Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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dejost
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

Wohin geht Europa? Matthias Strolz ist nicht sehr optimistisch:

https://www.zeit.de/amp/politik/ausland ... tive-achse

Ich darf ersuchen und empfehlen, den Artikel zur Gänze bei der Zeit zu lesen.

Sollte er aber mal hinter einer Bezahlschranke odgl verschwinden, so erlaube ich mir doch ein paar Auszüge daraus zu zitieren, es wäre interessant zu wissen, ob sich Strolz Prognosen als kassandrisch erweisen werden.
Man müsste meinen, jeder einzelne dieser Sachverhalte [Brexit, Flüchtlingskrisen, Demokratieabbau etc] wäre dringlich genug, damit Europa endlich erwachsen wird. Eine gute Familie reagiert auf Bedrohungen von außen mit Zusammenhalt. Sie antwortet auf Krisen in der Nachbarschaft gemeinsam und entschlossen. Doch nicht unsere Familie. Die bislang stärkste Stimme im Familienverband steht mit dem Rücken zur Wand. Angela Merkel kann die EU offensichtlich nicht mehr führen. Sie hat nicht mehr die Kraft, Gemeinsamkeit herzustellen. Doch auch der neue Protagonist für mehr europäische Gemeinsamkeit, Emmanuel Macron, wirkt derzeit zu unsortiert, als dass er entsprechende Allianzen formen könnte. Zudem hat er als französischer Regierungschef alle Hände voll zu tun.
Es ist also die Stunde seiner Antagonisten. Sie heißen Viktor Orbán, Sebastian Kurz, Matteo Salvini, Horst Seehofer. Sie haben keine Vision für Europa, aber sie haben Lust auf Macht. Sie sind professionell und kaltschnäuzig. Eloquent und hemmungslos.

Intellektuelle Redlichkeit empfinden diese Herren eher als Bremsklotz, die aktuellen und potentiellen Empfindungen des Volkes sind der Maßstab. Ihr Leitfrage: Wo lässt sich emotionalisieren, polarisieren und davon profitieren? So forderte Matteo Salvini, der neue starke Mann Italiens, einst die Rassentrennung für öffentliche Verkehrsmittel. Den Euro hält er für "eine kriminelle Währung". Viktor Orbán fordert das Ende der liberalen Demokratie und will sie durch eine illiberale Demokratie ersetzen, die er als "christlich" verkauft. Ein "Pfad der Tugend", dem sich auch die CSU anschließen will
Als Liberalen kommt Strolz hier sicherlich nochmal doppelt so stark das Kotzen.
Solche Dinge passieren nicht, weil Orbán oder der CSU das Kreuz wichtig wäre. Solche Dinge passieren, weil sie funktionieren. Es geht um Effektivität. Es ist eine seelenlose Politik, die diese Leute betreiben. Sie haben kein inhaltliches Anliegen, sie wollen die Macht – gewinnen, erhalten, ausbauen.

Natürlich braucht jeder Politiker und jede Politikerin ein gesundes Machtbewusstsein. Das ist Teil der Berufsqualifikation. Doch dazu müssten ein innerer moralischer Kompass und eine inhaltliche Überzeugung kommen, die verhindern, dass allein der Wille zur Macht das Handeln bestimmt – und mittelfristig korrumpiert. Das aber, den moralischen Kompass und die inhaltlichen Überzeugungen, kann ich bei den neuen nationalkonservativen Populisten nicht erkennen. Sie sind frei von diesen Bremskräften und deswegen so zügig unterwegs. Sie sind Opportunisten der Macht.
Ich zweifle nicht an [Kurzens] großen polit-handwerklichen Fähigkeiten. Die sind außergewöhnlich. Ich zweifle an seiner inhaltlichen Vision. Er hat keine. Er wurde Bundeskanzler, weil er erkannt hatte, dass er Bundeskanzler werden kann.
Scheint so, als als bewundert er Kurz in Wahrheit.
Dieses politische Geschäftsmodell überträgt Sebastian Kurz nun auf die europäische Ebene. Die Heerschar an Opportunisten, die da gerne mitmachen, wird groß sein. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer [macht da gerne mit]
Es geht diesem hier besprochenen Typus von Politiker nicht um inhaltliche Ziele aus Überzeugung. Diese werden nur vorgetäuscht und benutzt. Viktor Orbán beispielsweise war einst ein liberaler Posterboy. Er wurde als solcher in ganz Europa hofiert und erfolgreich. Aber er war und ist bis heute nur vom Willen zur Macht angetrieben. Deswegen landete er bei der "illiberalen Demokratie" und zuletzt bei der "christlichen". Weil er es als effektiv erachtet. Wenn der Wind morgen dreht, dreht er mit. Kein inhaltlicher Preis zu hoch, kein Schwenk zu weit. Nur ist Orbán nicht ausreichend salonfähig, um die nationalkonservativen Populisten europaweit anzuführen. Sebastian Kurz ist es.
Aber wenn wir uns als Europäische Union nicht gemeinsam selbst definieren und organisieren, werden wir von anderen definiert und organisiert. Ein entzweites Europa wird noch stärker zum Spielball anderer Weltmächte werden. Über unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität werden wir nicht mehr selbst bestimmen. Salvinis Lega Nord und Straches FPÖ, immerhin Regierungsparteien in Österreich und Italien, haben bereits Freundschaftsverträge mit Putins "Einiges Russland" geschlossen. Sie genieren sich dafür nicht, und sie beweisen damit auch, wie es um ihre Loyalität zur Europäischen Union steht.

Unter der Führung nationalkonservativer Populisten würde die Europäische Union in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit taumeln.
Die weltpolitische Bedeutungsamkeit - da kann ich nur mit Schopenhauer kommen:
Die wohlfeilste Art des Stolzes ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt.
Die weltpolitische Selbstachtung steht jetzt nicht primär auf dem Spiel - "illiberale Demokratie" ist ja nur ein Euphemismus, für ein demokratisches Mäntelchen mittels Beeinflussung der Zivilgesellschaft, durch Kontrolle der Medien und Vertreiben bzw Mundtotmachen von Kritikern uvm für eine Autokratie, im besten Fall eine Autokratie light, in der es noch eine unabhängige Justiz und Grundrechte für alle gibt. Aber ein paar der von Strolz erwähnten Politiker sägen ja auch schon daran.

Jetzt ist die Demokratie bekanntlich die schlechteste Staatsform, mit Ausnahme jeder, die schon ausprobiert wurden.
Demokratie und EU haben zu einer langen Zeit des Frieden und des Wohlstands in West- bis zumindest Mitteleuropa geführt. Ich bin skeptisch, ob die "illiberale Demokratie" das erhalten kann. Ich fürchte, es wird wohl auf das alte FPÖ-Rezept hinauslaufen: Die Leute werden nicht merken, dass es ihnen etwas schlechter geht wenn es ihnen im globalen Vergleich immer noch recht gut geht und es dafür eine Gruppe gibt (Roma, Sinti, Migranten, Muslime etc) denen aktiv das Leben noch schwerer germacht wird.

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dejost
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

Pammesberger bringt den Zustand der Eu auf den Punkt:

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Und wenn ihm mal nichts einfällt, könnte er einfach Merkel durch einen Flüchtling ersetzen, und es wäre genauso richtig.

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HalberHannes
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by HalberHannes »

Montag geht die Qual ja in die nächste Runde, diese permanenten Krisentreffen erinnern an die Eurorettung, Ende nie.
"“I accept chaos, I'm not sure whether it accepts me.” ― Bob Dylan

dejost ausgeloggt

Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost ausgeloggt »

Heute fragen wir uns etwas wortwörtlicher, wohin gehen die Europäer und -innen mithilfe der Arbeitnehmerfreizügigkeit:

https://orf.at/stories/3104824/

Die meisten EU-Bürger woanders hat Rumänien mit 3,2 Mio (etwa 14% der Gesamtbevölkerung).
Die meisten (etwa 1 Mio) verschlug es nach Italien, etwa 90 000 nach Österreich.

Platz 2 nach Anzahl ist Polen (etwa 700 000, ca 6,1 %), anteilig Litauen (ca 11,3 %, etwa 360 000 Personen).

Aus Griechenland sind nur 4,4% abgewandert, was angesichts der langandauernden Wirtschaftskrise wunder nimmt, Erklärungen stehen im Artikel nicht.

Etwa 3,1 % der Österreicher&innen (ca 240 000 Personen) verschlug es woanders in die EU.

Die wenigste innereurpäische Migration haben Frankreich und Deutschland (beide knapp unter 1,7%).

Als Gründe nennt der Artikel vorrangig Arbeitsmigration, sonstige Gründe wie Beziehungen, Pension, Klima und Ausbildung "fallen statistisch vergleichsweise viel weniger ins Gewicht".
Leider verlinkt ORF nicht auf die Originaldaten (nur allgemein auf Eurostat, da waren die Daten zu gut versteckt), Malta, Zypern und das Vereinigte Königreich jedenfalls sind nicht dabei.

