.
Wie schon teilweise erwähnt, ein paar haben ja schon vorab Peinlichkeiten geliefert, teilweise auch wirklich problematische Äußerungen. Aber warten wir mal ab, nicht gleich das Kind mit dem Bade in den Brunnen und so.
Endlich werden unerhörte Steuerprivilegien für so manchen Großkonzern - Amazon, Starbucks, Apple, Facebook uvm - breiter diskutiert, was aber auch zur Folge hat, dass man JC Juncker gleich wieder Rücktrittsaufforderungen an den Kopf wirft, soll er doch bei der Verhandlung von so mancher legaler Steuerhinterziehung (vulgo Steuerprivileg, insbesondere Amazon) mitgewirkt haben (und das Ergebnis auf jeden Fall ist zum Schaden der Allgemeinheit, inwieweit er daran Mitschuld hat, soll mal der Investigativjournalismus aufklären).

Damit ist das EU-Wahl-Thema 2014 abgeschlossen. Ich werde ihn wohl bald ins Archiv verschieben.

Alles weitere zum Thema bitte in das allgemeine EU-Thema. :eu

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