Kevin der Geist

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Post by Kevin der Geist »

Eurostat sendet immer wieder diverse Statistiken aus, mal mehr, mal weniger interessant, manchmal so schlecht aufbereitet, dass es mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Heute nicht. Es geht um Haushaltsgrößen:

https://ec.europa.eu/eurostat/web/produ ... 20190601-1

223 Millionen Haushalte in der EU, davon hat nur ein Drittel (65 Mio) Kinder. Die Hälfte (~30 Mio) davon haben jeweils nur 1 Kind, ~26 Mio 2 Kinder und etwa 8,5 Mio 3 oder mehr Kinder.
15% dieser Kinder-Haushalte sind alleinerziehend.
Das wäre jetzt natürlich noch spannender, das mit Bevölkerungsprognosen zu verbinden, denn für mich hört sich das so an, als ob die Bevölkerung der EU (ohne Migration und Überalterung) abnehmen wird.

harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Wie die europäische Solidarität immer mehr bröckelt, sieht man an dieser Entscheidung. Es geht um die Umsiedlung von Asylsuchenden innerhalb der EU:

Rechtssachen C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17 vom 02.04.2020.
1. Die Rechtssachen C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.
2. Die Republik Polen hat vom 16. März 2016 an dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses (EU) 2015/1523 des Rates vom 14. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland und Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses (EU) 2015/1601 des Rates vom 22. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland und folglich gegen ihre anschließenden Verpflichtungen zur Umsiedlung nach Art. 5 Abs. 4 bis 11 dieser beiden Beschlüsse verstoßen, dass sie nicht in regelmäßigen Abständen, zumindest aber alle drei Monate, die entsprechende Zahl der internationalen Schutz beantragenden Personen angegeben hat, die schnell in ihr Hoheitsgebiet umgesiedelt werden konnten.
3. Ungarn hat vom 25. Dezember 2015 an dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 2015/1601 und folglich gegen seine anschließenden Verpflichtungen zur Umsiedlung nach Art. 5 Abs. 4 bis 11 dieses Beschlusses verstoßen, dass es nicht in regelmäßigen Abständen, zumindest aber alle drei Monate, die entsprechende Zahl der internationalen Schutz beantragenden Personen angegeben hat, die schnell in sein Hoheitsgebiet umgesiedelt werden konnten.
4. Die Tschechische Republik hat vom 13. August 2016 an dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 2015/1523 und Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 2015/1601 und folglich gegen ihre anschließenden Verpflichtungen zur Umsiedlung nach Art. 5 Abs. 4 bis 11 dieser beiden Beschlüsse verstoßen, dass sie nicht in regelmäßigen Abständen, zumindest aber alle drei Monate, die entsprechende Zahl der internationalen Schutz beantragenden Personen angegeben hat, die schnell in ihr Hoheitsgebiet umgesiedelt werden konnten.
5. Die Republik Polen trägt neben ihren eigenen Kosten in den Rechtssachen C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17 die Kosten der Kommission in der Rechtssache C‑715/17.
6. Ungarn trägt neben seinen eigenen Kosten in den Rechtssachen C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17 die Kosten der Kommission in der Rechtssache C‑718/17.
7. Die Tschechische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten in den Rechtssachen C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17 die Kosten der Kommission in der Rechtssache C‑719/17.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4410477

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass Ungarn gewillt ist die Entscheidung umzusetzen.

Quelle: https://www.kleinezeitung.at/politik/au ... Tschechien
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Nicht jeder Fehler, der im Ablauf einer Richterernennung zum EuGH erfolgt, kann später aufgegriffen werden. Die Zuständigkeit der Gerichtszusammensetzung ist im Sinne der Einheit und Kohärenz des Unionsrechts nicht zwingend betroffen.

Ich frage mich, wie so ein Fehler in Österreich behandelt würde, es wurde eine Stelle nicht ausgeschrieben und mit einem Bewerber aus der vorherigen Ausschreibung besetzt, die andere Stellen betraf.
1. Die Rechtssachen C‑542/18 RX–II und C‑543/18 RX‑II werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.
2. Die Urteile des Gerichts der Europäischen Union (Rechtsmittelkammer) vom 19. Juli 2018, Simpson/Rat (T‑646/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:493), und HG/Kommission (T‑693/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:492), beeinträchtigen die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts, soweit das Gericht der Europäischen Union als Rechtsmittelgericht entschieden hat, dass der Spruchkörper des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union, der den Beschluss vom 24. Juni 2016, Simpson/Rat (F‑142/11 RENV, EU:F:2016:136), und das Urteil vom 19. Juli 2016, HG/Kommission (F‑149/15, EU:F:2016:155), erlassen hat, wegen einer Vorschriftswidrigkeit, die das Verfahren zur Ernennung eines der Mitglieder dieses Spruchkörpers betroffen habe, vorschriftswidrig zusammengesetzt gewesen sei, was zu einem Verstoß gegen den in Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters geführt habe, und die genannten Entscheidungen aufgehoben hat.
3. Die genannten Urteile werden aufgehoben.
4. Die Sachen werden an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
5. Herr Erik Simpson, der Rat der Europäischen Union, HG, die Europäische Kommission und die bulgarische Regierung tragen ihre eigenen durch die Überprüfungsverfahren entstandenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4412910
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Ein weiteres Puzzlestück zum Bröckeln des Rechtsstaates, diesmal Polen:

C-585/18 vom 19.11.2019
1. Die Fragen der Izba Pracy i Ubezpieczeń Społecznych (Kammer für Arbeits- und Sozialversicherungssachen) des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) in der Rechtssache C‑585/18 und die erste Frage dieses Gerichts in den Rechtssachen C‑624/18 und C‑625/18 sind nicht mehr zu beantworten.
2. Die zweite und die dritte Frage dieses Gerichts in den Rechtssachen C‑624/18 und C‑625/18 sind wie folgt zu beantworten:
Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass Rechtsstreitigkeiten über die Anwendung des Unionsrechts in die ausschließliche Zuständigkeit einer Einrichtung fallen können, die kein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 47 der Charta ist. Das ist der Fall, wenn die objektiven Bedingungen, unter denen die Einrichtung geschaffen wurde, ihre Merkmale sowie die Art und Weise der Ernennung ihrer Mitglieder geeignet sind, bei den Rechtsunterworfenen berechtigte Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren, insbesondere für unmittelbare oder mittelbare Einflussnahmen durch die Legislative und die Exekutive, und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen aufkommen zu lassen, und daher dazu führen können, dass diese Einrichtung nicht den Eindruck vermittelt, unabhängig und unparteiisch zu sein, wodurch das Vertrauen beeinträchtigt werden kann, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsunterworfenen schaffen muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden erheblichen Erkenntnisse zu ermitteln, ob dies bei einer Einrichtung wie der Disziplinarkammer des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) der Fall ist.
In einem solchen Fall ist der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er das vorlegende Gericht dazu verpflichtet, die Bestimmung des nationalen Rechts, die die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Ausgangsrechtsstreitigkeiten dieser Einrichtung vorbehält, unangewendet zu lassen, damit die Rechtsstreitigkeiten von einem Gericht verhandelt werden können, das den oben genannten Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit genügt und in dem betreffenden Bereich zuständig wäre, stünde diese Bestimmung dem nicht entgegen.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4601446
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Und nochmal Polen, diesmal eine Herabsetzung des Ruhestandsalter, bei der der Justizminister ermächtigt ist, die Fortsetzung der Amtstätigkeit über das neue Ruhestandsalter hinaus zu genehmigen oder eben nicht:

C-192/18 vom 05.11.2019
1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 157 AEUV sowie aus Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verstoßen, dass sie mit Art. 13 Nrn. 1 bis 3 der Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit und einiger anderer Gesetze) vom 12. Juli 2017 ein unterschiedliches Ruhestandsalter für Frauen und Männer, die als Richter an den polnischen ordentlichen Gerichten und am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) oder als Staatsanwälte bei den polnischen Staatsanwaltschaften tätig sind, eingeführt hat.
2. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen, dass sie mit Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit und einiger anderer Gesetze vom 12. Juli 2017 den Justizminister (Polen) ermächtigt hat, die Fortsetzung der Amtstätigkeit von Richtern der polnischen ordentlichen Gerichte über das neue, durch Art. 13 Nr. 1 dieses Gesetzes herabgesetzte Ruhestandsalter für diese Richter hinaus zu genehmigen oder nicht zu genehmigen.
3. Die Republik Polen wird zur Tragung der Kosten verurteilt.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4602762
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Man sollte meinen, das Thema IBAN Diskriminierung sollte weniger werden. Mitnichten, wie eine EuGH Entscheidung vom 05.09.2019 bei einem staatsnahen Betrieb, der Deutschen Bahn, zeigt:

C-28/18 vom 05.09.2019
Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 ist dahin auszulegen, dass er einer Vertragsklausel wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Zahlung mittels einer Lastschrift, die auf Euro lautet und über das in der Europäischen Union bestehende Lastschriftverfahren vorgenommen wird (SEPA-Lastschrift), ausschließt, wenn der Zahler seinen Wohnsitz nicht in dem Mitgliedstaat hat, in dem der Zahlungsempfänger seinen Sitz hat.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4606289
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Wieder Polen, wieder bröckelnder Rechtsstaat:

Interessant: einen Berichtigungsbeschluss gab es auch:

Quelle Berichtigung: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=5068392

C-619/18 vom 24.06.2019
1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen, dass sie zum einen vorgesehen hat, dass die Herabsetzung des Ruhestandsalters für Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) auf amtierende Richter Anwendung findet, die vor dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufen worden waren, und zum anderen dem Präsidenten der Republik die Befugnis verliehen hat, den aktiven Dienst der Richter dieses Gerichts über das neu festgelegte Ruhestandsalter hinaus nach freiem Ermessen zu verlängern.
2. Die Republik Polen trägt die Kosten.
3. Ungarn trägt seine eigenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=5068392
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Und schon wieder Polen, jetzt hat der EuGH doch glatt eine einstweilige Verfügung erlassen!

C-791/19 R vom 08.04.2020
1) La République de Pologne est tenue, immédiatement et jusqu’au prononcé de l’arrêt qui mettra fin à l’instance dans l’affaire C-791/19,

– de suspendre l’application des dispositions de l’article 3, point 5, de l’article 27 et de l’article 73, paragraphe 1, de l’ustawa o Sądzie Najwyższym (loi sur la Cour suprême), du 8 décembre 2017 (Dz. U. de 2018, position 5), telle que modifiée, constituant le fondement de la compétence de l’Izba Dyscyplinarna (chambre disciplinaire) du Sąd Najwyższy (Cour suprême) pour statuer, tant en première instance qu’en instance d’appel, dans les affaires disciplinaires relatives à des juges ;

– de s’abstenir de transmettre les affaires pendantes devant l’Izba Dyscyplinarna (chambre disciplinaire) du Sąd Najwyższy (Cour suprême) à une formation de jugement qui ne satisfait pas aux exigences d’indépendance définies, notamment, dans l’arrêt du 19 novembre 2019, A. K. e.a. (Indépendance de la chambre disciplinaire de la Cour suprême) (C‑585/18, C‑624/18 et C‑625/18, EU:C:2019:982), et

– de communiquer à la Commission européenne, au plus tard un mois après la notification de l’ordonnance de la Cour ordonnant les mesures provisoires sollicitées, toutes les mesures qu’elle aura adoptées afin de se conformer pleinement à cette ordonnance.

2) Les dépens sont réservés.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=5106869

Polen soll sich nicht dran halten, vertritt die Meinung, man müsse jetzt den nationalen Verfassungsgerichtshof fragen. :doh :tw
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Die EU tut was für uns Reisende (gerade also nicht so viel wegen Covid19, aber für unserer Reisezukunft.

Wer kennt DCC (Dynamic Currency Conversion)? Das ist in den meisten Fällen die größte Abzocke überhaupt und in Polen besonders gern praktiziert.

DCC soll jetzt jedenfalls transparenter werden:
DCC: Mehr Transparenz am Geldautomaten und bei Zahlungen am POS

Was hat die EU je für uns getan? Zum Beispiel die Verordnung 2019/518 auf den Weg gebracht, die zum 19.04.2020 bzw. 19.04.2021 (Einzelteile) in Kraft tritt.

Schwerpunkt dieser Verordnung ist das an Geldautomaten und manchem Händler gerne mal auftretende DCC (Dynamic Currency Conversion). Da bietet die Bank oder der Händler dem Kunden an, zu einem speziellen Umrechnungskurs sofort umzurechnen um Währungsschwankungen zu vermeiden. Dabei verlangen Bank oder Händler allerdings bisher ungenannte Aufschläge, die zwischen 3 % und 10 % betragen.

Wie hoch der eigentlich offizielle Wechselkurs zu dem Zeitpunkt ist, wurde dem Kunden bisher an der Stelle verschwiegen. Damit ist nun Schluss.

DCC-Anbieter müssen, egal ob am Geldautomaten oder am Zahlungsterminal, ab 19.04.2020 die Kursaufschläge bezogen auf die aktuellen EZB-Kurse nennen. Dies muss zum einen in einer leicht zugänglichen und verständlichen Weise auf einer allgemein verfügbaren und leicht zugänglichen elektronischen Plattform geschehen.

VOR Auslösung der Zahlung müssen ZUSÄTZLICH auch noch folgende Informormationen dem Kunden bereitgestellt werden:

Betrag in der Heimatwährung des Kartebninhabers
Betrag in der Währung des DCC-Anbieters
deutliche Kennzeichnung des Kursaufschlags
Information über Möglichkeit der Zahlung in der Währung des Zahlungsempfängers und Umrechnung durch Kartenherausgeber
Zusätzlich müssen die Informationen zum Kursaufschlag sowie zu den Beträgen in der Heimatwährung von Zahler und Dienstleister auch noch auf einem dauerhaften Datenträger dem Kunden bereitgestellt werden. Das kann am Geldautomaten durch eine Quittung geschehen, beim Händler über den Kassenbon.

Zum 19.04.2021 tritt zusätzlich noch folgende Festlegung in Kraft:

Der Kartenherausgeber informiert den Karteninhaber unverzüglich nachdem der Herausgeber von der Transaktion erfahren hat, über den Kursaufschlag der DCC-Transaktion elektronisch. Diese Mitteilung erfolgt einmal pro Monat.

Auf welchem Wege diese Information erfolgt, vereinbaren Kartenherausgeber und Karteninhaber individuell. Der Karteninhaber kann auf diese elektronischen Mitteilungen explizit verzichten, der Kartenherausgeber kann dies von seiner Seite aus nicht.

Abweichend können Kartenherausgeber und Karteninhaber, die keine Verbraucher sind, also Firmenkunden, vereinbaren, daß diese Regelungen ganz oder teilweise entfallen.

Kartenherausgeber sind verpflichtet, die Informationen auf Grundlage dieses Artikels kostenlos und in einer neutralen und verständlichen Weise zur Verfügung zu stellen.

Und was bedeutet das jetzt alles für den Verbraucher?

Eigentlich nur Gutes. Geldautomatenbetreiber und Händler müssen jetzt BEVOR man eine Zahlung bestätigt klar machen, wie hoch der Preisaufschlag bei der DCC-Umrechnung ist. Damit dürfte wohl klar sein, daß viele dann eher die Zahlung in Landeswährung wählen werden und DCC so das Wasser abgegraben wird. Die EU wird sich auch genau anschauen ob da versucht wird im großen Stil zu tricksen. Sollte das der Fall sein, wird man wohl nochmal nachjustieren, vielleicht sogar DCC ganz verbieten. Aber selbst wenn sich jetzt ab sofort alle an die neue Verordnung halten, dürfte das baldige Ende von DCC zumindest innerhalb der EU zu erwarten sein.
https://www.torstenmaue.net/02857/dcc-m ... en-am-pos/
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Die Einführung einer deutschen Maut und der Rückersatz derselbigen im Wege der Steuer, zeigt auch, wie sehr der europäische Gedanke immer mehr verloren geht. Deutschland hat verloren:

C-591/17 vom 18.06.2019
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt drei Viertel der Kosten der Republik Österreich sowie ihre eigenen Kosten.
4. Die Republik Österreich trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.
5. Das Königreich der Niederlande und das Königreich Dänemark tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=5216588
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Zwei Entscheidungen zu EPSO Auswahlverfahren:

C-377/16 vom 26.03.2019

Spanien wehrt sich erfolgreich gegen eine Ausschreibung des EU Parlaments nur in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch, weil es anscheinend kein ausreichendes Regelwerk gab:
1. Die Aufforderung zur Interessenbekundung Vertragsbedienstete – Funktionsgruppe I – Fahrer (m/w), EP/CAST/S/16/2016, wird für nichtig erklärt.
2. Die gemäß der Aufforderung zur Interessenbekundung Vertragsbedienstete – Funktionsgruppe I – Fahrer (m/w), EP/CAST/S/16/2016, erstellte Datenbank wird für nichtig erklärt.
3. Das Europäische Parlament trägt die Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=2794205

C-621/16P vom 26.03.2019

Und hie verliert Spanien, weil das Regelwerk der Kommission ausreichend war.
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die der Italienischen Republik.
3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=2794497

Es bleibt ein unangenehmer Beigeschmack. Mit der richtigen Sprache als Muttersprache hat man einen gehörigen Startvorteil und es ist nicht überraschend, dass die meisten Mitarbeiter der EU Organe hauptsächlich aus französischsprachigen Ländern Mitarbeiter rekrutiert!
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Auch die Kirche unterliegt rechtsstaatlicher Kontrolle, eine Nonanet Antwort des EuGH in einer Gleichbehandlungsentscheidung:

C-414/16 vom 17.04.2018
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist in Verbindung mit deren Art. 9 und 10 sowie mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.
2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine Anforderung handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.
3. Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den Art. 21 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=3009299
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Das Zitat stammt aus dem Rechtspanorama Thread:
harald wrote:
24 Apr 2020, 22:23
Wir lernen: Der Beitritt zur EMRK ist nicht möglich, obwohl in den Verträgen vorgesehen, und da geht's um Menschenrechte, aber ein indirektes Abtreten des Auslegungsmonopols ist doch irgendwie zulässig, wenn es ums Geld und Investoren geht, :(
Da habe ich bemerkt, dass ich ein wesentliches Gutachten des EuGH aus dem Jahr 2014 bisher ausgespart habe:

Gutachten 2/13 vom 18.12.2014
Die Übereinkunft über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist nicht mit Art. 6 Abs. 2 EUV und dem Protokoll (Nr. 8) zu Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union über den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vereinbar.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4403505

Ich erlaube mir diesmal einen emotionalen Kommentar abseits der Rechtsgrundlagen:

Ich fände es durchaus ganz gut, wenn das Auslegungsmonopol des EuGH, welcher sich selbst als Motor des Binnenmarktes sieht, zum Zwecke der Förderung der Menschenrechte durch den EGMR beschränkt würde. Sollte das Projekt der EU jemals scheitern, was ich innigst nicht hoffe, dann sehe ich diese Entscheidung als einen der großen Sündenfälle (neben dem Mitanfeuern der griechischen Regierung in der Wirtschaftskrise, das Volk nicht über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen, was auch zum Grexit führen hätte können, aber wesentlich unwahrscheinlicher war, als der Brexit, wo die EU weniger gegengewirkt hat).

Was ich noch festhalten möchte: die Richterin, die von Österreich nominiert wurde, und an der Entscheidung teilnahm, war Dr. Maria Berger.

Weitere Schritte zur Änderung des Beitrittsentwurfs sind mir nicht bekannt, ich hoffe das Thema ist nicht vollends zum Erliegen gekommen.
--Harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Vorübergehende Gehaltskürzungen für Richter in einer Wirtschaftskrise, ist das möglich. Ja, bei übermäßigem Haushaltsdefizit und einem Finanzhilfeprogramm der EU. Die Entscheidung betraf Portugal:

C-64/16 vom 27.02.2018
Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist dahin auszulegen, dass es mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar ist, wenn auf die Mitglieder des Tribunal de Contas (Rechnungshof, Portugal) allgemeine Maßnahmen zur Kürzung von Bezügen wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, Anwendung finden, die mit der Notwendigkeit des Abbaus eines übermäßigen Haushaltsdefizits und einem Finanzhilfeprogramm der Europäischen Union zusammenhängen.
Interessant ist folgender Teil:
Neben der Nichtabsetzbarkeit der Mitglieder der betreffenden Einrichtung (vgl. u. a. Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 51) stellt auch eine der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entsprechende Vergütung eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit dar.
[...]
Wie schließlich aus dem Titel des Gesetzes Nr. 75/2014 und aus dem Wortlaut seines Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, handelte es sich bei den durch dieses Gesetz eingeführten Kürzungen der Bezüge, die am 1. Oktober 2014 in Kraft traten, um vorübergehende Maßnahmen. Sie wurden im Jahr 2016 schrittweise aufgehoben und mit dem Gesetz Nr. 159-A/2015 am 1. Oktober 2016 endgültig beendet.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=7560277
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Wie bedenklich die rechtliche Situation von Polens Justizsystem ist, sieht man schon an dieser Entscheidung des EuGH:

C-216/18 PPU vom 28.06.2018
Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde, die über die Übergabe einer Person, gegen die ein Europäischer Haftbefehl zum Zwecke der Strafverfolgung ergangen ist, zu entscheiden hat, wenn sie über Anhaltspunkte – wie diejenigen in einem begründeten Vorschlag der Europäischen Kommission nach Art. 7 Abs. 1 EUV – dafür verfügt, dass wegen systemischer oder allgemeiner Mängel in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz des Ausstellungsmitgliedstaats eine echte Gefahr der Verletzung des in Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Grundrechts auf ein faires Verfahren besteht, konkret und genau prüfen muss, ob es in Anbetracht der persönlichen Situation dieser Person sowie der Art der strafverfolgungsbegründenden Straftat und des Sachverhalts, auf denen der Europäische Haftbefehl beruht, und unter Berücksichtigung der Informationen, die der Ausstellungsmitgliedstaat gemäß Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in geänderter Fassung mitgeteilt hat, ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die besagte Person im Fall ihrer Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat einer solchen Gefahr ausgesetzt sein wird.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=7560703
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Über Türkis-Blau wurde die Indexierung der Familienbeihilfe beschlossen.

Was ich nicht wusste, ist das der ehemalige Bundeskanzler Kern (SPÖ) die Idee gesäet hat, eine Ecke in der ich solche Ideen tatsächlich nicht verortet hätte.

Es gibt Experten, die sagen, das sei europarechtlich zulässig, andere wiederum sagen, es sei nicht zulässig.

Für die Zulässigkeit argumentiert Prof. Mazal:

Quelle: https://www.wienerzeitung.at/nachrichte ... etbar.html

Gegen die Zulässigkeit argumentiert Prof. Marhold:

Quelle: https://www.derstandard.at/story/200009 ... ialdumping

Ich habe eigentlich auf ein Vertragsverletzungsverfahren gewartet, aber das Bundesfinanzgericht war schneller und hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Quelle: https://orf.at/stories/3163745

Meine Einschätzung:

die Indexierung kennt die EU auch, im Pensionsrecht. Das ist aber keine Familienleistung im Sinne der VO (EG) 883/2004 wiederfindet. Das Wort gekürzt bzw. geändert ist hier, bei der Familienleistung, maßgeblich:
Artikel 7

Aufhebung der Wohnortklauseln

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind,
nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden
, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Von der Gerechtigkeit wäre die Anpassung der Indexierung an den Wohnort der Kinder durchaus angebracht. Denn es darf nicht vergessen werden, dass Kinder in Staaten mit hohen Lebenshaltungskosten mehr bekommen würden.

Das Problem ist jedoch die Balance und die normative Kraft des Faktischen. Denn es wird ja im Endergebnis nicht teurer, weil wir zB so viele Schweden als Arbeiter bei uns begrüßen dürfen, sondern es wird billiger, weil wir Arbeiter aus Niedriglohnländern beschäftigen. Das liegt auch an den Arbeiten, die meist schwerer körperlicher Natur ist und bei Österreichern tendenziell unbeliebt ist. Gerade dieses billiger werden, wird den EuGH als Motor des Binnenmarktes dazu veranlassen, gegen die Indexierung zu entscheiden.

Nachtrag: Rechtssache ist unter C-163/20 zu finden!

http://curia.europa.eu/juris/documents. ... id=8314830

Der Beschluss des BFG mit Vorlagefragen:
BFG vom 16.04.2020, RE/7100001/2020
Sind Artikel 18 und Artikel 45 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, Artikel 4, Artikel 5 Buchstabe b, Artikel 7 und Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie Artikel 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass Familienleistungen für ein Kind, das sich nicht tatsächlich ständig in dem diese Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat, sondern tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäische Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für den jeweiligen Staat im Verhältnis zu dem die Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat anzupassen sind?
https://findok.bmf.gv.at/findok?executi ... 33830ff356
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Rumäniens Rechtsstaatlichkeitsprobleme waren mit den vielen EuGH Verfahren um Polen und Ungarn längere Zeit unbeachtet. Auch diese Entscheidung des EGMR wäre heute fast untergegangen, wegen einer in den Medien mehr beachteten Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes.

KÖVESI gegen Rumänien vom 05.05.2020 Nummer 3594/19
Korruptionsjägerin Kövesi gewinnt Prozess gegen Rumänien

Online seit heute, 12.42 Uhr
Rumänien ist heute nach einer Klage der amtierenden Europäischen Chefanklägerin und früheren Leiterin der rumänischen Antikorruptionsbehörde DNA, Laura Kövesi, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden.

Kövesi hatte den EGMR Ende 2018 angerufen und in ihrer Klage darauf verwiesen, dass der rumänische Staat ihr im Zuge ihrer Abberufung als oberste Korruptionsjägerin weder ein faires Verfahren noch einen freien Zugang zur Justiz eingeräumt hat.

Laura Kövesi
Reuters/Inquam Photos
Die Straßburger Richter sahen in ihrem auf Einstimmigkeit beruhenden Urteil eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention gegeben.

Schadenersatz muss Rumänien der europäischen Chefanklägerin wegen ihrer vor zwei Jahren erfolgten missbräuchlichen Abberufung als oberste Korruptionsjägerin nicht zahlen: Die 46-Jährige hatte von Anfang an klargestellt, mit ihrer Klage lediglich verhindern zu wollen, dass das von den damals regierenden Postkommunisten (PSD) aus der Taufe gehobene umstrittene Abberufungsverfahren zur gängigen Praxis gegenüber weiteren unliebsamen leitenden Staatsanwälten wird.
Quelle: https://orf.at/stories/3164472/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Der deutsche BGH hat auch über eine IBAN Diskriminierung abgesprochen, hat einen Elektronikhändler betroffen:
SEPA-Diskriminierung stellt Wettbewerbsverstoß dar – BGH entscheidet in einem Grundsatzverfahren
Mit seinem jetzt veröffentlichten Urteil (BGH, Urteil vom 06.02.2020, Az. I ZR 93/18) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Weigerung, für eine SEPA-Lastschrift ein Konto in Luxemburg als Zahlungsquelle zu akzeptieren, einen Wettbewerbsverstoß darstellt.

Der beklagte Elektronikhändler hatte bei Abwicklung der Bestellung dem Besteller mitgeteilt, dass eine Zahlung von seinem Konto in Luxemburg nicht möglich sei.

Der BGH stuft die Regelungen der SEPA-Verordnung nicht nur als Verbraucherschutzregeln ein, sondern auch als Marktverhaltensregeln im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, die auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Er stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der im einem Verfahren gegen die Deutsche Bahn deren Verlangen, dass der Käufer einer Fahrkarte seinen Wohnsitz in Deutschland haben muss ebenfalls als unzulässig untersagt hat (EuGH, Urteil vom 05.09.2019, Rs. C-28/18).

Der BGH kommt auch zu dem Ergebnis, dass die Weigerung das Konto in Luxemburg als Zahlungsquelle zu akzeptieren, geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Das Verhalten behindere Verbraucher in der Ausübung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit und in ihrer Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Für Studenten oder kurzzeitig abgeordnete Arbeitnehmer müsse es möglich sein, Zahlungen über ein Konto aus ihrem Heimatland abzuwickeln.

Hintergrund:

Was regelt die SEPA-Verordnung?
Unternehmen, die als Zahlungsmodalität das Lastschriftverfahren zum Einzug von Forderungen anbieten und verwenden, müssen nach der SEPA-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 260/2012) bereits seit 2012 den Lastschrifteinzug aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchführen lassen. Die Unternehmen sind also verpflichtet, den Einzug von Konten in der EU zuzulassen, die mit dem SEPA-Lastschriftverfahren erreichbar sind. Gleiches gilt auch für die Vornahme von Zahlungen, z.B. im Rahmen von sogenannten Cash Back-Aktionen von Herstellern. Die Unternehmen sind also insgesamt verpflichtet, Zahlungen von und an alle Konten in der EU durchzuführen, die mit dem SEPA-Verfahren erreichbar sind.

Beschwerdestelle bei der Wettbewerbszentrale

Im Mai 2017 hat die Wettbewerbszentrale ihre Beschwerdestelle zur SEPA-Diskriminierung auf Anregung ihrer Mitglieder in Abstimmung mit der BaFin und der Bundesbank eingerichtet. An diese Beschwerdestelle können sich Verbraucher und Unternehmer wenden, wenn sie bei der Akzeptanz von SEPA erreichbaren Konten bei der Durchführung von Zahlungen auf Schwierigkeiten stoßen. Seit der Einrichtung der Beschwerdestelle hat die Wettbewerbszentrale mehr als 900 Beschwerden bearbeitet. Sofern der Nachweis über eine SEPA-Diskriminierung erbracht wurde konnten die meisten der Verfahren durch eine außergerichtliche Einigung erledigt werden. In 15 Fällen musste die Wettbewerbszentrale Klage auf Unterlassung einreichen. 13 Diese Verfahren sind bereits erfolgreich durch Urteile oder Vergleiche abgeschlossen, 2 Prozeßverfahren sind noch anhängig.
Quelle: https://www.wettbewerbszentrale.de/de/a ... s/?id=3336
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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harald wrote:
29 Apr 2020, 14:51
Über Türkis-Blau wurde die Indexierung der Familienbeihilfe beschlossen.

Was ich nicht wusste, ist das der ehemalige Bundeskanzler Kern (SPÖ) die Idee gesäet hat, eine Ecke in der ich solche Ideen tatsächlich nicht verortet hätte.

Es gibt Experten, die sagen, das sei europarechtlich zulässig, andere wiederum sagen, es sei nicht zulässig.

Für die Zulässigkeit argumentiert Prof. Mazal:

Quelle: https://www.wienerzeitung.at/nachrichte ... etbar.html

Gegen die Zulässigkeit argumentiert Prof. Marhold:

Quelle: https://www.derstandard.at/story/200009 ... ialdumping

Ich habe eigentlich auf ein Vertragsverletzungsverfahren gewartet, aber das Bundesfinanzgericht war schneller und hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Quelle: https://orf.at/stories/3163745

Meine Einschätzung:

die Indexierung kennt die EU auch, im Pensionsrecht. Das ist aber keine Familienleistung im Sinne der VO (EG) 883/2004 wiederfindet. Das Wort gekürzt bzw. geändert ist hier, bei der Familienleistung, maßgeblich:
Artikel 7

Aufhebung der Wohnortklauseln

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind,
nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden
, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Von der Gerechtigkeit wäre die Anpassung der Indexierung an den Wohnort der Kinder durchaus angebracht. Denn es darf nicht vergessen werden, dass Kinder in Staaten mit hohen Lebenshaltungskosten mehr bekommen würden.

Das Problem ist jedoch die Balance und die normative Kraft des Faktischen. Denn es wird ja im Endergebnis nicht teurer, weil wir zB so viele Schweden als Arbeiter bei uns begrüßen dürfen, sondern es wird billiger, weil wir Arbeiter aus Niedriglohnländern beschäftigen. Das liegt auch an den Arbeiten, die meist schwerer körperlicher Natur ist und bei Österreichern tendenziell unbeliebt ist. Gerade dieses billiger werden, wird den EuGH als Motor des Binnenmarktes dazu veranlassen, gegen die Indexierung zu entscheiden.

Nachtrag: Rechtssache ist unter C-163/20 zu finden!

http://curia.europa.eu/juris/documents. ... id=8314830

Der Beschluss des BFG mit Vorlagefragen:
BFG vom 16.04.2020, RE/7100001/2020
Sind Artikel 18 und Artikel 45 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, Artikel 4, Artikel 5 Buchstabe b, Artikel 7 und Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie Artikel 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass Familienleistungen für ein Kind, das sich nicht tatsächlich ständig in dem diese Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat, sondern tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäische Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für den jeweiligen Staat im Verhältnis zu dem die Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat anzupassen sind?
https://findok.bmf.gv.at/findok?executi ... 33830ff356
Vertragsverletzungsverfahren gibt es jetzt auch noch oben drauf, aus meiner Sicht ein bisschen spät:

https://orf.at/stories/3165666/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Spannend wird auch das Verfahren C-896/19. Eine NGO sieht einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Es geht um die Ernennungen von Richtern in Malta, die im ausschließlichen Ermessen des Premierministers liegen.

Das Vorabentscheidungsersuchen lautet:
Sind der zweite [Unterabsatz von] Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sei es separat oder in Verbindung miteinander gelesen, als in Bezug auf die Rechtsgültigkeit der Art. 96, 96A und 100 der Verfassung von Malta anwendbar anzusehen?
Falls die erste Frage bejaht wird: Sind die Befugnisse des Premierministers im Verfahren für die Ernennung der Mitglieder der Richterschaft in Malta als mit Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Grundrechtecharta im Einklang stehend anzusehen, auch unter Berücksichtigung des 2016 in Kraft getretenen Art. 96A der Verfassung?
Falls die Befugnisse des Premierministers für nicht vereinbar befunden werden: Ist diese Tatsache bei künftigen Ernennungen zu berücksichtigen, oder betrifft sie auch die bisherigen Ernennungen?
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=1294078

Die letzte Frage kann der geneigte Leser schon beantworten, siehe Rechtssachen C‑542/18 RX–II und C‑543/18 RX‑II weiter oben!

:eu :old :tw
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Oha, der EuGH kennt sowas wie den Grundsatz der Amtswegigkeit (zumindest bei diesem Verfahrensgegenstand) und weitet diesen aus:

C‑495/19 vom 04.06.2020
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er der Auslegung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die ein Gericht, das mit einer in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Klage eines Gewerbetreibenden gegen einen Verbraucher befasst ist und ein Versäumnisurteil erlässt, wenn der Verbraucher trotz Ladung nicht zur Verhandlung erscheint, daran hindert, die notwendigen Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen, um die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln, auf die der Gewerbetreibende sein Begehren gestützt hat, von Amts wegen zu prüfen, wenn das Gericht Zweifel daran hat, ob die Klauseln missbräuchlich im Sinne der Richtlinie sind.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=2616638
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Zum Thema Laizität, Religion, etc. habe ich mich hier wie auch im Rechtspanorama Thread ausgelassen. Ein interessanter Artikel dazu, die Ausdrucksweise ist teilweise sehr derb, aber aus meiner Sicht trotzdem treffend:
EuGH: Kirchenrechtler vermisst „Feingefühl“
Nach Ansicht des evangelischen deutschen Staatskirchenrechtlers Hans Michael Heinig fehlt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das „Feingefühl“ im Blick auf religionspolitische Fragen.

„Das merkt man der Rechtsprechung auch an. Sie ist religionskulturell unterbelichtet“, sagte Heinig im Interview dem Portal katholisch.de. Daher gebe es eine „untergründige Tendenz, im Zweifel eher eine integrationspolitische Agenda zu verfolgen oder wirtschaftliche Rechte höher zu gewichten als kulturelle und religiöse Freiheitsrechte“.

Heinig ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, an der Uni Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Frage nach Kompetenzbereich
Die Regelung, wonach die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften respektiert werden soll, funktioniere im politischen Tagesgeschäft der EU-Rechtssetzung „gar nicht so schlecht“, ergänzte der Experte. „Beim EuGH hingegen bleibt davon nichts übrig.“ Hier werde auch schon mal die Frage gestellt, ob er bei einigen Themen seinen Kompetenzbereich überschreite.

Als konkretes Beispiel nannte Heinig den „Fall Egenberger“, der bald in die nächste Runde gehen dürfte: Eine konfessionslose Bewerberin wurde in einer evangelischen Einrichtung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Daraufhin klagte sie wegen Diskriminierung, weil dies aus ihrer Sicht aufgrund ihrer fehlenden Kirchenzugehörigkeit geschehen sei. Hier habe aber auch das deutsche Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des EuGH „bemerkenswert religionsfreiheitsfeindlich angewendet“, statt seinen Spielraum „grundgesetzschonend“ zu nutzen, so Heinig.

Deutschland: Weichenstellungen stehen an
Gerade zum in Deutschland geltenden kirchlichen Arbeitsrecht stünden wichtige Weichenstellungen an, so der Staatskirchenrechtler. Dabei gehe es immer auch um die Frage, wie hoch und wie unterschiedlich Gerichte das Selbstorganisationsrecht der Kirchen bewerten.

Das hängt aus Heinigs Sicht nicht zwingend damit zusammen, ob Richter kirchlich geprägt sind oder nicht: „Es ist jedenfalls kein Automatismus, dass eine säkularer werdende Gesellschaft, was immer der vielschichtige Begriff ‚säkularer‘ auch heißt, automatisch weniger religiöse Freiheitsräume bieten wird.“ Der Sinn für das Besondere des Religiösen gehe vielleicht ein Stück weit zurück, aber auch Menschen „mit einer säkularen Option können gute Gründe dafür entdecken, religiöse Freiheiten zu gewährleisten, und das nicht nur auf einer Minimalbasis“.
Quelle: https://religion.orf.at/m/stories/3004182/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Ohne den Volkswagen Skandal wäre diese Änderung wahrscheinlich nicht so bald gekommen. Mal sehen, wie praxistauglich die Umsetzung sein wird. :n57: :old
Verbraucher werden gestärkt: EU-Sammelklage kommt
Verbraucher in der EU können ihre Rechte künftig besser gegen große Firmen durchsetzen. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich Montagabend auf die EU-weite Einführung von Sammelklagen. Die EU-Kommission hatte 2018 im Zuge des VW-Abgasskandals um manipulierte Abschalteinrichtungen von Fahrzeugen vorgeschlagen, europaweit Kollektivklagen zu erlauben.

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Die Richtlinie soll es Verbraucherschutzorganisationen ermöglichen, grundsätzlich überall in der EU Klagen mehrerer Verbraucher aus demselben Grund und gegen dasselbe Unternehmen zu bündeln. Stellvertretend sollen sie Ansprüche auf Schadenersatz, Preisminderungen und Ersatzlieferungen einklagen können.

Zwei Jahre Zeit für Umsetzung
Die EU-Staaten müssen die neuen Regeln nun innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. In Deutschland gibt es mit der Musterfeststellungsklage bereits eine Möglichkeit für Kollektivklagen.

Künftig können Verbraucher jedoch auch in anderen EU-Staaten ihre Rechte durchsetzen. Qualifizierte Institutionen wie Verbraucherverbände können dann stellvertretend für die Geschädigten gegen Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz klagen. In jedem EU-Staat soll zumindest eine Organisation dazu berechtigt sein, wie das Europaparlament mitteilte.

Auch gegen Flug- und Bahngesellschaften
In einem wichtigen Punkt setzten sich die Parlamentarier gegen die EU-Staaten durch: Auch Flug- und Bahnrechte werden von den neuen Regeln umfasst. Darüber hinaus können Sammelklagen etwa bei Fragen des Datenschutzes, bei Finanzdienstleistungen sowie bei Energie-, Umwelt- und Gesundheitsfragen eingereicht werden - neben den allgemeinen Verbraucherschutzrechten.

Vor einem Missbrauch dieser Klagemöglichkeit sollen Unternehmen durch die neuen Regeln geschützt werden. Abschreckend soll das Prinzip wirken, dass der Verlierer eines Prozesses für die Kosten aufkommt. Zudem können Gerichte und Behörden zum frühestmöglichen Zeitpunkt entscheiden, einen offensichtlich unbegründeten Fall fallen zu lassen, wie das Parlament mitteilte. In den USA sind Sammelklagen ein lukratives Geschäftsmodell für Anwaltskanzleien.
Quelle: https://help.orf.at/m/v3/stories/3004100/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Eine weitere Vertragsverletzung von Ungarn, diesmal wegen einer Registrierungspflicht für NGOs mit Auslandsfinanzierung:

C‑78/18 vom 18.06.2020
1. Ungarn hat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV sowie den Art. 7, 8 und 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen, indem es durch den Erlass von Bestimmungen des A külföldről támogatott szervezetek átláthatóságáról szóló 2017. évi LXXVI. törvény (Gesetz Nr. LXXVI von 2017 über die Transparenz von aus dem Ausland unterstützten Organisationen), mit denen einigen Kategorien von Organisationen der Zivilgesellschaft, und zwar solchen, die unmittelbar oder mittelbar ausländische Unterstützung in einer einen bestimmten Schwellenwert überschreitenden Höhe erhalten, Registrierungs-, Melde- und Offenlegungspflichten auferlegt werden und die vorsehen, dass gegen Organisationen, die diesen Pflichten nicht nachkommen, Sanktionen verhängt werden können, diskriminierende und ungerechtfertigte Beschränkungen für ausländische Spenden an Organisationen der Zivilgesellschaft eingeführt hat.
2. Ungarn trägt die Kosten.
3. Das Königreich Schweden trägt seine eigenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=9463808
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Ungarn hadert auch ein wenig mit der Reisefreiheit und den benötigten Dokumenten bei Angehörigen von Unionsbürgern:

C-754/18 vom 18.06.2020
1. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass der Besitz einer Daueraufenthaltskarte im Sinne von Art. 20 der Richtlinie eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, aber Familienangehörige eines Unionsbürgers und Inhaberin einer solchen Karte ist, bei der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von der Visumpflicht befreit.
2. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass der Besitz der Daueraufenthaltskarte im Sinne von Art. 20 der Richtlinie den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der Inhaber dieser Karte ist, auch dann von der Visumpflicht befreit, wenn diese Karte von einem nicht zum Schengenraum gehörenden Mitgliedstaat ausgestellt worden ist.
3. Art. 20 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass der Besitz der Aufenthaltskarte im Sinne dieses Artikels einen ausreichenden Nachweis dafür darstellt, dass der Inhaber der Karte zum einen Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist und deshalb ohne weitere Überprüfung oder andere Nachweise das Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und zum anderen gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie von der Visumpflicht befreit ist.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=9463808
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Im Dieselskandal bzw. Abgasskandal wehrt sich Volkswagen auf allen Ebenen, irgendwie beschämend, dass in den USA Entschädigungszahlungen fließen und in Europa die Verfahren durch den Konzern nur in die Länge gezogen werden. :doh

Gerichtlich ist der Staat des Erwerbers für Rechtsstreitigkeiten zuständig (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs!).

C‑343/19 vom 09.07.2020
Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedstaat rechtswidrig mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat befindet.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=9463808

:eu
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

Das Brüsseler Selbstbedienungsbuffet ist angerichtet
so titelt die Presse, derzeit sogar ohne Paywall (https://www.diepresse.com/5839628/das-b ... ngerichtet)
Ein wesentlicher Teil des 750 Milliarden Euro großen EU-Aufbaufonds ist Betrug und Mitnahmeeffekte ausgeliefert. Schuld daran tragen die Nationalstaaten.
Nonaned. Wer soll den auch sonst schuld sein?

Wo genau die Probleme liegen, hat der Europäische Rechungshof (Link von der Presse) festgestellt - zumindest einige.
Wen wundert das? Der Hof beschreibt hier genau jene Fehler in der Finanzierung der Union, deren Abschaffung jede neue Kommission gelobt, um dann scheibchenweise von den nationalen Regierungen umgeschnitten zu werden. Wie oft hörte man Gelöbnisse von Finanzministern oder Regierungschefs, den gemeinsamen Haushalt zu „modernisieren“? Das hieße aber, sich von Brüsseler Geldtöpfen zu verabschieden, deren publikumswirksames Anzapfen man innenpolitisch ohne jegliche Scham ausschlachtet. Und so gehen auch in diesem angeblich so „grünen“ und „zukunftsorientierten“ Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 mehr als 60 Prozent der Ausgaben die Subventionierung der Landwirtschaft und die (angesichts der kaum verminderten regionalen Diskrepanzen fragwürdige) Kohäsionsförderung. Zynisch? Ja. Alternativlos? Nein
Geschrieben übrigens von Oliver Grimm.

harald wrote:
14 Jul 2020, 21:19
irgendwie beschämend, dass in den USA Entschädigungszahlungen fließen und in Europa die Verfahren durch den Konzern nur in die Länge gezogen werden.
Da ich hier jetzt nicht konkreten Personen Wählerverrat oder Korruption unterstellen will, belasse ich es einmal mit einer sehr allgemeinen Antwort:
Die europäischen Staaten und ihre Organe sind einem so großen, gut vernetzten Arbeitgeber einfach mehr wohlgesonnen als die US-Justiz.

harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Die Einmalzahlung des Kinderbonus ist auch indexiert und somit potenziell eurparechtswidrig:

https://www.derstandard.at/story/200011 ... leich-hoch
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

EU will Maßnahmen gegen Internetmonopole setzen: ich bin gespannt, was daraus wird, ob es was durchsetzbares geben wird ist einen zahnlosen Papiertiger.

https://fm4.orf.at/m/stories/3006589/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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harald wrote:
07 Apr 2020, 11:48
Nicht jeder Fehler, der im Ablauf einer Richterernennung zum EuGH erfolgt, kann später aufgegriffen werden. Die Zuständigkeit der Gerichtszusammensetzung ist im Sinne der Einheit und Kohärenz des Unionsrechts nicht zwingend betroffen.

Ich frage mich, wie so ein Fehler in Österreich behandelt würde, es wurde eine Stelle nicht ausgeschrieben und mit einem Bewerber aus der vorherigen Ausschreibung besetzt, die andere Stellen betraf.
1. Die Rechtssachen C‑542/18 RX–II und C‑543/18 RX‑II werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.
2. Die Urteile des Gerichts der Europäischen Union (Rechtsmittelkammer) vom 19. Juli 2018, Simpson/Rat (T‑646/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:493), und HG/Kommission (T‑693/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:492), beeinträchtigen die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts, soweit das Gericht der Europäischen Union als Rechtsmittelgericht entschieden hat, dass der Spruchkörper des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union, der den Beschluss vom 24. Juni 2016, Simpson/Rat (F‑142/11 RENV, EU:F:2016:136), und das Urteil vom 19. Juli 2016, HG/Kommission (F‑149/15, EU:F:2016:155), erlassen hat, wegen einer Vorschriftswidrigkeit, die das Verfahren zur Ernennung eines der Mitglieder dieses Spruchkörpers betroffen habe, vorschriftswidrig zusammengesetzt gewesen sei, was zu einem Verstoß gegen den in Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters geführt habe, und die genannten Entscheidungen aufgehoben hat.
3. Die genannten Urteile werden aufgehoben.
4. Die Sachen werden an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
5. Herr Erik Simpson, der Rat der Europäischen Union, HG, die Europäische Kommission und die bulgarische Regierung tragen ihre eigenen durch die Überprüfungsverfahren entstandenen Kosten.
Quelle: http://curia.europa.eu/juris/document/d ... id=4412910
Na super, ich seh da durchaus eine Judikaturdivergenz zum EGMR:
EGMR Judikatur (Große Kammer) / Fehlerhafte Richterernennung verletzt Recht auf faires Verfahren

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt mit ihrer Entscheidung vom 01.12.2020 das Urteil der Vorinstanz vom 12. März 2019 (Az. 26374/118) zur Besetzung eines isländischen Berufungsgerichts, welche von der Isländischen Regierung bekämpft worden war. Damit wurde endgültig klargestellt, dass Verfahrensfehler bei der Ernennung von Richtern das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzen.
Zum Hintergrund
Der Antragssteller Gudmundur Andri Astradsson war im Jahr 2017 wegen Fahrens ohne gültigen Führerschein und unter Drogeneinfluss verurteilt worden. Er brachte gegen die Entscheidung beim neuen Berufungsgericht (gegründet im Januar 2018) Berufung ein. Richterin Arnfridur Einarsdottir war eine der Richterinnen, der der Fall Gudmundur zugeordnet waren. Mit dem Argument, dass es Unregelmäßigkeiten im Verfahren für ihre Ernennung gegeben habe, beantragte der Antragsteller, dass ihr der Fall entzogen werde. Sein Antrag wurde abgelehnt.
Im April 2018 legte er Berufung beim Obersten Gerichtshof ein, doch das Gericht wies seine Berufung einen Monat später ab und stellte fest, dass es trotz der Mängel im Verfahren keinen ausreichenden Grund für Zweifel gab, dass Gudmundur ein faires Verfahren vor unabhängigen und unparteiischen Richtern hatte. Am 31. Mai legte er Berufung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein.
In seinem Kammerurteil vom 12. März 2019 stellte der EGMR (mit fünf gegen zwei Stimmen) fest, dass gegen Art. 6 Abs. 1 (Recht auf ein gesetzlich festgelegtes Gericht) der EGMK verstoßen worden sei. Die Kammer stellte fest, dass das Verfahren, mit dem Arnfridur Einarsdottir zur Richterin des isländischen Berufungsgerichts ernannt worden war, einen eklatanten Verstoß gegen die geltenden innerstaatlichen Vorschriften darstellte: „Es wurde das Vertrauens verletzt, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft in der Öffentlichkeit schaffen muss, und gegen den Kern des Grundsatzes verstoßen hatte, dass ein Gericht gesetzmäßig besetzt ist.“
Am 9. September 2019 nahm das Gremium der Großen Kammer den Antrag der Regierung an, den Fall an die Große Kammer zu verweisen. Die Anhörung erfolgte am 01.12.2020.
Zum Urteil der Großen Kammer
Im Urteil der Großen Kammer (Antrag Nr. 26374/18) hat der EGMR am 01.12.2020 einstimmig festgestellt, dass es ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 (Recht auf ein vom Gesetz festgelegtes Gericht) der EGMK vorliegt.
In den letzten Jahrzehnten hatte der Rechtsrahmen in Island, der die gerichtlichen Ernennungen regelt, einige wichtige Änderungen zur Begrenzung des Ermessens der Minister bei den Ernennungen und damit zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz vorgenommen. Im Zusammenhang mit der Ernennung von Richtern an das neu geschaffene Berufungsgericht, bei dem das Parlament mit der Genehmigung aller vom Justizminister vorgeschlagenen Kandidaten beauftragt worden war, wurde die Kontrolle der Ministergewalt weiter verschärft, um die Legitimität dieses neuen Gerichts zu stärken.
Angesichts der potenziellen Auswirkungen der Feststellung eines Verstoßes und der wichtigen Interessen, die auf dem Spiel stehen, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass das Recht auf ein „durch Gesetz errichtetes Gericht“ nicht zu allgemein so ausgelegt werden sollte, dass jede Unregelmäßigkeit in einem gerichtlichen Ernennungsverfahren Gefahr laufen würde, dieses Recht zu gefährden.
So formulierte der EGMR einen dreistufigen Test, um festzustellen, ob Unregelmäßigkeiten in einem gerichtlichen Benennungsverfahren so schwerwiegend waren, dass ein Verstoß gegen das Recht auf ein auf dem Gesetz beruhendes Gericht zur Folge hatte.
Wie der isländische Oberste Gerichtshof jedoch festgestellt hat, wurde dieser Rechtsrahmen, insbesondere durch die Justizministerin, verletzt, als vier der neuen RichterInnen des Berufungsgerichts ernannt worden waren. Während die Ministerin gesetzlich ermächtigt worden war, unter bestimmten Voraussetzungen vom Vorschlag des Auswahlausschusses abzuweichen, hatte sie eine grundlegende Verfahrensregel missachtet, die sie verpflichtete, ihre Entscheidung auf eine ausreichende Erhebung und Beurteilung zu stützen. Diese Regel war ein wichtiger Schutz, um die Ministerin daran zu hindern, aus politischen oder anderen ungerechtfertigten Motiven zu handeln, die die Unabhängigkeit und Legitimität des Berufungsgerichts untergraben würden. Dieser Verstoß war gleichbedeutend mit der Wiederherstellung der Ermessensbefugnisse, die die Ministerin zuvor im Rahmen von gerichtlichen Ernennungen innehatte, und damit die wichtigen Errungenschaften und Garantien der Gesetzesreformen neutralisiert worden. Weitere rechtliche Garantien zur Behebung der von der Ministerin begangenen Verletzungen, wie das parlamentarische Verfahren und der endgültige Schutz der gerichtlichen Kontrolle vor inländischen Gerichten, hatten sich jedoch als unwirksam erwiesen, und der von der Ministerin genutzte Ermessensspielraum, von der Bewertung des Bewertungsausschusses abzuweichen, blieb unbeschränkt.
Dreistufiges Prüfungsverfahren
In Anwendung seiner dreistufigen Prüfung stellte das Gericht fest, dass der Klägerin wegen der Teilnahme einer Richterin an dem gegenständlichen Ausgangsverfahren, deren Ernennung durch schwerwiegende Unregelmäßigkeiten untergraben worden sei, die das Wesen dieses Rechts beeinträchtigt hätten, das Recht auf ein dem Gesetz beruhendes Gericht verwehrt worden.
Schritt: Ob es zu einem offensichtlichen Verstoß gegen innerstaatliches Recht gekommen ist.
Die liegt nach der Großen Kammer vor, da die Justizministerin keine unabhängige Bewertung des Sachverhaltes vornahm und keine hinreichenden Gründe für die Abweichung vom Vorschlag des Bewertungsausschusses vorgelegt. Schließlich hat das isländische Parlament das besondere Abstimmungsverfahren mit gesonderter Abstimmung über den einzelnen Kandidaten nicht durchgeführt.
Die erste Bedingung war erfüllt.
Schritt: Ob Verstöße gegen innerstaatliches Recht eine Grundregel des Gerichts betrafen Verfahren zur Ernennung
Der Bewertungsausschuss wurde durch die Gesetzesreformen mit der Befugnis ausgestattet, verbindliche Empfehlungen für die Ernennung von Richtern auf allen drei Ebenen auszusprechen. Was die von der Ministerin begangenen Verstöße angeht, so waren diese nicht bloß technische oder verfahrenstechnische Mängel, sondern schwerwiegende Unregelmäßigkeiten, die das Recht auf ein dem Gesetz beruhendes Gericht zuwiderlaufen.
Schritt: Ob die nationalen Gerichte die Frage eines behaupteten Verstoßes gegen das Recht auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht tatsächlich geprüft (und gegebenenfalls Abhilfe geschaffen) haben
Zusammenfassend kam die Große Kammer einstimmig zum Schluss, dass dem Kläger wegen der Teilnahme einer Richterin an seinem Verfahren, deren Ernennung durch schwere Unregelmäßigkeiten untergraben worden war, das Wesen des fraglichen Rechts beeinträchtigt hat, sein Recht auf ein dem Gesetz beruhendes Gericht verwehrt worden war. Somit hat es einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 (Recht auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht) der EGMK gegeben.
Nach Auffassung des EGMR stellte die Auswahl der neuen Kandidaten ohne erneute unabhängige Prüfung ihrer Qualifikation jedoch einen eklatanten Verstoß gegen geltendes nationales Recht dar. Zudem wurde das Prinzip der Gewaltenteilung durch diese Entscheidung der Exekutive nicht hinreichend respektiert. Damit liege ein Verstoß gegen das fundamentale Prinzip nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass Gerichte durch Gesetze eingerichtet werden müssen, vor, womit das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzt worden sei. Die isländische Justizministerin hat über das Urteil ihren Rücktritt erklärt.
Quelle: https://uvsvereinigung.wordpress.com/20 ... verfahren/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Drehtür-Effekt für Oettinger
Kein Ex-Kommissar kann sich über so viele attraktive Nachfolge-Jobs freuen wie Günther Oettinger. Der 67-Jährige kommt im ersten Jahr nach dem Ausscheiden aus der Brüsseler Kommission auf insgesamt 13 neue Beschäftigungsverhältnisse
Zehn Jahre war Oettinger EU-Kommissar, zuerst für Energiepolitik, dann für Digitales, zuletzt für den Haushalt.
Allein sieben der 13 neuen Arbeitgeber von Oettinger stehen im Lobbyregister. Da liegt es also nahe, dass die sich hier Lobbyfirmen einen exklusiven Zugang oder Insider-Wissen sichern wollen
Um Konflikte zu vermeiden, sollen die Kommissare eigentlich in den zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden keine Jobs in der Wirtschaft annehmen. In Brüssel wird das "Abkühlzeit" genannt. Für sie gibt es Übergangsgeld, die Hälfte des Gehalts wird über drei Jahre weitergezahlt. Aber es gibt auch die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen.

Oettinger hat sie gleich 13 mal bekommen.
Übrigens, er ist ua bei Deloitte tätig. Und für die Ausnahmen ist die EU-Kommission zuständig - also diejenigen, die selbst dereinst mal gerne so eine Ausnahme wollen, entscheiden, ob ihre Vorgänger eine bekommen.
Genehmigung Nummer 14 steht noch aus. Oettinger soll den ungarischen Innovationsrat für Forschung leiten
Seine Parteikollegen im EU-Parlament sind natürlich voll dafür, die sind (zumindest derzeit noch) mit Proto-Diktator Orban auch noch in einer Fraktion.

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

In practice,however, wealth—and therefore capital income—in Germany is extremely concentrated. On average, Germans are richer than almost anyone else in Europe. The average German is about 50 percent richer than the average Italian and twice as wealthy as the average Spaniard. The distribution of wealth is so unequal in Germany, however, that the median German household is far poorer than the median Spanish household and only about as wealthy as the median Greek or Polish household. According to a comprehensive survey by the European Central Bank, Germans on lower incomes have less net wealth, in absolute terms, than low-income Estonians and Hungarians. Many Germans either have no assets at all or owe debts greater than the assets they do own.

The skewed distribution of wealth is exacerbated by the types of assets held by the richest Germans. Only 10 percent of German households directly own shares in listed companies, and only 13 percent own mutual funds. (There is likely significant overlap in those two groups.) Most important, 90 percent of all businesses in Germany—accounting for more than half of all corporate cash flow—are family-owned businesses held by just 10 percent of German households. These businesses are passed from generation to generation because they are mostly exempt from inheritance tax as long as jobs are preserved for seven years after the handover.

The perverse result is that the effective tax rate on German inheritances of more than €10 million is about 1 percent, while the effective tax rate for inheritances of €100,000 to €200,000 is roughly 14 percent. A legal change in 2016 modestly tweaked the exemptions, but the basic inequity remains.
Aus: Klein and Pettis, Trade Wars Are Class Wars, pp. 155-156, Yale University Press 2020.

(hier gefunden)

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by dejost »

https://www.tagesspiegel.de/politik/eu- ... 82294.html
Begleitet von einem Feuerwerk an starken Argumenten fällten Europas Volksvertreter einen Beschluss, der das Prädikat historisch verdient.

Mit 506 von 684 Stimmen beschlossen sie, die von CDU-Star Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Untätigkeit zu verklagen, und das mit einer spektakulären Begründung: Die Kommissare, so sehen es die Abgeordneten fast aller Fraktionen, brechen geltendes Recht, weil sie sich weigern, gegen die Demontage des Rechtsstaats in Ungarn und Polen vorzugehen.
Der Vorwurf baut auf eine klare Rechtsgrundlage. Seit 1. Januar 2021 gilt die „Verordnung über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union“. Sie verpflichtet die Kommission, für Mitgliedsstaaten, die rechtsstaatliche Prinzipien missachten, die Zahlungen aus dem Haushalt zu stoppen und den Bescheid dem Rat der Regierungen zur Bestätigung vorzulegen. Dafür reicht dann ein Mehrheitsbeschluss; Polen und Ungarn könnten sich nicht mehr gegenseitig mit einem Veto schützen.
Wie dringend das eigentlich wäre, illustrierte die ungarische Abgeordnete Katalin Cseh von den Liberalen. Die EU-Behörde gegen Haushaltsbetrug habe nachgewiesen, dass der Schwiegersohn von Ungarns Autokrat Victor Orban sich mit EU-Mitteln bereichert habe, erklärte sie. Das Gleiche gelte für Lorinc Meszaros, den reichsten Mann des Landes und Orbans Freund seit Kindheitstagen, dessen Firmen mit einer Milliarde Euro an EU-Subventionen gefüttert worden seien.
Laut dem Artikel liegt der Grund darin, dass Polen und Ungarn sonst das Budget blockiert hätten (auch nicht unproblematisch, dass das geht), und von der Leyen ist halt von den Regierungschefs, nicht vom Parlament oder der Bevölkerung ernannt, und die wollen halt all ihre schöne Brüssel-Kohle haben, damit sie die daheim ausgeben können, und sind dafür nicht solche Rechtsstaatsfans (zeigt sich ja bei unseren heimischen Möchtegern-Orbans auch).

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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

EU-Entschlüsselungspläne offenbar „beschlossene Sache“
Noch ohne offiziellen Auftrag des Rats für eine solche Regulation hat die Kommission bereits begonnen, ein Entschlüsselungsgebot in anderen Regulationsvorhaben zu verankern. Chronik der zweiten „CryptoWars“ von 2014 bis heute, Teil II.
https://fm4.orf.at/m/stories/3010502/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

EU erhielt die zwölfte Cybersicherheitsorganisation
Brüssel-Kenner Rigo Wenning hat eine verblüffende Erklärung für den Wildwuchs der EU-Cybergremien, in denen Cyberkoordinatoren andere Cyberkoordinatoren koordinieren.
https://fm4.orf.at/m/stories/3016230/

Ob mehr besser ist? Der Artikel bezweifelt es.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

E-Privacy Verordnung kommt wieder auf Kurs
In ihrer Neufassung hat die portugiesische Ratspräsidentschaft die Verankerung einer Vorratsdatenspeicherung sowie Upload-Filterpflichten aus dem Text der EU-Verordnung zum Schutz der Privatsphäre eliminiert. Das Mitschneiden privater Chats und Telefonate ist untersagt.
https://fm4.orf.at/m/stories/3011067/

Das klang ja toll, damals.
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IBAN Diskriminierung

Post by harald »

Weil es hier schon vereinzelt zum Thema IBAN Diskriminierung gepostet wurde, eine Seite die Diskriminierungen sammelt und von Fintechs unterstützt wird:

https://www.acceptmyiban.org/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Die Fahrgastrechte bei der Bahn werden eingeschränkt:

https://orf.at/stories/3211149/
Bahn: Höhere Gewalt bald kein Entschädigungsgrund mehr
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Parlament war für E2E Verschlüsselung.

https://fm4.orf.at/m/stories/3020403/
EU-Verordnung zu digitalen Diensten vor Finale
In der Parlamentsversion sind generelle Filterpflichten verboten, E2E-Verschlüsselung darf nicht verhindert werden. Dazu hagelt es Auflagen, die den Internetkonzernen keineswegs egal sein werden.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Bei der EID Entwurf hat man auf Datenschutz gepfiffen.

https://fm4.orf.at/m/stories/3023384/
Digitales EU-Identifikationssystem kommt ohne Datenschutz
Im Verordnungsentwurf der Kommission für einen EU-weit gültigen digitalen Ausweis wird Datenschutz genau viermal und da nur am Rand erwähnt. Schutzmaßnahmen gegen staatliche Überwachung sind nicht vorgesehen.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

EU-Verordnung zu E-Privacy wieder in Bewegung
Mit drei Trilogverhandlungen und einer Unzahl technischer Meetings ist der nächste Versuch zur Finalisierung des wichtigsten Konsumentenschutzgesetzes für das Netz wieder angelaufen.
https://fm4.orf.at/m/stories/3023962/

Bin gespannt, wie viele Jahre es am Ende gedauert haben wird, bis die VO fertig ist.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Pilotprojekte vor Gesetzestext, das hat in der Vergangenheit kein schlankes Bein gemacht. Mal sehen, ob es diesmal anders ist.

https://fm4.orf.at/m/stories/3024478/
EU-weites Überwachungsnetz schon in der Aufbauphase
Ein Fonds der Kommission dafür steht bereit und die ersten beiden Pilotprojekte werden noch vor dem Sommer zwei Innenministerien zugeteilt. Die Software-Tools für Data-Mining wurden in geförderten KI-Forschungsprojekten der Kommission entwickelt. Serie Teil drei.
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Neue KI-Verordnung mit „Kompromissen“ beim Datenschutz
Mehr „Flexibilität bei Hochrisiko-KI-Systemen“, Aufsichtsinstanzen wurden gestrichen, „weniger strenge Anforderungen“ und Ausnahmen, nicht beherrschbare Risiken werden in Kauf genommen.
https://fm4.orf.at/m/stories/3025089

Und es gibt wieder Abstriche beim neuen Entwurf. Mai sehen, ob das Parlament noch gegensteuern kann (und will).
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Eines der Pilotprojekte findet bei der Polizei statt. :doh
EU-Pilotprojekt mit „Hochrisiko“-KI für Polizeibehörden
Big-Data-Analysetools für Strafverfolger sollen in mindestens zwei Innenministerien des EU-Raums vor Ort zu Trainigszwecken der „künstlichen Intelligenz“ auf „echte, großdimensionierte Datensätze“ losgelassen werden.
https://fm4.orf.at/stories/3023291/
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

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Falls sich jemand noch fragen sollte, woher Max Schrems seine Motivation nimmt, hier ein gegebener Anlass:

https://fm4.orf.at/m/stories/3021923/
CIA analysiert in großem Stil internationale Finanzdaten
Massive Datensätze von „nicht-amerikanischen“ Finanzdatenplattformen werden von CIA-Mitarbeitern mittels Data-Mining routinemäßig analysiert.
Die Kommission weiß von nichts:

https://fm4.orf.at/m/stories/3025523/
EU-Kommission mauert zu Data-Mining im SWIFT-System
Fünf Monate, nachdem der US-Kongress bekanntgegeben hat, dass die CIA seit 2016 Data-Mining in europäischen Finanztransaktionsdaten betreibt, hat die Kommission offiziell noch immer „keine Kenntnis“ dieses Sachverhalts.
Die Informationen dazu verdichten sich:

https://fm4.orf.at/m/stories/3024924/
Europol und CIA betreiben Data-Mining im SWIFT-System
Europäische Daten aus dem SWIFT-Finanztransaktionssystem wurden von Europol seit Jahren en gros zur „Durchsuchung“ an das US-Finanzministerium geliefert. Diese Daten landeten bei der CIA.
Sogar bei EU Parlamentsabgeordneten ist die Info schon angekommen.

Die Kommission weiß noch immer von nichts:

https://fm4.orf.at/m/stories/3025672/
Keine Auskunft für EU-Abgeordnete zu Data-Mining der CIA
Eine parlamentarische Anfrage zum schweren Verdacht, dass die CIA in europäischen SWIFT-Finanztransaktionen Data-Mining betreibt, wurde abgeschmettert. EU-Kommissarin Ylva Johansson sei darüber weiterhin „nicht informiert“.
Mein vorläufiger Befund: Von außen betrachtet herrscht entweder Inkompetenz, oder das Thema wird unterschätzt, oder sie dürfen nichts sagen, weil diplomatisch die Fetzen fliegen.

Ich hoffe auf Letzteres, befürchte aber eher ersteres und/oder zweites.
--Harald
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Die Verwaltung darf unter bestimmten Voraussetzungen die Barzahlung ausschließen! Ob die Voraussetzungen sehr einschränkend sind, wage ich derzeit nicht zu beurteilen. :tw

EuGH vom 26.01.2021, C-422/19 und C-423/19
1. Art. 2 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 128 Abs. 1 und Art. 133 AEUV sowie mit Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ist dahin auszulegen, dass er unabhängig davon, ob die Europäische Union ihre ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausgeübt hat, einen Mitgliedstaat daran hindert, eine Vorschrift zu erlassen, die in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel determiniert. Hingegen hindert er einen Mitgliedstaat nicht daran, in Ausübung einer ihm eigenen Zuständigkeit, wie etwa der Organisation seiner öffentlichen Verwaltung, eine Vorschrift zu erlassen, die diese Verwaltung verpflichtet, die Erfüllung der von ihr auferlegten Geldleistungspflichten in bar zu akzeptieren.

2. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sowie Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die die Möglichkeit ausschließt, eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht mit Euro-Banknoten zu erfüllen, nicht entgegenstehen, vorausgesetzt erstens, dass diese Regelung nicht zum Zweck oder zur Folge hat, die rechtliche Ausgestaltung des Status dieser Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel zu determinieren, zweitens, dass sie weder rechtlich noch faktisch zu einer Abschaffung dieser Banknoten führt, insbesondere, indem sie die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit solchem Bargeld zu erfüllen, drittens, dass sie aus Gründen des öffentlichen Interesses erlassen wurde, viertens, dass die durch diese Regelung bewirkte Beschränkung von Barzahlungen geeignet ist, das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse zu erreichen, und fünftens, dass sie die Grenzen dessen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, insofern nicht überschreitet, als andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um die Geldleistungspflicht zu erfüllen.
--Harald
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Eine juristisch spannende Entscheidung zur Rechtspersönlichkeit der EU. Details bitte der Entscheidung zu entnehmen. :eu

EuGH vom 05.04.2022, C‑161/20
--Harald
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

Die Beschlüsse betreffend Armenien, welche medial sehr breit gewürdigt wurden, waren nichtig. Der EuGH sprach die Aufrechterhaltung der Wirkung aus!

EuGH vom 02.09.2021, C‑180/20
1. Der Beschluss (EU) 2020/245 des Rates vom 17. Februar 2020 zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Europäischen Union in dem mit dem Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits eingesetzten Partnerschaftsrat zur Annahme der Geschäftsordnungen des Partnerschaftsrates, des Partnerschaftsausschusses und der durch den Partnerschaftsrat eingesetzten Unterausschüsse und sonstigen Gremien sowie zur Erstellung der Liste der Unterausschüsse für die Anwendung des Abkommens mit Ausnahme seines Titels II zu vertreten ist, und der Beschluss (EU) 2020/246 des Rates vom 17. Februar 2020 zur Festlegung des Standpunkts, der im Namen der Europäischen Union in dem mit dem Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits eingesetzten Partnerschaftsrat zur Annahme der Geschäftsordnungen des Partnerschaftsrates, des Partnerschaftsausschusses und der durch den Partnerschaftsrat eingesetzten Unterausschüsse und sonstigen Gremien sowie zur Erstellung der Liste der Unterausschüsse für die Anwendung des Titels II des Abkommens zu vertreten ist, werden für nichtig erklärt.

2. Die Wirkungen der Beschlüsse 2020/245 und 2020/246 werden aufrechterhalten.

3. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

4. Die Französische Republik und die Tschechische Republik tragen ihre eigenen Kosten.
--Harald
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harald
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Re: Imperium Europaeum, wohin gehst Du? - Der EU-Thread

Post by harald »

harald wrote:
31 Jul 2017, 12:08
Zwei Entscheidungen zum Thema "Kopftuchverbot" sind seitens des EuGH ergangen:

EuGH vom 14.03.2017, RS C-157-15, Achbita, und vom selben Tag, RS C-188/15, Bougnaoui.
Achbita wrote:Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergibt, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

Eine solche interne Regel eines privaten Unternehmens kann hingegen eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Bougnaoui wrote:Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass der Wille eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, die Leistungen dieses Arbeitgebers nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.
Es wird viel in diese Entscheidungen hinein interpretiert. Berücksichtigen sollte man jedenfalls aus welchen Ländern diese beiden Fälle kamen.
Ein Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz muss allumfassend sein, sonst ist es diskriminierend.

EuGH vom 15.07.2021, C-804/18 und C-341/19
1. Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass eine interne Regel eines Unternehmens, die den Arbeitnehmern das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet, gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund religiöser Gebote bestimmte Bekleidungsregeln befolgen, keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie darstellt, sofern diese Regel allgemein und unterschiedslos angewandt wird.

2. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung, die sich aus einer internen Regel eines Unternehmens ergibt, die den Arbeitnehmern das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet, mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden kann, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität gegenüber seinen Kunden oder Nutzern zu verfolgen, sofern erstens diese Politik einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entspricht, das der Arbeitgeber unter Berücksichtigung insbesondere der berechtigten Erwartungen dieser Kunden oder Nutzer und der nachteiligen Konsequenzen, die der Arbeitgeber angesichts der Art seiner Tätigkeit oder des Umfelds, in dem sie ausgeübt wird, ohne eine solche Politik zu tragen hätte, nachzuweisen hat, zweitens die Ungleichbehandlung geeignet ist, die ordnungsgemäße Anwendung des Neutralitätsgebots zu gewährleisten, was voraussetzt, dass diese Politik konsequent und systematisch befolgt wird, und drittens das Verbot auf das beschränkt ist, was im Hinblick auf den tatsächlichen Umfang und die tatsächliche Schwere der nachteiligen Konsequenzen, denen der Arbeitgeber durch ein solches Verbot zu entgehen sucht, unbedingt erforderlich ist.

3. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass eine mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, die sich aus einer internen Regel eines Unternehmens ergibt, die es verbietet, am Arbeitsplatz sichtbare Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen zu tragen, um eine Neutralitätspolitik in diesem Unternehmen sicherzustellen, nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn dieses Verbot jede sichtbare Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen umfasst. Ein auf das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen beschränktes Verbot kann eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung darstellen, die jedenfalls auf der Grundlage dieser Vorschrift nicht gerechtfertigt sein kann.

4. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass nationale Vorschriften, die die Religionsfreiheit schützen, bei der Prüfung der Frage, ob eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung angemessen ist, als günstigere Vorschriften im Sinne von Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie berücksichtigt werden dürfen.
--Harald
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